Die Oder liegt uns am Herzen – davon hat Laura Danzeisen schon hier und hier berichtet. Der Fluss, dessen Unterlauf Deutschland und Polen trennt, verbindet auch. Denn an beiden Ufern leben Menschen, die sich voller Herzblut für das Wohl der Oder und ihrer Bewohner einsetzen.
Am 21. April feierten sie den World Fish Migration Day mit einer Aktion direkt am Wasser; die Gesellschaft zu Rettung des Störs e.V., stellvertretender Nationalparkleiter Dr. Michael Tautenhahn, Kollegen aus Deutschland und Polen, HNE-Studis, Absolvent*innen und andere Naturbegeisterte. Vom Nationalparkzentrum in Criewen aus fuhren sie ans Ufer der Oder. Im Gepäck: 300 junge Baltische Störe! Die Jungtiere wurden in der Landesforschungsanstalt für Fischerei in Born reproduziert, dann ein Jahr lang in Berlin großgezogen. Nun sind sie etwa so lang wie eine Handspanne, mit einer gelben Markierung versehen und bereit für das Leben außerhalb von Tanks und Becken. Wer Gummistiefel dabeihatte oder sich barfuß ins Wasser traute, durfte die Lütten aus ihren Transportwannen heraus in die Freiheit entlassen. Noch wirkten ihre Körper sehr verletzlich, filigran gebaut. Als Knochenfische sind sie auch nicht typisch fischig-schuppig-glipschig, dafür urig anzusehen, mit absolut liebenswerten langen „Nasen“. Es war ein tolles Gefühl, sie abtauchen zu sehen, und sich zu fragen, wo sie in ein paar Stunden, Tagen, Wochen sein könnten.
Die Störe werden, wie es sich für anadrome Wanderfische gehört, dem Lauf der Oder folgen, bis sie am Stettiner Haff in die Ostsee schwimmen. Bis dahin werden sie sich auf einen knappen Meter Länge großgefuttert haben – wenn sie nicht vorher selbst als Mahlzeit, etwa von Rapfen, enden, die direkt an der Auswilderungsstelle im Wasser platschten. Doch die Knochenplatten am Rücken der Jungfische sind ein guter Fraßschutz. Diejenigen, die überleben, können 50 Jahre alt werden, länger als eine Badewanne werden und 100 Kilogramm auf die Waage bringen!
Mehrere Jahre nach ihrer Auswilderung kehren sie erstmals zum Laichen in die Oder zurück, so die Theorie. Seit 2007 werden Jungtiere in der Oder ausgesetzt, die nicht nur schon in Fischernetzen, sondern auch in der Presse landeten.
Es ist also durchaus möglich, dass Störe wieder in der Ostsee heimisch werden. Ursprünglich lebten dort Europäische Störe. Als während der Kleinen Eiszeit vor rund 1000 Jahren das Wasser abkühlte, wurden sie von den kältetoleranteren Baltischen Stören verdrängt. Die besiedelten jahrhundertelang die mitteleuropäischen Küstengewässer. Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die Bestände erstmals drastisch ab. Befischung, vor allem zur Kaviargewinnung, dezimierte die Zahl der Tiere extrem. Menschengemachte Veränderungen der Flussläufe und –betten vernichten ihre Laichplätze. Querbauwerke wie Schleusen machen Wanderfischen das ungestörte Wandern unmöglich.
Die polnische Regierung plant derzeit, was Oder-Schützer*innen unbedingt verhindern wollen; für bessere Schiffbarkeit soll der Fluss massiv vertieft, weiter zur internationalen Wasserstraße ausgebaut werden. Die Folgen für sämtliche angebundene Ökosysteme wären verheerend. Auch die Gefahr für Hochwässer würde ansteigen.
Auf beiden Seiten der Oder muss hart für ihren Schutz gearbeitet werden, wenn sie nicht vom naturnahen, holprigen Feldweg zur Autobahn für Schiffe werden soll. Darauf macht auch die polnische Koalition zur Rettung der Flüsse gemeinsam mit dem ALNUS aufmerksam. „Fluss ohne Grenzen“ ist ihr Motto für eine geplante Paddeltour auf dem Finowkanal und der Alten Oder.
Wir empfehlen die Teilnahme wärmstens – zum Bestaunen und Erleben des Flusses, der alle verbindet, denen er am Herzen liegt.
Comments