Böse Stimmen behaupten, dass die Lehre durch Dozent*innen fremdbestimmt ist, die einst ihr heiliges Folienset erschufen und nun die wissenschaftliche Botschaft in Stein gemeißelt zu der stillen Studierendenschaft predigen. Ganz im Sinne der unumstößlichen Wahrheit und spezialisierten Lehre. Inhaltsvermittlung aus vergangenen Zeiten. Partizipation und Mitgestaltung durch Studierende? Fehlanzeige.
Wohlwollende Stimmen behaupten, dass die Lehre heute neue Wege geht und Dozent*innen sich immer mehr auf neue Methoden einlassen. Das heilige Folienset wird um kreative Methoden wie „World Cafe“, Planspiele und praktisches Forschen erweitert. Studierende und Dozierende begegnen sich auf Augenhöhe, gelangen gemeinsam in einen Gesprächskreislauf und formen partizipativ neue Inhalte der Lehre. Dozent*innen werden zur Lernprozessbegleiter*innen die den Rahmen halten. Antipartizipatorisch und Fremdbestimmt? Fehlanzeige.
Die HNEE geht seit 2013/2014 mit den Projektwerkstätten neue Wege. Lehre von Student*innen für Student*innen. Praktisches, projektbezogenes Arbeiten. Die Inhalte werden selbstbestimmt, (fast) ohne Dozent*innen. Die Professor*innen halten sich am Rande auf, agieren im Semesterverlauf als wissenschaftiche*r Prozessbegleiter*in bereichern diese mit ihren Erfahrungswerten und einer abschließenden gemeinschaftlichen Bewertung der Projektarbeiten. Seit Gründung der Projektwerkstätten konnten sich zwei Themen dauerhaft etablieren; PERMAKULTUR und COMMONS. Zwei Themen die sich in ihren Grundideen gleichen, aber in ihrer praktischen Ausführung nicht unterschiedlicher sein könnten. Zu ihnen gesellte sich im letzten Jahr die Projektwerkstatt „SMELLS LIKE…“. Auch in dieser Projektwerkstatt geht es um ein essentielles Gemeingut, unsere Luft, genauer gesagt, um Luftverschmutzung. Um euch einen ersten Eindruck über die Inhalte und Ziele der Projektwerkstätten zu geben, gibt’s hier eine Kurzvorstellung.
Die Projektwerkstatt PERMAKULTUR hat es sich zum Ziel gemacht, Wissen, Methoden und Techniken der Permakultur auszuarbeiten und zu verbreiten. Durch theoretisches Grundlagenwissen, eigene praktische experimentelle Projekte sowie die Zusammenarbeit mit externen Partner, wie z.B. Jürgen Reckin oder der Permakultur Akademie in Berlin können Theorie und Praxis mit wissenschaftlichen Fragestellung verschmelzen und neue Ansätze für komplexe Fragestellungen entstehen. Durch die neu dazugewonnene Versuchsfläche „Am Eichwerder“ in Eberswalde können sich die Studierenden praktisch austoben und erhalten dafür Credits. Derzeit läuft die Projektwerkstatt im Jahres Rhythmus über zwei Semster. Zum Start des Wintersemesters wird innerhalb des ersten Halbjahres grundlegendes Wissen erarbeitet um dann im zweiten Halbjahr, das Gelernte praktisch in Projekten auf der Versuchsfläche anzuwenden.
Die Projektwerkstatt COMMONS hat es sich zum Ziel gemacht, die Welt der Gemeingüter, deren gemeinschaftliche Nutzung, aber auch gemeinschaftlich politisches Handeln zu erforschen. Dabei geht es nicht nur um die Frage von Besitz- und Eigentumsverhältnissen, sondern auch das bedürfnisorientierte Produzieren und solidarisches Leben. Das Seminar ist, ganz im Sinne der Commons, sehr frei strukturiert und ermöglicht jedem Teilnehmer*innen seine Fähigkeiten einzubringen. Die Teilnehmer*innen aus den verschiedenen Fachbereichen bringen Erfahrung und Wissen aus ihren jeweiligen Disziplinen mit, wodurch ein Austausch über die interdisziplinäre Wirkkraft der Commons stattfinden kann. Die Besonderheit der Projektwerkstatt COMMONS ist, dass es nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch um das gemeinsame Erleben von Gruppenprozessen und der Erarbeitung von umsetzungsorientierten Ansätzen durch die Selbst- & Gruppenreflexion, geht.
Die Projektwerkstatt „SMELLS LIKE…“ möchte durch empirische Forschung und angewandte Wissenschaft Studierende sowie die Bürger*innen von Eberswalde befähigen, an einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft mitzuwirken. Konkret soll durch die Mithilfe der Eberswalder Bürger*innen eine interaktive Karte entstehen die über die Feinstaubbelastung an verschiedenen Orten in Eberswalde informiert. Die Projektwerkstatt konnte bei einer ersten öffentlichen Veranstaltung im Dezember 2018 eine interessierte Bürger*innenschaft erreichen. Die Eberswalder*innen wurden dazu eingeladen, kostenfrei, einen Sensor am Haus oder der Wohnung zu installieren um somit Teil des Projektes zu werden. Die Karte könnte z.B. dabei helfen Bereiche mit starken Belastungen ausfindig zu machen und ggf. ausgleichende Maßnahmen einzuleiten.
Wie diese umsetzungsorientierten Ansätze und Projekte der Projektwerkstätten Wirklichkeit werden und welche Veranstaltungen und Workshops entstehen, erfahrt ihr im nächsten Beitrag bei Ackerdemiker.in.
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