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Eine Straße, viele Bäume...

Durch eine Allee sind wohl die meisten von uns schon einmal gefahren, entweder selbst am Steuer sitzend oder als Beifahrer*in. Aber welche Vor- und Nachteile hat so eine Allee und wie viele Alleen gibt es eigentlich in Deutschland? Prof. Dr. Jürgen Peters berichtet im Interview über das Forschungsprojekt „Alleen als schützenswerte Landschaftselemente“, welches er geleitet hat.

Beispielbild Allee (Foto: J. Peters); Portrait Jürgen Peters (Foto: HNEE)


Hallo Herr Peters, danke, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen! Bevor wir genauer auf das Projekt eingehen, erst einmal eine allgemeine Frage: Das Projekt heißt ja „Alleen als schützenswerte Landschaftselemente“. Warum sind Alleen denn schützenswert? Welche Vorteile haben sie?

Alleen, also Baumreihen an Straßen und Wegen, werden seit etwa 300 Jahren angelegt. Damals wurden die Bäume direkt an den Straßenrändern gepflanzt und hatten zwei Funktionen: erstens eine Leitfunktion – sie sollten also die Straße seitlich begrenzen und verhindern, dass Fuhrwerke aus Versehen im Straßengraben landeten – und zweitens hatten sie vor allem im Sommer die Funktion, die Straße zu beschatten.

Später wurde dann auch erkannt, dass Alleen zur Strukturierung der Landschaft beitragen und zudem positive biologische Effekte haben: Alleebäume dienen als Habitat für Tiere, besonders für Insekten, und verbinden Lebensräume miteinander. Außerdem nutzen Fledermäuse Alleen als Orientierungshilfe bei der Nahrungssuche und beim Flug in ihre Winterquartiere.


Haben Alleen auch Nachteile?

Mit der Zunahme des Autoverkehrs kam die Diskussion auf, ob Alleen nicht zu gefährlich für Autofahrer*innen wären. Deswegen wurden die Richtlinien für die Nachpflanzungen von Alleebäumen verschärft: An Bundes- und Landesstraßen dürfen neue Bäume heute nicht mehr direkt am Straßenrand gepflanzt werden, sondern nur mit mindestens 4,5 bzw. 7,5 Meter Abstand dazu. Dieser Bereich gehört aber oft gar nicht mehr zum Straßenraum, sondern ist z.B. Ackerland, und die meisten Landwirt*innen sind (verständlicherweise) nicht bereit, etwas von ihrer Ackerfläche abzugeben. Insofern verhindern die neuen Richtlinien an vielen Stellen, dass Alleebäume nachgepflanzt werden.

Ich halte das für den falschen Ansatz, weil Alleen ja wie oben beschrieben sehr viele Vorteile haben. Und was die Gefährdung des Autoverkehrs angeht, sind die Assistenzsysteme in Autos immer besser geworden und verhindern immer zuverlässiger das Abkommen von der Fahrbahn. In besonders engen oder kurvenreichen Alleen kann außerdem eine Geschwindigkeitsbegrenzung das Unfallrisiko verringern oder es können zwischen den Bäumen und der Fahrbahn zusätzliche Leitplanken angebracht werden. Letzteres sieht zwar nicht sehr ästhetisch aus, ist aber meiner Ansicht nach immer noch besser, als die Alleebäume zu entfernen.


Zurück zu dem Projekt: Der Name sagt ja schon etwas über das Projektthema aus, aber was genau war das Ziel dieses Projekts?

Der Ausgangspunkt für das Projekt war die Erkenntnis, dass zwar viel über Alleen gesprochen wird, aber niemand genau wusste, wie viele Alleen es in Deutschland gibt. Das liegt wiederum daran, dass die Zuständigkeit für Alleebäume an die Zuständigkeit für die entsprechende Straße gekoppelt ist und die Bundesländer zwar wussten, wie viele Alleebäume an den Bundes- und Landstraßen in ihrem Gebiet stehen, aber nicht an den Kreis- und Kommunalstraßen. Über dieses Thema haben wir auch Gespräche mit der Alleenschutzgemeinschaft und der Arbeitsgruppe Alleen im Bundestag geführt und schließlich das entsprechende Projekt beantragt.

Das Ziel des Projekts war eine Bestandsanalyse von Alleen und einseitigen Baumreihen anhand von Geodaten. Dazu haben wir Daten der Landesämter für Geodäsie genutzt und ein GIS-Werkzeug entwickelt, das aus diesen Daten die Informationen zu Baumreihen und Alleen herausfiltern konnte. Eine Schwierigkeit dabei war, dass wir erst einmal eine Definition für Alleen festlegen mussten. Die Geodaten sagen nämlich nur aus, dass an einer bestimmten Stelle Bäume in einer Reihe stehen, geben aber nicht an, in welchem Abstand zueinander oder zur Straße.


Wie sah diese Definition aus?

Wir haben definiert, dass eine Allee aus einer oder mehreren, mindestens 50 Meter langen, geschlossenen Baumreihen zu beiden Seiten einer Straße bestehen muss.


Was war das Ergebnis des Projekts?

Wir haben Alleenkarten für Deutschland und für einzelne Bundesländer erstellt (siehe Fotos), außerdem einen Leitfaden mit Beispielbildern von Alleen und einem Kartierbogen. Dieser soll den jeweiligen Verantwortlichen helfen, den Zustand einer Allee zu überprüfen und gegebenenfalls eine geeignete Strategie für die Nachpflanzung von Bäumen zu finden.

Alleen-in-Deutschland-DBU-HNEE-Leitfaden-2022
.pdf
Download PDF • 45.59MB

Alleen- und Baumreihenbestand in Deutschland (Stadtstaaten nicht mit ausgewertet)

(Foto: Projektleitfaden „Alleen als schützenswerte Landschaftselemente“)

Ausschnitt aus dem Alleen-Kartierbogen (Foto: Projektleitfaden „Alleen als schützenswerte Landschaftselemente“)


Wer war außer der HNEE noch an dem Projekt beteiligt?

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), außerdem NGOs wie die Alleenschutzgemeinschaft, der BUND und der NABU sowie Behörden wie der Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg und das Bundesverkehrsministerium.


Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt? Sind Folgeprojekte geplant?

Wir haben noch kein Folgeprojekt beantragt, das wird aber eventuell noch geschehen. Im Moment nutzen wir die Daten aus dem Projekt vor allem für den Wissenstransfer: Landkreise oder Kommunen fragen bei uns an, ob sie die Alleen-Geodaten für ihr Gebiet von uns bekommen können und unsere wissenschaftliche Hilfskraft, Jasmin Preußer, sucht dann die entsprechenden Daten heraus.

Im Bereich Forschung wäre es interessant, die Daten aus dem Projekt z.B. in fünf und dann erneut in zehn Jahren zu aktualisieren und zu schauen, ob sich Trends feststellen lassen. Gibt es etwa in einer bestimmten Region mehr oder weniger Alleen als heute und was könnten die Gründe dafür sein?

Ein langfristiges Ziel wäre ein Benchmarking und damit eine Möglichkeit für Landkreise, sich beim Alleenbestand und bei der Nachpflanzung von Alleebäumen untereinander zu vergleichen und so hoffentlich die Alleen weiterhin zu bewahren und zu schützen.


Vielen Dank für das Interview!

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