Ein Beitrag von Ralf Bloch und Sophie Freitag
In Prüfungssituationen stellen uns Dozierende Fragen, die wir besten Falls beantworten. Ende Februar wurde der Spieß umgedreht. Einer unser Dozierenden, Dr. Ralf Bloch, war zum Fachgespräch „Anpassung der Landwirtschaft an klimatische Veränderungen" in den Brandenburger Landtag eingeladen. Gemeinsam mit Kollegen von Brandenburger und Berliner Forschungsinstituten musste er Antworten auf die Fragen der verschiedenen Parteien finden.
Der Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (ALUL) hatte dafür einen Fragenkatalog vorbereitet, welcher sich auf jeden Fall umfangreicher, als der für die letzte Prüfung unserer Autorin liest. Die „mündliche Prüfung“ dauerte mit gut drei Stunden auch deutlich länger als es unsere Prüfungsordnung zulässt. Auszugsweise sind im Folgenden drei Fragen der Parteien aufgeführt, die im Mittelpunkt des Fachgespräches standen, und gut verdeutlichen wie relevant und nachgefragt die Forschungsthemen an unserem Fachbereich sind:
Welche Anpassungen sind aufgrund der klimatischen Veränderung in der Landwirtschaft einerseits notwendig und andererseits durch die Landwirte in welchen Zeiträumen umsetzbar?
„(…) Eine wirkungsvolle Strategie zur Minimierung klimawandelbedingter Risiken besteht darin, Betriebe und deren Anbausysteme künftig stärker zu diversifizieren (Diversifizierungsstrategie). Durch eine erhöhte Diversifikation im Betrieb kann das drohende Schadensausmaß bzw. das Klimarisiko reduziert und somit die Robustheit des gesamten Systems erhöht werden. Eine erhöhte Diversifizierung kann, durch verschiedene Maßnahmen sowie auf verschiedenen Ebenen eines Betriebs erreicht werden. Hierzu zählen einerseits kurzfristige Maßnahmen auf Ebene der Anbauverfahren (z. B. die Verschiebung von Aussaatterminen, klimaflexible Bodenbearbeitung, Einführung neuer Sorten und Fruchtarten), sowie anderseits langfristige und systemare Anpassungsmaßnahmen wie der Aufbau eines neuen Betriebszweiges. Das HNEE Projekt Ackerbaum zeigt wie wortwörtliche neue Zweige gepflanzt werden und unsere Bloggerin Zina hat auch schon auf unserem Blog drüber berichtet.
Zu den eher längerfristigen Maßnahmen zählen auch die Zucht und Einführung klimarobuster Sorten, Rassen und Kulturen, die Umstellung auf ökologischen Landbau sowie die standortspezifische Entwicklung von Anbau- und Bodenbearbeitungsverfahren, die der Verbesserung des Humusgehaltes, der Bodenstruktur und der Bodenfruchtbarkeit dienen (vielfältige Fruchtfolgen, Zweikulturnutzungssysteme, Zwischenfruchtanbau etc.). Im Hinblick auf die mit dem Klimawandel verbundenen Unsicherheiten gelten viele dieser diversitätssteigernden Maßnahmen als sogenannte „No-Regret-Maßnahmen“, da sie beispielsweise eine gleichzeitige Anpassung an Trockenheit sowie Starkregen ermöglichen (z. B. erhöhte Wasserspeicherung und Infiltrationsleistung humusreicher Böden). Ferner sind mit diesen Anpassungsmaßnahmen zum Teil weitere Ökosystemleistungen, wie der Erhalt der Biodiversität oder die Bereitstellung von Trinkwasser, verknüpft. (…) Die praktische Umsetzung dieser diversitätssteigernden Maßnahmen in der landwirtschaftlichen Praxis kann nur geleistet werden, wenn sie eng mit einem veränderten Konsum- und Verbraucherbewusstsein, einer nachhaltigen Ernährungsversorgung und einem erhöhten Nachhaltigkeitsdenken in der Gesellschaft verknüpft ist (…).“
Welchen Änderungsbedarf sehen Sie aufgrund der klimatischen Veränderungen im staatlichen Handeln, um klimaangepasste Landnutzungen stärker zu fördern, das wirtschaftliche Risiko für Agrarbetriebe zu minimieren und klimaangepasste Technologien stärker zu implementieren?
„(…) Klimawandelbedingte Probleme in der Landwirtschaft sind zumeist anbausystem-, betriebs- sowie standortspezifisch. Lösungsansätze sind daher zwar in ihrer Struktur, aber selbst innerhalb einer Region nur begrenzt übertragbar und müssen daher auf der Betriebsebene entwickelt werden. Individuelle und betriebsspezifische Anpassungsprozesse laufen in der Regel nicht gradlinig, sondern meist iterativ und nach den Grundsätzen »Versuch und Irrtum« ab. Neben dem reinen Fachwissen zum Klimawandel benötigen Landnutzer daher vor allem experimentelle Kompetenzen und Gestaltungskompetenz, welche in der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Agrarbereich bisher zu wenig vermittelt werden. Bei uns am Fachbereich lief dazu das Projekt BeLa. Landwirte, die über eine hohe Gestaltungskompetenz verfügen, erkennen frühzeitig die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen (Early Adopter, Pioniere des Wandels). Sie können diese im Rahmen eigenständiger On-Farm-Versuche erproben und sind in der Lage, als Multiplikator den Erkenntnisgewinn in berufliche Netzwerke zu transferieren (Anbauverbände, Forschungsringe, Innovationspartnerschaften) sowie Entscheidungsunterstützungssysteme anzuwenden. Diese Bereiche können durch staatliches Handeln intensiv gefördert werden (Bsp. EIP-Projekte; ELER-Projekte wie unsere „Cropping School: Kompetenznetzwerk Ökologischer Acker- und Pflanzenbau Nordost Brandenburg, welche als Projekt noch bis Anfang 2021 bei uns am Fachbereich läuft). D.h. (…) „ein wesentlicher Faktor für einen erfolgreichen Anpassungsprozess an den Klimawandel in der Land- und Ernährungswirtschaft sind die Bereiche »Lernen, Experimentierfähigkeit und adaptives Management«, die ein zentraler Punkte des Resilienzkonzeptes darstellen (…)“. Es werden daher nicht nur technische sondern ebenso soziale Innovationen für den ländlichen Raum benötigt (vgl. Bloch et al. 2014). Ferner brauchen wir für BB ein funktionierendes Feldversuchswesen inkl. des Erhalts von Dauerfeldversuchen. Hier ist staatliches Handel dringend erforderlich, da BB gegenüber anderen Bundesländern deutlich den Anschluss verliert.
Was muss getan werden, um Forschungsergebnisse zur klimaangepassten Bewirtschaftung in die praktische Landbewirtschaftung zu überführen? Welche Rolle kann und/oder sollte die „Klimaschutzberatung“ für Landwirte einnehmen?
Forschungsergebnisse sollten nicht in die praktische Landbewirtschaftung überführt werden, sondern gemäß der Aktions- und Handlungsforschung bereits direkt in und mit der Praxis entwickelt werden. Dieser Ansatz setzt komplett andere Arbeitsformate in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis voraus, und entspricht daher nicht dem klassischen Wissenstransfer, der leider zu oft schon an der Ergebnisübertragbarkeit scheitert (Transfer Versuchsstation-Betrieb; Transfer Betrieb-Betrieb). Praxisforschungsnetzwerke wie unser ausgezeichnetes InnoForum zeigen transdisziplinäre Forschung, Wissenschafts-Praxis-Dialog sowie Anbau- und Versuchsringe sollten dringend gefördert werden. Hierzu gibt es schon erste gute Ansätze in Brandenburg (siehe Frage 2) wie z.B. „Farmer to farmer learning processes“ im regionalen Kontext.
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