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Eine Woche Heide

Ein Gastbeitrag von Rusalka Galinat


Im Rahmen des Kurses Geoökologie im vierten Semester LANU reisten wir Anfang September zusammen mit Prof. Dr. Uta Steinhardt und Jana Twarok für eine Woche in die Lüneburger Heide, um Kulturlandschaft zu erleben. Die Exkursion ist Teil des Projektes ÖkoKult, das u.a. aufzeigt, wie Landschaften auf immaterielle Weise zur Lebensqualität beitragen.


Foto Credits: Radka Geißler, Rike Varelmann, Rusalka Galinat


Es ist Sonntag, der 12. September 2021. Um 16 Uhr wollen wir mit zwei Bussen der HNEE vom Stadtcampus aus gen Nordwesten starten. Unser Ziel: die Lüneburger Heide. Um 14:32 Uhr, der planmäßigen Abfahrtszeit meines Zuges, wird eine Verspätung von einer Stunde angekündigt – Personalstreik bei der Bahn. Für mich also ein etwas holpriger Start, ich werde über Nacht mit einem Flixbus anreisen. Der Rest der Gruppe verbringt die erste Nacht in der Jugendherberge Lüneburg. Beim Frühstück vereint, bleibt noch ein Moment, um freudig zu realisieren, dass nach sehr langer Zeit in Online-Räumen und den Semesterferien, es endlich wieder möglich ist, gemeinsam Zeit zu verbringen und fast wie nebenbei zu lernen. Da sich viele fast ein Jahr nicht mehr persönlich gesehen habe, ist das Zusammentreffen wahrlich herzerwärmend.

Der Montag beginnt mit einer Stadtführung durch Lüneburg, bei der uns Prof. Dr. Martin Pries von der Leuphana Universität die Stadtgeschichte und Entstehung der Landschaft unter Betrachtung von Gesellschaft, Wirtschaft, Architektur und Geologie näherbringt. Es bleibt auch Zeit für kontroverse Diskussionen zu Herausforderungen und Widersprüchen der verschiedenen Nachhaltigkeitsdiskurse. In jedem Fall nehmen wir kontroversen Gesprächsstoff und spannende Einblicke in weniger offensichtliche Aspekte der Geschichte der Hanse- und Salzstadt mit.


Beste Freund:innen: Die Alpakas und die Hühner

Am Nachmittag besuchen wir den Hof von Bauer Hartmann, der als konventioneller Landwirt am F.R.A.N.Z.-Projekt teilnimmt. Dabei erprobt er, wissenschaftlich begleitet, auf seinen über 200 ha Land Methoden zur Steigerung der biologischen und landschaftlichen Diversität. Er versucht auch auf ökologische Weise den Nährstoffaufbau seiner Böden zu steigern, was bei teilweise 30 und weniger Bodenpunkten eine echte Herausforderung ist. Wir bekommen diverse Blühstreifen, „Beetle-Bänke“ und eine immens reichhaltige Zwischensaat-Mischung zu sehen. Die Übersichtskarten im Stall zeigen uns auch Feldlerchen- und Erbsenfenster, welche angelegt wurden. Ein absolutes Highlight für mich sind die Hühner des Hartmann-Hofs. Bewacht durch je zwei Alpakas pro Stall, leben sie in mobilen Ställen zwischen Kurzumtriebsreihen aus Pappeln und, führen das wahrscheinlich glücklichste und artgerechteste Leben, was ich in der konventionellen Haltung bisher mitbekommen habe. Am Abend beziehen wir unsere Selbstversorgungshütten im Feriendorf Schneverdingen. Von dort werden wir in den nächsten Tagen zu unseren Erkundungen in die Heide losziehen, am Abend gemeinsam kochen und Geschehenes sowie Bevorstehendes besprechen. Bei einem Spaziergang in das angrenzende Pietzmoor oder einem Blick in den klaren Sternenhimmel, bleibt hier Zeit zum Durchatmen und sich treiben lassen.



Foto Credits: Nastasja Metz


Lila Weite, sanfte Hügel und Plackerei

Den zweiten Tag verbringen wir sehr entspannt, um während einer Wanderung durch das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide die Landschaft richtig zu erleben und auf uns wirken zu lassen. Schweigend, für sich oder in kleiner Gruppe, bewegen wir uns durch die sanften Hügel. In mir kam das Gefühl auf, die Zeit würde immer langsamer vergehen und ich könnte ewig weiter laufen. Es war wie in Honig baden, was sicher durch das konstante Summen der Bienen und die Hitze, die von der strahlenden Herbstsonne ausging, verstärkt wurde. Wir besteigen den Wilseder Berg, der höchste Hügel der Heide und machen bei Buchweizenkuchen, Schnucken-Bratwurst oder geschmierten Stullen Pause im historischen Dorf Wilsede. Eine Mitarbeiterin des Vereins Naturschutzpark Lüneburger Heide erklärt uns am späten Nachmittag die Geschichte des Naturschutzgebiets und die Pflege durch den Verein.

Am Mittwoch lernen wir bei einem Besuch des Hofs Tütsberg viel über die historische Bewirtschaftung der Heide, durch die die Landschaft entstanden ist und erhalten wird. Welche Anstrengungen das Leben in der Heide mit sich brachte und wie im Laufe der Geschichte Menschen hier lebten und wirtschafteten. Wir bekommen einen Einblick in die Landschaftspflege mit urtümlichen Tierrassen wie den Dülmener Pferden und in die Herausforderungen, die ein angemessenem Wolfsschutz mit sich bringt.

Zurück im Naturschutzgebiet besuchen wir den Schäfer Jürgen, der sich seit 43 Jahren mit seinen Heidschnucken und Hunden täglich den Weg durch die Hügel der Heidelandschaft bahnt. Am Nachmittag ziehen wir mit ihm durch die blühende Heide, bleiben kaum mehr als zehn Minuten an einem Ort stehen und dürfen allerlei Fragen stellen, die Jürgen munter und ausführlich beantwortet.


Foto Credits: Nastasja Metz, Rusalka Galinat


Rollentausch: Landschaft aus anderen Perspektiven betrachten

Den vierten Tag verbringen wir aus der Perspektive einer Person aus einem gesellschaftlichen Milieu, das nicht unserem gleicht. Am Vorabend hatten wir Gruppen gebildet und aus dem Lostopf ein sogenanntes Sinus-Milieu gezogen, nach dessen Interessen und Vorlieben wir den Tag dann geplant hatten. Am Nachmittag treffen wir, zum ausführlichen Austausch und Reflexion unserer unterschiedlichen Erfahrungen, zusammen und diskutierten, wie die fiktiven Personen den Landschaftsraum erschließen und er ihnen zugänglicher gemacht werden könnte.

Bevor wir am Freitag die Heimreise antreten, simulieren wir eine Landschaftskonferenz zur Entwicklung der Lüneburger Heide. Wir schlüpfen in die Rollen der gelosten Akteur*innen, wie z.B. Landwirt*innen, Investor*innen, Tourismusvertreter*innen oder Naturschützer*innen, und diskutieren aus deren Sichtweise, ob die kostenintensive Erhaltung der Flächen weiter lohnt und welche persönlichen Bedürfnisse, Grenzen und Ideen es bei der Nutzung der Region gibt.

Erschöpft und voller Eindrücke geht es nach einer intensiven und schönen Woche, bei der es die absolut beste (Selbst-)Verpflegung gab, die auf einer Gruppenreise möglich ist (Probs an Rieke und Nina), wieder heimwärts.

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