In einigen Ländern der Erde immer noch eine traditionelle Form des Wohnens. In unseren Breiten eine eher unkonventionelle Erscheinung. Die Jurte. Unkonventionell können wir hier an unserer HNEE ganz gut. Deshalb dürfte es auch niemanden überraschen, dass die Idee eine Jurte in der Funktion eines Silence Space zu errichten den innovativen Köpfen einiger HNEler*innen entsprang (wir berichteten). Für ihr Projekt und Engagement wurden die HNEE-Studierenden des Global Change Management Masters sogar mit dem Agenda Preis 2019 ausgezeichnet! – Hört! Hört!
Ende September war es dann soweit. Nach vielen Beiträgen und Bildern von herumwuselnden Studies und mysteriösen Holzkonstruktionen ist die nach turkmenischem Vorbild erbaute Jurte am Waldcampus nach drei Monaten Aufbauzeit nun offiziell eröffnet und zur Nutzung freigegeben. Im Rahmen der Einführungswoche fand die offizielle Eröffnungsfeier statt. So konnte man auch gleich unsere neuen Ersties am Vibe des Schweigens und einem ganz besonderen Ort der Stille teilhaben lassen! Bei der Eröffnung war weniger Silence angesagt. Mit Ausnahme der Bäuche aller anwesenden; denn Magenknurren war bei den leckeren Speisen die die Besucher*innen erwartete definitiv nicht angesagt. Die Eröffnungsfeier war eine Mischung aus Gedanken teilen zum Thema stille und Transformation, einer Darbietung eines japanischen Ausdruckstanzes, die mit einem meditativen Klangkonzert abschloss. Man konnte außerdem den Reden der Initiator*innen lauschen und viele weitere künstlerische Beiträge genießen.
Wer sich in völligem Stillschweigen der Suche nach Antworten über eine nachhaltige Zukunft hingeben möchte, der kann das ab jetzt tun. Die Jurte soll dazu einladen sich jenseits von Stress, Konsum und Lärm auf sich selbst zu besinnen. Ein Ansatz der sozialen Nachhaltigkeit sozusagen und für jede*n etwas der oder die sich für den Wandel der Gesellschaft interessiert und nach einer Gelegenheit sucht, sich mit Stille als transformative Kraft zu beschäftigen.
Wie funktionierts?
Zunächst einmal wurde den Anwesenden die Motivation hinter dem Projekt erläutert, nämlich das in Zeiten von extremen Veränderungen des Klimas, der politischen Landschaft usw. häufig der innere Wandel zu kurz kommt und keine Berücksichtigung findet. Auch im Kontext von Studium oder Berufsleben. Es herrscht insgesamt viel Betriebsamkeit und wenig Achtsamkeit. Deshalb waren alle Beteiligten darum bemüht einen Ort zu schaffen der bewusst dafür da ist inne zu halten, ein Ort an dem innere Einkehr stattfinden kann. Tagsüber soll der Raum ein Ort sein in dem es keinen Input gibt. Keine elektronischen Geräte dürfen genutzt und es darf auch nicht gesprochen werden. Nichts tun als nach innen lauschen. In den Mittags- und Abendstunden sowie am Wochenende soll die Jurte verschiedenen Aktivitäten im Sinne einer sozialen und soziologischen Transformation dienen.
Die Idee zum Silence Space in der Jurte entstand im Rahmen des GCM Seminars Transformation Pioneers, das von Prof. Dr. Heike Walk unterrichtet wird. Sie lobte das Engagement der Gruppe und wusste schon, als die Idee noch in den Kinderschuhen steckte, dass da was Großes im Entstehen ist. Die Gruppe hatte laut Heike Walk nicht nur die richtige Idee sondern auch den kollektiven Spirit und den notwendigen Biss um das Projekt zu verwirklichen: ,,Wir brauchen so ein Projekt an der Hochschule, um soziale Nachhaltigkeit voranzutreiben und diesen inneren Wandel; nämlich was fehlt um unsere Zukunft neu zu denken? Die Antwort finden wir in der Stille. Sie bietet Raum für innere Transformation und damit auch für einen größeren Wandel. Das finde ich sehr treffend. Mit dieser Jurte entsteht eine Möglichkeit, diesen inneren Wandel bei allen Studierenden und Mitarbeitenden voranzutreiben.‘‘
Es waren mehr als 30 Leute gekommen. Und um alle Anwesenden auf die feierliche Zeremonie und das Konzept Silence Space einzustimmen wurde man dazu angehalten die Augen zu schließen und in sich selbst hineinzuhören. Sich die Frage zu stellen: Was bedeutet Stille für mich? Die Antworten waren sowohl vielfältig als auch überraschend. Stille kann demnach für den einen ein ,,süßes Empfinden‘‘ sein oder für die andere ,,das Gegenteil von Alltag‘‘. Nach der Meditationsrunde wurde jedem die Möglichkeit geboten der Jurte im übertragenen Sinne seinen guten Willen zu schicken. Mit einem Bildnis wurde außerdem das Konzept des Silence Space und der Zielzustand des inneren Geistes, den es in der Jurte zu erreichen gilt beschrieben: Der Geist ist demnach wie das Wasser eines Sees. Ist das Wasser in Bewegung und schlägt es leichte Wellen, wird es durch das Aufwirbeln von Sandkörnern ganz trüb. Man kann nicht zum Grund des Sees blicken und sehen, was sich dort verbirgt. Ist das Wasser ruhig und schlägt keine Wellen, wird es klar und genau erkennbar was sich in der Tiefe des Sees verbirgt. Und so verhält es sich auch mit unserem Geist. Es geht im Silence Space demnach nicht um die einfache Abstinenz von Stille, sondern um Stille die sich auch im Denken manifestiert. Nach Meditation und motivierenden Ansprachen hatte zumindest ich sofort Lust mich in die Jurte zu setzen und mich der Manifestation des oben beschriebenen Zustandes in mir selbst hinzugeben. Aber zunächst fand noch eine nicht wenig spektakulär zeremonielle Einführung der Jurte statt, in Form eines japanischen Jurtentanzes, dem - neben den Bildern (s. oben) - nichts hinzuzufügen ist, außer: Mitreden kann nur wer dabei war! Ziel der Veranstaltung war es auch die Jurte symbolisch der Obhut der Studierenden zu übergeben, bereits durch den Bau der Jurte konnte ein kollektives Wir-Gefühl erzeugt werden.
Und was ist mit den Kritikern?
Im Kontext von Selbstreflektion und stetigem Lernprozess ein Thema das im Rahmen der Eröffnungsfeier ebenfalls thematisiert wurde: „Ihr mit eurer kleinen Jurte, an eurer kleinen Hochschule meint also ihr könnt die Welt verändern?“ Die Antwort fiel umso deutlicher aus, nämlich das Transformation auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet. Das es vor allem wegweisende Leuchtturmprojekte wie dieses braucht. Und das ist es auch, was die Gruppe sich auf gesamt gesellschaftlicher Ebene wünscht. Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen.
Eines ist sicher. Die Studierenden der Silence Space AG haben es geschafft das Konzept nicht nur im Kontext des Großen und Ganzen einzubetten. Es versteht sich auch als Form der Bildung, die über Disziplin hinausgeht und sich auf brandaktuelle Themen der heutigen Klimakrise und Kimapolitik übertragen lässt. Eine Stille die Klarheit schafft, auch in Bezug auf umweltpolitische Themen, die die Gruppe mit einem Zitat treffend auf den Punkt bringt: ,,Ich dachte früher, dass die größten globalen Umweltprobleme der Verlust der biologischen Vielfalt, der Zusammenbruch des Ökosystems und der Klimawandel sind. Ich dachte, dass wir mit 30 Jahren guter Forschung diese Probleme lösen könnten, aber ich lag falsch. Die wichtigsten Umweltprobleme sind Egoismus, Gier und Gleichgültigkeit, und um damit umzugehen, brauchen wir eine spirituelle und kulturelle Transformation. Und wir Wissenschaftler wissen nicht, wie man das angeht." (James Gustave Speth, Professor für Umweltpolitik und Nachhaltige Entwicklung, Yale University).
Insgesamt ist der Silence Space in der Jurte ein vielschichtiges und gut durchdachtes Konzept, dass in sich schlüssig ist und eine Priese Offenheit erfordert um es gänzlich zu verstehen. Silence please! – demnach mehr als eine Aufforderung den Rand zu halten und viel mehr noch eine Lebenseinstellung: Stille als Haltung, nach innen wie außen. In der Jurte wird uns künftig ein Raum der Ruhe geschenkt, in dem wir in Pausen abschalten und Kraft tanken können. In Form von verschiedenen Kursen in Meditation und Yoga soll es künftig Studierenden und Mitarbeitenden möglich sein, Abstand zum Alltagsstress zu finden. Die Jurte als Rückzugsort dient dabei als bewusstes Bekenntnis, etwas für sich zu tun und jenseits von Internet und Handy einen Moment der Stille zu erfahren. Sie soll der Stille einen symbolischen Raum geben um auf diesem Weg Raum für innere Transformation und damit auch für einen größeren Wandel zu schaffen.
Wer mehr über das Konzept Silence Space erfahren möchte, sowie viele weitere Infos zur Entstehung und zum Projekt, der lese hier.
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