Die Corona-Krise wirkt sich nicht nur auf unseren Studi- und Arbeitsalltag aus, sondern auf alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens. Unter anderem auch auf unsere Protest-Kultur. Da Demonstrationen und Aktionen nicht mehr mit vielen Menschen im Freien stattfinden können, sind neue Ideen gefragt. Wir haben ÖLVin Julia Thöring von "Fridays For Future" gefragt, wie sich die Bewegung gerade organisiert und Präsenz in einer Zeit zeigt, in der die Klima-Krise gerade im Bewusstsein vieler etwas nach hinten zu rücken scheint.
Foto: Fridays For Future Deutschland
Julia, du bist bei Fridays for Future mit dabei. Sag mal, seit wann bist du eigentlich in Eberswalde und bei FFF aktiv?
Ich bin seit dem Wintersemester im letzten Jahr, also 2019 in Eberswalde - also jetzt knapp ein halbes Jahr - und bin eigentlich von Anfang an recht aktiv gewesen. Sowohl in der Ortsgruppe, die größtenteils aus Schüler*innen besteht als auch bei der Studi-Gruppe. Und ich habe auch schon vorher teilweise etwas auf Bundesebene für Fridays For Future gemacht. Daher passte das ganz gut.
Demos und Aktionen in der Öffentlichkeit fallen ja nun erstmal aus – was macht ihr oder plant ihr, um trotzdem präsent zu sein?
Na ja, eigentlich streiken wir ja immer noch offiziell jeden Freitag, nur dass der Streik nicht mehr auf der Straße statt findet. Aber es gibt einen Netzstreik für’s Klima. Das heißt, wir haben unseren Streik ins Digitale verlegt und machen jeden Freitag darauf aufmerksam und sagen: „Hey, es gibt auch noch andere Krisen, die Ernst genommen werden wollen“. Und dazu gehört auch die Klimakrise. Und deshalb machen wir auch darauf aufmerksam. Und was gerade ein recht großes Projekt von Fridays For Future ist, ist, dass wir eine Bildungsplattform eingerichtet haben. Sie heißt „Wir bilden Zukunft“. Wir haben uns überlegt, jetzt fällt die Schule vier Wochen aus, was ist uns wichtig, was wollen Menschen in unserem Alter lernen oder womit beschäftigt sich die Generation von heute. Da laden wir jetzt pro Tag zwei Menschen ein, die ungefähr eine Stunde ein Webinar halten, zu dem Fragen gestellt werden können und die zu ihren Themen, in denen sie Expert*innen sind, was erzählen. Zum Beispiel hatten wir Prof. Dr. Maja Göpel ganz am Anfang da, die was über Klimakipp-Punkte erzählt hat. Dann hatten wir Menschen eingeladen, die was zu erneuerbaren Energien erzählen; was bedeutet eigentlich Klimagerechtigkeit, was bedeutet das im Kontext zur Landwirtschaft; was bedeutet Solidarität? Wir hatten noch jemanden da, der erzählt hat, wie die Situation gerade in Moria ist. Wir wollen das auch ein bisschen als Info- und Bildungsplattform nutzen, um zu schauen, was passiert eigentlich gerade noch außer Corona.
Und diese Plattform ist frei zugänglich?
Genau. Die Videos gibt’s auf unserem YouTube-Kanal von Fridays For Future, da gibt’s sie live gestreamt oder man kann sie sich im Nachhinein angucken. Man kann auch als Community Fragen stellen.
Und wie organisiert ihr euch gerade?
Telefon-Konferenzen! Ja, ich sitze gerade in sehr vielen Telefon-Konferenzen. Wahrscheinlich aber eigentlich auch so, wie wir uns vorher organisiert haben. Im Endeffekt ändert sich da glaube ich gerade nicht so viel, da es ja eine bundesweite Bewegung ist und Menschen aus ganz Deutschland dabei sind. Menschen, die vorher schon viel in Telefonkonferenzen saßen, sitzen jetzt wahrscheinlich einfach ein bisschen öfter in Telefonkonferenzen. Unsere Ortsgruppe ist gerade recht still, aber wir versuchen auch einmal in der Woche eine Telefonkonferenz zu machen und zu gucken, wie können wir gerade trotzdem präsent sein und was können wir an kreativen Aktionen planen. Auch in Hinsicht auf den globalen Streik, der ja am 24. April 2020 geplant ist und den wir dann auch ins Digitale verlegen werden.
Was ist gerade die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung für mich persönlich ist, glaube ich, gerade die größte Frage, wie schafft mensch es, das Vakuum und die Unklarheit, die durch Corona entstehen, auch im Guten zu nutzen und zu zeigen, wir lernen gerade als Gesellschaft solidarisch miteinander zu leben und wie können wir das auch auf andere Krisen übertragen? Wie können wir als Gesellschaft oder als Gemeinschaft, die sich unterstützt, lernen, mit Krisen umzugehen? Und was kann daraus entstehen? Und ich habe das Gefühl, da entsteht gerade ganz viel. Und da ist ganz viel Raum für politische Initiativen und neue Möglichkeiten. Plötzlich spricht gefühlt jede*r über das bedingungslose Grundeinkommen! Das haben vorher nur wenige gemacht. Und da ist, glaube ich, gerade eine spannende Frage,was kann da Fridays For Future für ein Akteur sein? Und wie können wir das für unseren politischen Kampf für Klimagerechtigkeit nutzen. Was passiert, wenn es wieder ins „normale“ geht. Wie schafft man es, dass es nicht wieder zurück geht in den vorherigen Zustand.
Und was meinst Du, kann dazu beitragen?
J: Ich glaube, sensibel zu sein. Zu schauen, was passiert noch außerhalb Deutschlands. Wie betrifft Corona Menschen in anderen Ländern des globalen Südens? Und wie können wir da eine solidarische, globale, Gesellschaft schaffen, die größer ist, als Deutschland. Dadurch können wir ganz viel erreichen. Aufmerksam darauf zu richten, was außerhalb meines kleinen Kreises passiert. Und wie können wir die Stärke, die gerade da ist, nutzen. Z.B. in dem wir uns jetzt organisieren, aufeinander achtgeben, auch nach außen hin zeigen: Wir sind da und wir schaffen das gemeinsam!
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