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Von Wertschöpfung zu Wertschätzung - Chancen und Hürden der Bio-Branche

Ein Gastbeitrag von Bernadette Gundlach und Moritz Bielesch

Diskussionsrunde mit Hubert Heigl, Dr. Alexander Beck, Jürgen Mäder, Dr. Burkhard Schmied und Moderatorin Daniela Siebert (von links) (Foto: Akademie Schloss Kirchberg und Jan Wagner / soilify)

Die fünften Öko-Marketingtage fanden dieses Jahr am 12. und 13. Oktober unter dem Thema "30 Prozent Bio und mehr - die Marktentwicklung resilient gestalten" statt. Bio-Unternehmer*innen, Kenner*innen der Branche, Wissenschaftler*innen und Interessierte wurde nach Kirchberg an der Jagst geladen, um sich mit der zentralen Frage "Wie schaffen wir 30% Bio bis 2030?“ auseinanderzusetzen. Dieses ambitionierte, politische Ziel der Bundesregierung zeigt, dass der Wille zumindest auf dem Papier vorhanden ist. Die Fragen nach der Umsetzbarkeit, nach Förderungsstrategien und konkreten Maßnahmen sind bisher jedoch unbeantwortet. Der Tenor der Teilnehmenden war: „Der politische Wille fehlt“.


#Ein Blick auf die Fakten

Es lässt sich feststellen, dass in den letzten 22 Jahren 9% der landwirtschaftlich genutzten Fläche umgestellt wurden. Um das Ziel 30% bis 2030 zu erreichen, müssten in den kommenden 8 Jahren weitere 21% umgestellt werden. In Bezug auf die Fläche würde das 450.000 ha jährlich bedeuten. Das sind 11% Wachstum pro Jahr. Utopisch. In Deutschland ist das Wachstum im Jahr 2022 nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) um 5% eingebrochen, in Frankreich um 15%, so Marktanalystin Diana Schaack


#Blick in die Zukunft

Nicht zuletzt sind 30% Bio nicht das absolute Ziel. Wie in mehreren Vorträgen deutlich wurde, braucht es eine größere Vision - 100% Bio? Rudolf Bühler, Gründer der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, Bio-Pionier der ersten Stunde, eröffnete die Veranstaltung mit einer zukunftsgerichteten Rede. Die Klimakrise und deren Auswirkungen sei eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, so Bühler. Damit ist die Kernfrage im Marketing schon beleuchtet. Wie kann Bio kommunizieren, dass ökologische Erzeugung wirklich etwas verändern kann und einen sozialen, ökologischen und langfristig ökonomischen Vorteil bringt?


#Alles eine Frage der Kommunikation?

Im Zentrum steht also die Herausforderung, das Markenimage der Biolebensmittel zu stärken. Die Kontroverse dabei ist: Welches Bio wollen wir? Grundsätzlich mehr Bio auf dem Markt und die absoluten Zahlen steigern oder Stabilität, Markenbildung und Wertevermittlung? Bio steht für mehr als nur den Verzicht auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz und leichtverfügbaren Stickstoffmineraldünger. Resiliente Anbausysteme etablieren, die Biodiversität steigern, Mehrwert für eine Region schaffen; diese Aspekte gehören untrennbar dazu. Die Biobranche repräsentiert eine Wertegemeinschaft und tritt für ein resilientes Ernährungssystem ein, welches für Fairness, Transparenz, Ressourcenschutz und Klimaschutz steht. Bio soll wachsen, aber nicht um jeden Preis.


#Der Markt soll‘s regeln?

Bio-Lebensmittel sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch Bio ist eben nicht gleich Bio. Dr. Alexander Beck, Geschäftsführer der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL), sprach sich in seiner motivierenden Rede für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft aus. Anschließend ging es dann um die „hard facts“. Der Status quo von Märkten, Preisen und Entwicklungen zeigte, wie es um den Bio-Markt in Zeiten aktueller Krisen steht. Nach Aussagen Diana Schaacks bleibe Bio den Verbraucher*innen wichtig, doch das Einkaufsverhalten habe sich verändert. Der Preis sei den Verbraucher*innen momentan wichtiger, was dazu führe, dass die Kund*innen mehr günstigeres Bio kaufen würden. Das führe dazu, dass der Fachhandel Verlierer in der aktuellen Krise sei, und Discounter Marktanteile gewinnen. Trotz dessen kaufe eine Minderheit aus Überzeugung biologische Markenprodukte, ganz gleich wie sich der Preis verhalte.


#Die ewige Preisfrage

Der Frage, ob Bio zu teuer ist, widmete sich Prof. Dr. Katrin Zander (Agrar- und Lebensmittelmarketing, Universität Kassel in ihrem Vortrag. Sie zeigte, dass im Jahr 2022 Bio im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und im Discounter im Schnitt eine höhere Preissteigerung verzeichne, als das im Biofachhandel zu beobachten sei. Das Image von LEH und Discounter günstige Lebensmittel anzubieten, stehe dabei im Widerspruch mit der tatsächlichen Preisentwicklung. Dem Biofachhandel wird dagegen nachgesagt, dass er per se teurer sei.


Ist Bio also zu teuer? Nein und ja. Bei vielen Biofachhändler*innen fänden sich zum Teil günstigere Produkte als im LEH oder Discounter. Oft seien Produkte aus dem Preiseinstiegssegment der Biofachhändler*innen günstiger als konventionelle Markenprodukte des LEH. Konventionelle Produkte bilden zudem nicht die wahren Kosten der Erzeugung ab. Würde die Nutzung, Übernutzung, Verschmutzung und Zerstörung von Gemeinschaftsgütern mit einkalkuliert werden, wären konventionelle Produkte deutlich teurer. Dann müsste den Konsument*innen bald erklärt werden, warum Bio jetzt günstiger sei als konventionelle Produkte.

Um für diese Herausforderungen gewappnet zu sein, brauche es eine breit angelegte Informationskampagne. Der objektive Mehrwert von Bio-Lebensmitteln müsse den Verbraucher*innen bewusstwerden, damit sie den Preisunterschied zu konventionellen Lebensmitteln nachvollziehen könnten.

Diskussionsrunde mit (von links): Johannes Huober, Tankred Kauf, Oliver Freidler, Carolyn Hutter, Johannes Ehrnsperger und Friedemann Vogt (Foto: Akademie Schloss Kirchberg und Jan Wagner / soilify)

#Der unternehmerische Wille ist da!

Nachdem wir dadurch alle auf dem Boden der Tatsachen angekommen waren, gaben Impulsreferate unter dem Motto "Jetzt erst recht: 30 Prozent Bio und mehr in Erzeugung und Verarbeitung" ordentlich Motivation. Die Geschäftsführer*innen von bekannten Bio-Marken wie Neumarkter Lammsbräu, Campo Verde und ErdmannHAUSER präsentierten die Strategien ihrer Unternehmen. Dabei spielten langfristige und faire Lieferbeziehungen zwischen Bäuer*innen und verarbeitenden Betrieben eine große Rolle. Uns beeindruckte besonders das Referat von Johannes Ehrnsperger (Geschäftsleitung Neumarkter Lammsbräu), der nicht nur von einer Liefergemeinschaft, sondern der Wichtigkeit einer Wertegemeinschaft sprach.


Dinah Hoffmann, stellvertretende Projektleiterin Kantine Zukunft (Foto: Akademie Schloss Kirchberg und Jan Wagner / soilify)

#Öffentliche Kantinen schaffen mehr als 30% Bio

Eine weitere spannende Frage, die im Raum stand: "Wohin mit den ganzen Biolebensmitteln, wenn erstmal 30% und mehr davon produziert werden?". Dinah Hoffmann von der Kantine Zukunft aus Berlin hatte die Lösung parat. Die Außer-Haus Verpflegung ist ein Teil der Ernährungswirtschaft, in welchem ein biologisches Angebot noch vollkommen unterrepräsentiert ist. Die Kantine-Zukunft berät Großküchen bei der Umstellung und unterstützt sie, wo sie nur kann. Ausgewählte Kantinen haben schon heute weit über 30% ökologisches Angebot. Innovative Konzepte und spannende Märkte warten, von der Bio-Branche erobert zu werden.


Vollendet wurden die Tage durch ein nettes Beisammensein beim köstlichen Bio-Dinner. Gekocht wurde mit regionalen Bio-Zutaten vom Slow-Food Koch Maximilian Korschinsky und seinem Team. So war am Ende der Tagung nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch wohl genährt.

Anstoßen auf 30 Jahre EU Bio-Verordnung, Moritz und Bernadette (Foto: Moritz Bielesch)

Unser Fazit: Es gibt viele motivierte und ambitionierte Akteur*innen und vielfältige Ansätze den Anteil an Bio voranzutreiben. Jedoch wird sich zeigen, wie die Branche aus der aktuellen Krise herausgeht. In jedem Fall verändern sich die Strukturen und etablierte Herangehensweisen müssen in Frage gestellt werden. Der politische Wille, wie oben genannt, fehlt auch aus unserer Perspektive. Mehr Bio braucht mehr konsequenten, politischen Einsatz.


Wie sind wir als Student*innen überhaupt zu der Teilnahme an dieser hochkarätig besetzten Veranstaltung gekommen? Da die Hochschule Unterstützer*in der Öko-Marketingtage ist, gab es fünf Gutscheine für eine vergünstigte Teilnahme für Studierende der HNEE. Wir waren zu dritt vor Ort und haben unheimlich viele Informationen, nette Kontakte und Impulse von dort mitgenommen und hatten eine sehr gute Zeit. Also nutzt diese Chance, falls es sie nächstes Jahr nochmal gibt! Wir können es nur empfehlen.

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