Der Filmreview zu „Holy Shit“ und wie Komposttoiletten unser Sanitärsystem revolutionieren können.
Wieder einmal versammelt sich halb Eberswalde im örtlichen Kino. Heute auf dem Programm: „Holy Shit“ - ein Dokumentarfilm von Rubén Abruña. Der Film ist ausverkauft und verspricht viel, besonders Antworten auf die Frage „Wie wir mit Scheiße die Welt retten können?“.
In dem folgenden Artikel erfahrt Ihr vieles zum Thema Komposttoiletten und ihrem Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, der Möglichkeit zur Revolution unseres Sanitärsystems und dies als Ansatz zur Rettung der Welt.
„Was geschieht mit der Nahrung, die wir verdauen, nachdem sie unseren Körper verlassen hat?“
Ich denke, die Antwort kennen wir alle. Sie wird heruntergespült und landet im örtlichen Abwassersystem. Zusammen mit den belasteten Abwässern aus Krankenhäusern, Fabriken und tausenden anderen Haushalten. Unser Abwasser wird dann in einer Kläranlage verarbeitet, gereinigt und kommt in den Kreislauf zurück. Der übrig gebliebene Klärschlamm wird entweder verbrannt oder als Dünger auf die Felder gebracht. Bei der Reinigung des Klärschlamms zu einem Material was wir auf die Felder ausbringen können, werden leider nicht alle Verunreinigung herausgefiltert. So kommt es, dass Schwermetalle und giftige PFAS-Chemikalien im Dünger erhalten bleiben. Dieser Dünger landet samt aller Schwermetalle auf unseren Feldern, die wiederum Grundlage für den Anbau unserer Nahrung sind.
Klingt erstmal verrückt. Wir fragen uns, geht das nicht auch anders und ist unsere verdaute Nahrung denn wirklich Abfall, der weggeworfen werden muss oder könnten wir ihn als wiederverwendbare Ressource nutzen. Der Regisseur des Filmes „Holy-Shit“ Rubén Abruña hat sich dieselbe Frage gestellt.
Der Film „Holy-Shit“
Foto 1: Kinokarte „Holy-Shit“ (Aimee Abitz, 2023)
Rubén Abruña begibt sich mit seinem Kamerateam bei der Suche nach Antworten auf die Frage „Wie können wir mit Scheiße die Welt retten?“ auf eine investigative und fesselnde Reise durch 16 Städte auf 4 Kontinenten. Sein Weg führt ihn von den langen Pariser Abwasserkanälen bis hin zu einer gewaltigen Kläranlage in Chicago, während er der Spur menschlicher Ausscheidungen folgt. Auf dieser Reise um den Globus beleuchtet der Film eindrucksvoll die Herausforderungen unseres Sanitärsystems und präsentiert verschiedene Lösungsansätze - und macht dabei auch Station in Eberswalde. Dazu später mehr.
Es wird deutlich, dass unser herkömmliches Sanitärsystem einige Herausforderungen mit sich bringt. Sei es beispielsweise der enorm hohe Wasserverbrauch oder die Gewässerbelastung durch Kläranlagen. Auf seinem Weg findet Rubén Abruña jedoch den entscheidenden Lösungsansatz. Das Werkzeug lautet:
Komposttoiletten
Komposttoiletten sind Sanitäranlagen, die menschliche Ausscheidungen in Kompost umwandeln. Sie bestehen aus einer Trennvorrichtung, die Festes vom Flüssigen trennt. Der “heiße Scheiß” wird in einem Behälter gesammelt und zusammen mit organischem Material wie Sägespänen oder Stroh zur Kompostierung verwendet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Toiletten, die Wasser (Trinkwasser) verwenden, um Abwasser wegzuspülen, benötigen Komposttoiletten kein Wasser. Sie nutzen stattdessen die Kompostierung, um den Kot zu zersetzen und in Kompost umzuwandeln (unterstützt durch tausende Bodenorganismen, wie Regenürmer).
In weiten Teilen unserer Gesellschaft herrscht jedoch eine hohe Ablehnung gegenüber dem Prinzip von Komposttoiletten. Grund dafür könntens ein mangelndes Verständnis über die Funktionsweise von Komposttoiletten, traditionelle Erwartungen odersoziale und kulturelle Normen sein. Wenn wir ehrlich sind, ist es auf den ersten Blick schon komisch: Eine Toilette ohne fließend Wasser?
Dabei liegen die Vorteile von Komposttoiletten auf der Hand: Sie reduzieren den Wasserverbrauch erheblich, da sie kein Frischwasser benötigen. Komposttoiletten minimieren die Belastung von Abwasseranlagen und Deponien, da der produzierte Kompost wertvolle Nährstoffe enthält, die als Dünger verwendet werden können. Dies führt zu einer Verringerung der Umweltverschmutzung und trägt zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bei. Im Vergleich zu herkömmlichen Sanitärsystemen sind Komposttoiletten daher ökologisch nachhaltiger und tragen zur Förderung eines geschlossenen Kreislaufsystems bei.
Foto2: Kreislaufwirtschaft mit Komposttoiletten (Finizio, 2023)
Selbst wenn die Vorteile überwiegen, wir unsere traditionellen Erwartungen überwinden würden und alle offen für Komposttoiletten wären, so gibt es bis zur endgültigen Umsetzung noch einige Herausforderungen. Sei es die Schaffung einer anderen sanitären Infrastruktur oder regulatorische Hürden. In Deutschland gibt es spezifische rechtliche Regelungen für die Verwendung von Kompost oder Dünger, der aus menschlichen Ausscheidungen gewonnen wird. Diese sind im Düngemittelgesetz und der Klärschlammverordnung geregelt. Grundsätzlich ist die Verwendung von Humusdünger aus menschlichen Ausscheidungen, wie in unserem Beispiel aus Komposttoiletten, unter Forschungsbedingungen möglich, aber unterliegt strengen Vorschriften und Qualitätsstandards.
So schön der Gedanke „Komposttoiletten für alle“ klingen mag, bis zur Umsetzung ist es noch ein weiter Weg. Rubén Abruña findet auf seiner Reise in verschiedenen Ländern jedoch beeindruckende „Best Practice“ - Projekte, die bereits heute mit Komposttoiletten arbeiten. Mit dabei ein Projekt aus Eberswalde, einige kennen es vielleicht schon:
Finizio
Finizio ist Vorreiter in der Entwicklung bahnbrechender Sanitärsysteme, spezialisiert auf wasserlose, hygienische Trockentoiletten. Das Herzstück von Finizio liegt in der Produktion von Humusdünger aus Trockentoiletteninhalten, genannt H.I.T. Die Initiative schließt den Nährstoffkreislauf durch landwirtschaftliche Ausbringung dieses Düngers. Wie im Film auch zu sehen ist, wird der Nährstoffkreis durch Verwendung von Ausscheidung und Umwandlung zu Humus wieder geschlossen. Das wiederum fördert Bodenfruchtbarkeit und trägt zum Klimaschutz bei. Ihre Einzigartigkeit liegt in einer deutschlandweiten Pilotanlage zur Verwertung der Inhalte von Trockentoiletten. Finizio übernimmt nicht nur eine wichtige Rolle in der Entwicklung nachhaltiger Sanitärsysteme, sondern sensibilisiert auch für die Bedeutung natürlicher Kreisläufe und initiiert damit eine gesellschaftliche Transformation hin zu mehr Umweltverantwortung und Nachhaltigkeit.
Foto 3: Komposttoilette von Finizio im Park am Weidendamm (Aimée Abitz, 2023)
Finizio ist eines von vielen wichtigen Projekten, die mittels Komposttoiletten einen wichtigen Schritt zur Rettung unserer Welt beitragen.
Ausblick
Die „Best Practice“-Beispiele des Filmes zeigen eins: Die Etablierung von Komposttoiletten in unserer Gesellschaft ist möglich und bringt viele Vorteile mit sich. Wir können menschliche Ausscheidungen nutzen und durch ihn wertvolle Ressourcen gewinnen, die zur globalen Ernährungssicherheit und zur Eindämmung des Klimawandels beitragen. Kurzum lässt sich sagen: „Ja wir können mit Scheiße die Welt retten.“
Falls Du neugierig geworden bist und mehr über das Thema wissen möchtest, schau doch mal bei Finizio vorbei.
Wer gerne liest. Es gibt es auch das Buch zum Film: https://holyshit-dasbuch.de/
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