Ich bin Julian, studiere im vierten Semester ÖAM und beschäftige mich innerhalb meiner Masterarbeit zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, mit dem Thema Photovoltaik (PV) auf degradierten Moorflächen. Wir möchten dabei herausfinden, wie genau die Landwirt*innen in Deutschland zu diesem spezifischen Thema stehen und wie Moor-PV gemeinsam mit der Landwirtschaft weiter vorangebracht werden kann. Aus diesem Grund möchte ich euch hier das noch sehr junge Thema vorstellen.
Status Quo in Deutschland
Photovoltaik bilden die zweitgrößte erneuerbare Stromquelle in Deutschland, wirken mit ihrer Erscheinung prägend auf den urbanen Raum ein und treten zunehmend auch im ländlichen Raum in Erscheinung. PV-Anlagen bilden in Deutschland ein wichtiges Fundament im Bereich der erneuerbaren Energiequellen. Für ihre effiziente Stromerzeugung werden aufgrund der physikalischen Eigenschaften möglichst große zusammenhängende Oberflächen benötigt. Ein Großteil dieses Flächenbedarfs wird bereits durch integrierte PV-Anlagen im urbanen Raum abgedeckt. Bezogen auf die Stromerzeugung durch PV-Module stellt sich dabei aber die Frage: Auf welchen Flächen sollen zusätzlich benötigten PV-Module in Zukunft aufgestellt werden?
PV auf freiem Fuß
PV-Freiflächenanalgen treten seit Jahren immer öfter in Deutschland bspw. auf Flächen direkt neben der Autobahn in Erscheinung oder wurden mitten im ländlichen Raum installiert. Und genau um diese Flächen geht es. Denn mit Blick auf die Flächenaufteilung in Deutschland nimmt die landwirtschaftliche Nutzfläche mit knapp 180.600 km² über 50 Prozent der Gesamtfläche ein. Bei genauerer Betrachtung der bestehenden PV-Freiflächenanalgen fällt auf, dass die PV-Module meist in geringer Höhe, schräg über dem Boden angeordnet sind. Das liegt daran, dass durch die physikalischen Eigenschaften von PV-Modulen möglichst große zusammenhängende Flächen benötigt werden, um eine hohe Flächeneffizienz zu erreichen. Um auf einer begrenzten Fläche den höchsten potenziellen Stromertrag zu generieren, werden die PV-Module so dicht nebeneinander installiert, dass sie sich möglichst nicht beschatten aber die Fläche trotzdem effektiv ausgefüllt ist. Durch den geringen Abstand zwischen den PV-Modulen können landwirtschaftliche Maschinen dann i.d.R. nicht mehr hindurchfahren. Damit ist eine sinnvolle landwirtschaftliche Nutzung, bis auf einzelne Ausnahmen, nicht mehr möglich.
PV-Freiflächenanlagen – Eine Konkurrenz für die Lebensmittelproduktion in Deutschland?
Einerseits könnte die Antwort auf diese Frage scheinbar leicht mit einem „Ja“ beantwortet werden. Andererseits wurden z.B. im Jahre 2020 in Deutschland auf über 1,5 Mio. ha (15.000 km²) Energiepflanzen für die elektrische Stromgewinnung durch Biogas angebaut. In einer 2021 erschienenen Studie des Umweltbundesamtes wurde der Flächenverbrauch verschiedener erneuerbaren Stromquellen verglichen. Auf Basis dieser Studie wird der Stromproduktion auf Basis von Energiepflanzen ein Flächenverbrauch von 519 m² 1a/MWh berechnet. Demgegenüber belegt eine PV-Freiflächenanlagen einen Flächenverbrauch von 22,5 m² 1a/MWh. Im direkten Vergleich beider Erzeugungsformen wird deshalb deutlich, dass für die Erzeugung derselben Menge an elektrischem Strom durch PV-Freiflächenanlagen nur etwa vier Prozent der Energiepflanzenfläche benötigt wird. Auf Basis dieser Studie kann die Frage deshalb auch damit beantwortet werden, dass die bestehenden PV-Freiflächenanlagen im Vergleich zu Energiepflanzen zu einer vergleichsweise geringen Flächenkonkurrenz für die Lebensmittelproduktion beitragen.
Ein Systemwechsel
Nun wird der Strombedarf aus erneuerbaren Energien u.a. durch die Energie- und Mobilitätswende und die Digitalisierung in den kommenden Jahren deutlich steigen und damit auch der Bedarf an PV-Anlagen. Eine Lösung für die Kombination von PV-Anlagen bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Flächennutzung könnte dabei im Bereich der „Agri-PV“ liegen.
Photovoltaik auf Mooren
Laut dem Greifswalder Moor Centrum (GMC) sind knapp vier Prozent der deutschen Moorflächen in einem geschützten bzw. naturnahen Zustand. Die restlichen rund 96 Prozent befinden sich inkl. der landwirtschaftlich genutzten Flächen in einem degradierten Zustand. Intakte Moore fungieren als Treibhausgas-Senke, da sie v.a. Kohlenstoffdioxid (CO2) und Lachgas (N2O) langfristig aus der Atmosphäre entziehen können, geben dabei aber kontinuierlich Methangas (CH4) in die Atmosphäre ab. Laut dem GMC relativiert sich dieser Ausstoß bei intakten Mooren langfristig wieder. Fakt bleibt jedoch, dass auch intakte Moore in geringem Maße zur Erd- und Klimaerwärmung beitragen. Degradierte Moorböden fördern dies jedoch um ein Vielfaches, da sie durch die schnelle Torfzersetzung kontinuierlich CO2 und N2O in die Atmosphäre abgeben – Die CH4 Abgabe ist dabei jedoch stark verringert.
Durch eine gezielte und langfristige Wiedervernässung degradierte Moorböden können solche Flächen renaturiert werden und zur Treibhausgasminderung beitragen. Durch diesen Schritt werden die Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung aber weitgehend unbrauchbar. Durch Moor-PV könnte die Renaturierung degradierter Moorböden schneller vorangebracht werden, da die Landwirt*innen durch die Stromproduktion einen neue Einkommensquelle aus der ansonsten für sie nicht mehr landwirtschaftlich nutzbaren Fläche generieren können. Ab 2023 tritt durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) zusätzlich eine Förderung in Kraft, durch welche speziell für Agri-PV und Moor-PV Fördergelder bereitgestellt werden. Wird dabei über Moor-PV eine Fläche wiedervernässt, darf diese nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden.
Das liest sich erstmal als DIE Lösung. Doch es ist wichtig die ökologischen (Langzeit-) Aspekte nicht zu vernachlässigen.
Mehr Forschung und ganzheitliche Betrachtung
Die Ausweitung des Infrastrukturausbaus auf degradierten Moorflächen ist ein ökologisch sensibles Thema, da u.a. die langfristigen Auswirkungen von PV auf Moorflächen noch nicht abgeschätzt werden können. Gleichzeitig wird aber trotzdem die Notwendigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien und damit auch des weiteren Ausbaus von Agri-PV und Moor-PV anerkannt. Laut dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) sollen jedoch Flächen mit einem großen Renaturierungspotenzial davon ausgenommen werden. Für den flächendeckenden Ausbau von Agri-PV und Moor-PV bedarf es aber nicht nur einer politischen Diskussion und einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, sondern gleichzeitig auch einer Akzeptanz der Stakeholder*innen, welche an der praktischen Umsetzung dieser Anlagensysteme beteiligt sind. Ihre Akzeptanz sowie praktischen Auseinandersetzung mit den Systemen können einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Etablierung und Weiterentwicklung dieser Systeme leisten.
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