Nach Tagen voller Arbeit, Wochen gespickt mit neuen Eindrücken und Monaten fern der Hochschule haben sich die LANU-Drittsemestler*innen im Januar wieder gemeinsam im Hörsaal eingefunden. Mit dem Jahr 2017 endete auch ihr Praxissemester.
Das führte sie nach Berlin, an die Ostsee, an die Ems, in deutsche oder österreichische Gebirgslandschaften, nach Spanien, Portugal, Finnland, La Palma, Kanada oder ins wilde Brandenburg… Ob Monitoring, Kartierung, Archiv- oder Öffentlichkeitsarbeit, in der Erde buddeln, Fledermäuse fangen, Setzlinge pflanzen, ob Labor, Naturschutzstation, Biosphärenreservat oder Feldstation – groß ist die Welt jenseits des Hörsaals.
Den Sinn der Praktikumsphase haben viele von uns auch gefunden; das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben, etwa, Zauneidechsen und Blindschleichen umzusiedeln, bevor ihr Biotop in einen Solarpark umgewandelt wird. Einen Motivationsschub für das weitere Studium erhalten; denn motivierte Ackerdemiker*innen werden an vielen Stellen dringend gebraucht, das haben wir nun selbst gesehen. Eine Orientierung für das Thema der Bachelorarbeit oder die Wahl des Masterstudiengangs erhalten; denn die Zukunft kommt bestimmt.
Und natürlich Vitamin B angereichert; es kann nie schaden, seinen möglichen Wunscharbeitsplatz und potentielle Kolleg*innen schon einmal kennengelernt zu haben. Aussagen der Chef*innen an die praktizierenden LANUs reichten von „[Ich vertraue Ihnen], machen Sie mal!“ über „Und irgendwann übernimmst du das Schiff!“ bis hin zu „Welches Stück Kuchen möchtest du haben?“.
Gleichzeitig war es deprimierend, den Personalabbau zu erleben. Wie soll Natur geschützt werden, wenn die Stellen der Naturschützer*innen dezimiert werden? Halb so viele Angestellte können nicht einfach so das Doppelte leisten.
Im Ausland werde nicht so stark wie bei uns auf Abschlüsse, sondern mehr auf persönliche Fähigkeiten und Fachkenntnisse geachtet. Mehr Wissen aneignen, um es zu haben, nicht, um etwas zu sein, und den eignen Horizont erweitern, das möchten nun viele von uns. Sie möchten sich in kommenden Semestern verstärkt in Module aus anderen Studiengängen einwählen und sich um weitere Praktika bemühen.
All das erzählten die von nah und fern zurückgekehrten LANUs ihren Kommiliton*innen im Modul „Öffentlichkeitsarbeit im Umwelt- und Naturschutz“.
Das leiteten Prof.Dr. Horst Luley und Prof. Dr. Diana Pretzell, Leiterin des Naturschutz Deutschland beim WWF. Nun ist sie zusätzlich als Honorarprofessorin an der HNE tätig.Ihre vielfältige Arbeit brachte sie den LANUs nicht nur im Hörsaal, sondern auch auf Exkursionen nach Berlin näher.
Pressesprecherin Nina Wettern empfing uns im jüngsten Bundesministerium der Republik; dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (gegründet 1986).
Dort erzählte sie von ihren Aufgaben und den 1200 anderen schlauen Köpfen, die im BMU unter Ministerin Barbara Hendricks arbeiten. Sie entstammen fast allen denkbaren Berufsfeldern, vom Förster bis zum Atomphysiker, diskutieren viel über Diesel, Glyphosat und ärgern das Wirtschaftsministerium permanent mit dem Thema „Kohleausstieg“.Brandaktuell ist
#bleibtackergiftdenfeldernfern,siehtderartenschutzdasgern
Die eingängigen neuen Bauernregeln wurden lange im Voraus geplant, gedichtet und sogar probeweise im Ministerium ausgehangen. Nach dem massiven Shitstorm des Bauernverbandes darauf wurden sie nicht weiter veröffentlicht. Durch eben diese massive Kritik erhielten die Bauernregeln aber so viel Aufmerksamkeit, dass der Bauernverband inoffizieller BMU-„Mitarbeiter des Monats“ wurde.
Weiter ging es zur Berliner WWF-Zentrale zu Dr. Astrid Deilmann, Leiterin der Digitalen Kommunikation und Corinna Seide, Leiterin der WWF-Pressestelle. Dort erfuhren wir bei warmem Glühpunsch unter Postern und Wandbildern bedrohter Wildtiere viel über die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung.
Der WWF muss, wie jede Organisation, kommunizieren, damit Politik und Gesellschaft nicht über, sondern mit ihm kommunizieren. Er schafft Bewusstsein und Aufmerksamkeit für Themen wie Wilderei, nachhaltige Landwirtschaft, Gewässerrenaturierung oder Plastikmüll in den Meeren. Damit klärt er auf, beeinflusst Debatten und kann Spendengelder generieren.
Pressebeauftragte recherchieren vormittags neue Themen, bereiten eigene Pressmitteilungen vor, sichten, was die Medien in den letzten 24 Stunden über den WWF berichtet haben, beantworten Twitter-, E-Mail- und telefonische Anfragen und bereiten Interviews vor.
Oft finden Videokonferenzen statt, da die Stiftung international aufgestellt ist und sich alle Stellen untereinander abstimmen müssen.
Bis 12 Uhr müssen alle Pressemitteilungen an Journalisten versandt worden sein, sonst werden sie nicht mehr in den Medien platziert. Nachmittags stehen dann oft Treffen mit Journalisten und Interviews auf dem Programm. Nach all den aufwendigen Vorbereitungen ist vielleicht am Ende eine Platzierung auf der Titelseite einer Zeitung drin. Oder kurzer Auftritt im Fernsehen, wie ihn uns Frau Pretzell ermöglichte.
Digitale Plattformen sind ein weiteres wichtiges Instrument, um ein großes Publikum zu erreichen. WWF-Projekte werden in den sozialen Medien mit Berichten, Fotos und Videos vorgestellt. So bleiben alle Interessierten auf dem Laufenden und können Aktionen am Bildschirm verfolgen. (Nachempfundene) Erfahrungen verstärken das Interesse, rütteln wach, sprechen Emotionen an. Das ist entscheidend, um Menschen auch zum Handeln zu bewegen. Wissen allein genügt meist nicht, um etwa gegen Wilderei aktiv zu werden.
Michaela Wilczek, Verantwortliche für Pressearbeit bei der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg reiste zu uns nach Eberswalde an. Sie informierte uns über die Ziele und die Arbeit der Stiftung. In Brandenburg soll es wieder (mehr) unberührte Natur geben!
Ihre Bedeutung für die Biodiversität, als CO₂-Speicher und Hochwasserpuffer ist enorm. Ganz zu schweigen von der Erholungs-, Archiv- und Lehrfunktion, denn von der Natur gibt es immer etwas zu lernen. Das sollen unsere Enkelkinder noch genauso erleben dürfen wie wir. Dafür setzt sich auch die Initiative Wildnis in Deutschland ein.
Es ist nicht immer einfach, Menschen über Natur zu informieren, sie bestenfalls zu begeistern und als Unterstützer zu gewinnen – wenn sie gleichzeitig aus Wildnisgebieten „ausgesperrt“ werden müssen. Denn nur in Wäldern, Mooren oder auf Heiden ohne menschlichen Einfluss ist tatsächlich natürliche Sukzession möglich. Schafft es Deutschland bis 2020, die mickrigen 0,6 % Wildnisgebiete der Landesfläche auf 2 % anzuheben? So ist es zumindest vorgesehen. Wahrscheinlich aber überhaupt erst möglich, wenn Naturschutzstiftungen und –verbände weiter erfolgreich Öffentlichkeitsarbeit leisten. Die Natur eben an den Mensch bringen.
Ein Schlüssel dazu ist zunächst einmal die Stakeholderanalyse, was uns auch Frau Wilczek bestätigte.
Wie die funktioniert, lernten wir in den zwei Wochen des Blockmoduls.
Probeweise durften wir uns selbst in der Öffentlichkeitsarbeit versuchen. Dabei konzentrierten wir uns auf das Thema „Wilderei“, speziell in Deutschland.
Wie lässt sich ein breites Publikum ansprechen? Was macht eine gute Überschrift aus? Wie schwierig ist es eigentlich, eine Pressemitteilung eigenhändig zu schreiben? Wer sind nochmal diese Stakeholder? (Alle Personen oder Institutionen, die auf das Wirken eines Unternehmens oder einer Institution Einfluss nehmen. Auch übersetzt als „Akteure“. Setzt sich der WWF zum Beispiel gegen Wilderei an Luchsen ein, muss er die Wilderer, die Polizei, Schutzgebietsbetreuer*innen, Landwirt*innen, die regionale Bevölkerung, Naturschutzbehörden usw. als Stakeholder bedenken.)
Wir simulierten, wie ein Krisen-Stammtisch mit verschiedenen Stakeholdern abläuft; wie vertreten Politiker*innen, Naturschützer*innen, Schäfer*innen und Anwohner*innen überzeugend ihre Meinung, wenn sich ein Wolfsrudel in der Gegend angesiedelt hat? Wie kann man sich am Ende auf eine Lösung einigen?
Dass man in der Öffentlichkeitsarbeit immer aktiv bleiben muss, bewies Frau Pretzell ganz praktisch; nach der letzten Vorlesung schwang sie sich auf ihr Fahrrad, um die nächste Bahn nach Berlin zu erwischen. Dort vertrat sie den WWF auf der Grünen Woche.
Als Abschluss (und Prüfungsleistung) dürfen wir in die Rolle des WWF, des BMU oder der Naturlandschaften Brandenburg schlüpfen und eine fiktive Kampagne gegen Wilderei erstellen. Für ein ganzes Jahr sollen wir planen, wann Pressemitteilungen herausgegeben werden, digital kommuniziert wird und Events stattfinden, damit am Ende Wilderei in der gesamten Gesellschaft abgelehnt wird und das illegale Töten von Wildtieren endet. Das erhoffen wir uns - und einen erfolgreichen Abschluss dieses spannenden Moduls!
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