Abb. 1: Grüne Dächer im Forstbotanischem Garten – so kann es auch bald auf Haltestellen aussehen (Foto: Jasmin Dölle)
Zu Beginn jedes Bachelorstudiums an der HNEE besuchen Studierende aus allen Fachbereichen die Vorlesung „Einführung in die nachhaltige Entwicklung“. Grundlage für dieses erste Modul ist das Lehrbuch „Der Mensch im globalen Ökosystem - Eine Einführung in die nachhaltige Entwicklung“, in dem das systemische Verständnis von Nachhaltigkeit entwickelt wird. Im vorletzten Jahr wurde das Vorlesungsformat etwas abgewandelt. Theoretische Inhalte werden weiterhin vermittelt, aber den Erstsemestler*innen wird nun die Möglichkeit eröffnet, sich als Gruppe in eigenen kleinen Nachhaltigkeitsprojekten auszuprobieren, angeleitet von Mentor*innen. Sie sollen dabei ihre eigene Wirksamkeit kennenlernen und mit der Zivilgesellschaft sowie der Stadt Eberswalde in Kontakt kommen. Die Initiative zu dieser Konzeptänderung kam von Prof. Dr. Heike Walk und LaNu-Student Christian Ihle.
Über eine Gruppe, die es geschafft hat, ihr Projekt in der Realität umzusetzen, berichten wir an dieser Stelle. Max, Ole und Lara haben mit ihrer Mentorin Selena zwei Bushaltestellendächer in der Eberswalder Innenstadt begrünt. In Folge eines langwierigen Planungs- und Rumtelefonier-Prozesses fand die Umsetzung nun in zwei Aktionen statt: Im November 2021 haben die drei und spontan eingesprungene Freund*innen Pflanzmatten und das Substrat auf die Dächer gebracht, nachdem ein entsprechender Aufbau installiert wurde. Im Mai wurden dann die Sprösslinge verteilt und angegossen.
Abb. 2: Aktion I – Pflanzmatten und Substrat (Fotos: Jasmin Dölle)
Menschen auf Bushaltestellen sind in Eberswalde kein alltägliches Bild: Bei der ersten Aktion war es der Busfahrer, der entrüstet aus seinem Bus kam und für Ordnung sorgen wollte. Bei der zweiten Aktion im Mai wurde sogar die Polizei gerufen. Obwohl wir jeden Tag in ihnen verbringen, sind öffentliche Räume nicht gleich Räume des gemeinsamen Wirkens. Partizipation ist seitens der Stadt Eberswalde zwar erwünscht, findet aber meistens nur in sehr kleinem Rahmen statt. Woran liegt das? Wird es Bürger*innen zu schwer gemacht, mitzugestalten? Oder tun es einfach nur wenige?
Über Partizipation in Eberswalde sowie Hürden und Überraschungen bei dem Projekt habe ich Lara befragt:
Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Wir hatten in unserer Gruppe das Oberthema nachhaltige Architektur und sind dann beim Recherchieren auf ein Bushaltestellen-Begrünungs-Projekt in Utrecht gestoßen.
Bushaltestellen werden von der gesamten Stadtgemeinschaft genutzt. Eine Aufwertung kommt also allen zugute. Zudem sorgen veränderte Albedo und die Transpiration der Pflanzen auf den begrünten Dächern für ein angenehmeres Mikroklima an der Haltestelle. Das Projekt schien uns umsetzbar und es hat gut in den Kontext der Nachhaltigkeitsvorlesung gepasst.
Was hat euch angetrieben, es wirklich umzusetzen?
Einem Teil der Gruppe war es wichtig, ein nicht nur theoretisches Konzept zu entwickeln. Wir haben versucht, das Projekt von Anfang an so zu konzipieren, dass es umsetzbar ist. Ein großer Impulsgeber war auch Max. Er hat einfach direkt Zuständige angerufen und mit Überzeugung unsere Pläne vorgetragen. Somit hatten wir dann die Genehmigung von der Stadt und konnten loslegen. Wir haben gelernt, oft muss nicht alles schon in dem Moment perfekt vorgeplant sein, in dem mensch anfängt aktiv zu werden. Dann sollte mensch einfach Motivation für die Sache haben und sich die Zeit nehmen, sich einzulesen.
Und konntet ihr alles so umsetzen wie geplant?
Wir mussten viele Kompromisse eingehen und viele interessante Vorhaben, wie z.B. die Diversität an Pflanzen auf und um die Haltestelle aus unserem Kopf streichen. Jetzt sind erstmal nur verschiedene Sedum-Sprösslinge auf dem Dach, aber wenn das Projekt bei Stadt und Bürger*innen gut ankommt, kann es ja in den nächsten Jahren noch erweitert werden. Erstmal überhaupt etwas umsetzen!
Abb. 3: Aktion II- Sprösslinge verteilen (Fotos: Jasmin Dölle)
Was waren Hindernisse bei der Umsetzung? Was hat dich positiv beim Umsetzungsprozess überrascht?
Ein Hindernis war, dass sich alles sehr gezogen hat: Bis der Pflanzaufbau auf der Haltestelle war, die Lieferung der Sedum-Sprossen … Mit der Zeit ist unsere Gruppe dann auch kleiner geworden. Da war es wichtig, dass Ole den Kontakt zu den Zulieferern auch langfristig gehalten hat.
Positiv überrascht hat mich, wie hilfreich uns die HNEE unterstützt hat. Zur Pflanzplanung durfte ich die Pflanzen vom Mülltonnenunterstand vor der Bibliothek auf Wachstumserfolg untersuchen und wurde sogar von unserer botanischen Lehrbeauftragten Corinna Schulz beim Bestimmen unterstützt. Auch das Liegenschaftsmanagament hat uns wie selbstverständlich bei allem möglichen geholfen. Überrascht hat mich, wie unkompliziert wir an Gelder kamen. Manchmal ist das Problem wohl nicht, dass es kein Geld gibt, sondern dass mensch nicht weiß wie mensch danach fragt. Ich habe gemerkt, mit ein bisschen frechem Mut können wir viel erreichen. Und wir treffen erstaunlich oft auf hilfsbereite freundliche Menschen, ob in der Stadt, an der Hochschule oder in der Baufirma.
Was würdest du sagen, hat manch andere Projektgruppen davon abgehalten, ihre Projekte umzusetzen?
Schwere Frage. Wahrscheinlich wurden die Projekte oft zu groß angesetzt. Oder eine Umsetzung war gar nicht von Anfang an geplant, sondern eher die Entwicklung eines größer angelegten theoretischen Konzeptes.
Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit Partizipation in einer Stadt funktioniert?
Wenn mensch einmal Erfolg hatte, wirkt sich das positiv aus: mensch traut sich mehr. Hürden müssten abgebaut werden, dass Menschen schneller kleine Erfolgserlebnisse haben und ihre eigene Schaffenskraft entdecken. Dafür wären klare Wege wichtig, z.B. dass Geldtöpfe offen kommuniziert werden. Bei uns war das das Förderprogramm für Umweltprojekte der Stadt Eberswalde.
Die Stadtbewohnenden brauchen das Gefühl von „Agency“ (Zustand, der es einem Akteur ermöglicht, zu handeln und sich durchzusetzen). Eine Stadt existiert nicht einfach so, sondern wir sind ein Teil davon und formen sie mit. Durch die Masse der Leute hat mensch eine Macht. Und die Stadt verlässt sich ja sogar darauf, dass ihre Bürger*innen mitgestalten.
Was treibt dich persönlich an, Ideen umzusetzen? Hast du einen Trick?
Erstmal irgendwie anfangen, sodass mensch sich ein kleines Erfolgserlebnis schafft auf dem dann aufgebaut werden kann. Und das Arbeiten in Gemeinschaft treibt mich auch immer an.
Hat es dich motiviert, dich weiter an Stadtgestaltung zu beteiligen?
Ich fand es schön zu sehen, wie auch ich als einzelnerMensch dazu beitragen kann, dass irgendwo etwas Schönes entstehen. Community Building, zum Beispiel aktuell mit einem Gemeinschaftsgarten-Projekt, beschäftigt mich auf jeden Fall weiterhin.
Was würdest du anderen Studis empfehlen, die Lust haben, etwas in der Stadt zu „machen“?
Sich etwas zu suchen, was mensch wirklich gut findet und einfach loszulegen. Aber auch bereit zu sein, Kompromisse einzugehen, denn auch Nachhaltigkeitsziele können nicht immer zu 100% eingehalten werden. Und so blöd es auch klingt, aber wenn nicht alles so funktioniert wie mensch sich es vorstellt, lernt mensch auch einfach manchmal was.
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