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moor movement für‘s Klima

Aktualisiert: 7. Mai 2023


photo credits go to Anna Azeroth, Bernd Junge & Dominik Kopf

Auch in diesem Jahr macht es Prof. Dr. Steinhardt wieder möglich, dass eine Handvoll von Studierenden sich mitten in der Prüfungszeit eine Auszeit im Nationalpark Jasmund auf Rügen nehmen konnte, wobei Auszeit hier nicht Ausruhen meint.

An einem sonnigen Sonntag machen wir uns auf den Weg nach Rügen, unser Ziel im Gepäck: kein geringeres als die Weltrettung, indem wir den Klimawandel aufhalten. Dafür nutzten wir in der kommenden Woche unsere Körperkraft, um in Zusammenarbeit mit dem Bergwaldprojekt und dem Nationalpark Jasmund so viele Moore wie möglich wieder zu vernässen.


Ein bisschen perplex steigen wir in Eberswalde in die neuen Hochschulbusse. Wie jetzt? Diesel? Und dann auch noch von VW? Und das alles nach dem Diesel-Skandal um VW. Wie sollen wir denn so den Klimawandel aufhalten? Zumindest gibt das Thema genug Gesprächsstoff für die Fahrt: Wie kann Mobilität nachhaltiger gestaltet werden? Kann sie überhaupt jemals nachhaltig werden? Ist Elektromobilität wirklich die Lösung, bei all den raren Rohstoffen, die in die Produktion [Ri-1] einfließen? Vielleicht nehmen wir nächstes Mal lieber den Zug… oder das Fahrrad… es gibt halt kein richtiges Leben im falschen…


Auf Rügen angekommen bauen wir schnell unsere Zelte auf und der Eine oder die Andere springt noch mal schnell in die Ostsee und sagt der Weite Hallo, bevor das Abendprogramm beginnt. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde besprechen wir den Wochenplan.


Kurzer Theorieteil: Um die künstlich entwässerten Moore wiederzuvernässen, bauen wir Spundwände in die Entwässerungsgräben. Dafür müssen wir zuerst die Vegetation und die Grasnarbe auf einem Teil des Grabens entfernen. Dann greifen wir zu den Schippen und schaufeln einen Graben quer in den Entwässerungsgraben hinein. Wir machen erst halt, wenn wir das mineralische Ausgangsgestein erreichen. Dann können wir endlich die Spundwand in den neuen Graben einbauen und mit Ton und Kreide abdichten. Danach beginnt der langatmige Teil der Arbeit: Wir beginnen Holzspäne in den Torf, bzw in das was die Entwässerungspraktiken noch davon übriggelassen haben, einzuarbeiten. Die Holzspäne halten Wasser ähnlich gut in der Fläche wie Torf es tun würde und sollen genau das tun bis sich wieder ausreichend Torf gebildet hat. Die Vollendung unseres baulichen Kunstwerkes vollziehen wir durch die Pflanzung von Binsen als neue Pioniervegetation.


Was in der Theorie so simpel klingt, erfordert im Kückenmoor drei Tage vollen Körpereinsatz und 6.000 Liter Wasser. Um sechs Uhr klingelt unser Wecker, um acht sind wir im Moor und beginnen mit der Arbeit. Die Entwässerung und die anhaltende Trockenheit der vergangenen zwei Sommer haben ihre Spuren in den Mooren hinterlassen. Das spüren wir am eigenen Leib, während wir zwei Tage lang trampelnd, hüpfend, tanzend, hackend und grabend versuchen die Holzspäne in die sehr trockenen Torfreste des Kückenmoors einzuarbeiten. Auch eine Besichtigung der Moore die bereits in den vergangenen Jahren renaturiert wurden, stimmt wenig optimistisch. Alles trocken hier. Das Wasser kann zwar nicht mehr ablaufen, aber solange kein Wasser vom Himmel fällt, hilft das halt auch nicht viel.


Hier ist Uta Steinhardts unerschöpflicher Tatendrang und ihr Glaube an das Gute gefragt. Sie macht Mut und findet, es ist besser etwas zu tun das funktionieren könnte, als nichts zu tun.

Also wieder rein in die Gummistiefel. Dennoch ist der Weg zur Verzweiflung nicht besonders weit, wenn mensch im Schweiße seines Angesichts versucht die Auswirkungen der menschlichen Moorentwässerung wieder rückgängig zu machen und dann auf einmal der Gedanke aufblitzt, dass in Deutschland immer noch mehr als 90 Prozent der Moorflächen in Nutzung sind und dass die meiste Pflanzenerde im Handeln immer noch Torf enthält. Da Verzweiflung alleine aber noch nie was besser gemacht hat, wischen wir auch diese Zweifel beiseite und führen trotzig unsere Arbeit fort.

Abends waschen wir den Matsch und Schweiß des Tages in den Wellen der Ostsee ab, bevor wir im Basislager mit köstlichen veganen Speisen verwöhnt werden und erschöpft, aber vergnügt in die Freizeit entlassen werden. Am Ende der Woche bekommen wir Besuch von einem merkbar aufgebrachten Einheimischen, der unsere Arbeit kritisch beäugt. Unsere Taten erfreuen ihn wenig, seine Vorfahren hätten durch die Moorentwässerung wertvolles Kulturland geschaffen und jetzt zerstörten wir ebendieses. Getreu dem Motto: Wenn das schon immer so gemacht wurde, kann es ja nicht falsch sein und wir sollten uns nicht einbilden zu wissen was besser ist.

Leider helfen Argumente und Diplomatie nicht viel weiter, wenn der Gesprächspartner wütend ist und denkt er hätte die Schuldigen für seine Wut gefunden. Also hören wir uns seine Sorgen und Beschuldigungen an, wundern uns über so viel Wut und laden ihn trotzdem noch zum gemeinsamen Mittagessen ein, welches er aber ablehnt.


Am Ende der Woche werden wir mit einer Exkursion durch den Nationalpark belohnt und klopften uns selbst auf die Schultern. Wir haben in einer Woche drei Hektar Moor renaturiert, was rund zwei Prozent der Moorflächen im Jasmund Nationalpark entspricht und hatten dabei auch noch jede Menge Spaß.


Wer Lust bekommen hat sich für den guten Zweck auch mal die Hände im Moor schmutzig zu machen, kann auch im Sommersemester 2020 im Rahmen des Moduls Geländepraktikum mit Prof. Dr. Uta Steinhardt nach Rügen fahren oder sich direkt übers Bergwaldprojekt für eine Projektwoche anmelden.


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