Ein Beitrag von Anja Kattanek
photo credits go to Anna Azeroth
Alle Jahre wieder ist die Blockwoche Anfang Dezember. Und alle Jahre wieder findet das Wahlpflichtmodul „Globale Umweltsituation“ mit Prof. Dr. Uta Steinhardt statt. Auch dieses Jahr waren es wieder 13 Studierende verschiedener Fachrichtungen – wie ÖLV, LanNu, IFEM, die sich dazu entschlossen haben, die UN Wüstenkonvention (UNCCD) zu reformieren. Denn im Gegensatz zu Biodiversität und Klima hat es der Boden beim Weltgipfel 1992 nicht vollumfänglich in eine Umweltkonvention geschafft, sondern ist in der sog. „Wüstenkonvention“ „verkümmert“. Doch wie lief das ab und was ist am Ende dabei herausgekommen? In einem Planspiel wird eine Vertragsstaatenkonferenz (COP) der UNCCD simuliert, zu deren Abschluss eine Vereinbarung zum umfassenderen Bodenschutz verabschiedet werden soll. Dabei übernehmen wir die Rolle von UN-Delegierten (Ländervertreter*innen) und sollen verschiedene Möglichkeiten von Beschlussfassungen in unterschiedlichen Gruppenzusammensetzungen diskutieren, Beschlussentwürfe formulieren, diese Entwürfe zur Abstimmung stellen und am Ende der Woche eine entsprechende Vereinbarung verabschieden. Als UN-Delegierte vertreten wir die Interessen unseres Landes, versuchen Balance zwischen eigenen Interessen und den Interessen der Staatengemeinschaft zu finden, gehen Kompromisse ein, aber achten darauf, dass die Minimalziele unseres Landes erreicht werden.
Montag // Flächen raten
Ach ja, der Montag. Eigentlich immer der nervigste Tag der Woche. Doch in dieser Blockwoche wird er der entspannteste Tag von allen. Denn obwohl wir um 8.30 Uhr anfangen, bleiben wir erstmal nur eineinhalb Stunden. In denen beschäftigen wir uns mit dem „Weltacker“, genauer gesagt den 2000m² Ackerfläche, die jede*r Bewohner*innen der Erde zur Verfügung stehen und damit, was darauf so wächst. Und was soll ich sagen? Wir lagen ziemlich gut daneben. Die Anbaufläche von Getreide vollkommen unterschätzt, Mais und Soja überschätzt, Baumwolle ganz vergessen. Aber immerhin was gelernt. Danach ging es in die Konsultationstermine, in denen jede*r von uns sich nochmal Tipps für die Rolle abholen kann, um nochmal so richtig schön zu entspannen, bevor Dienstag dann die Konferenz beginnt.
Dienstag // Fairhandeln oder verhandeln?
Die Konferenz beginnt. Fast alle sind ein bisschen formaler gekleidet, was zu einer Menge Belustigung und auch einigen Komplimenten führt. Denn schließlich sehen wir uns nicht so häufig in Bluse oder Hemd mit Krawatte. Auch erfahren wir heute zum ersten Mal, dass die Konferenz eigentlich in Berlin stattfinden sollte, aber aufgrund der nicht funktionierenden Lüftung dort, nach Eberswalde verlegt wurde. Gut zu wissen! Die Konferenz beginnt pünktlich und wird durch die Eingangsstatements der zwölf Ländervertreter*innen aus der Afrikanischen Union, Australien, Brasilien, China, der EU, Indonesien, Island, Kuba, Namibia, Russland, Spanien und den USA eröffnet. Mal leidenschaftlich, mal leidenschaftslos, mal lang, mal kurz bringen sie die Standpunkte ihrer Länder auf den Punkt. Nach einer kurzen Pause geht es weiter und wir unerfahrenen Konferenzteilnehmenden erfahren zum ersten Mal am eigenen Leib, wie lange eine Entscheidung dauern kann. Selbst wenn es nur um das weitere Vorgehen geht. Doch nun sitzen wir in Kleingruppen zusammen und diskutieren ganz informell, was wir denn diese Woche erreichen wollen und wie wir die UNCCD reformieren wollen. Schnell wird deutlich, der große Wurf wird uns nicht gelingen, aber auch kleine Schritte in die richtige Richtung sind willkommen. Im großen Plenum wird anschließend wieder diskutiert, ganz formal und gesittet, keine Ausfälle, keine Angriffe oder Beschuldigungen. Frau Steinhardt, die die Rolle der Konferenzleitung übernommen hat, lobt die sehr sachorientierte und (noch zu wenig politische) Diskussion. Wir beenden den Tag mit einem Eintrag in unser Reflexionstagebuch und lassen den ersten Tag kurz Revue passieren.
Mittwoch // Side event: Bodengesundheit
Am Mittwoch wird es schon hitziger. Wir haben uns in unsere Rollen gefunden und vertreten sie zunehmend vehementer. Die USA pocht auf Freiwilligkeit, die EU lebt manchmal in ihrer eigenen Welt und die Länder des globalen Südens sehen ihre Positionen nicht gut vertreten und wünschen sich weiterreichende Regelungen. Auch gerne verbindlich. Doch der globale Norden will nicht und so entspannen sich im Plenum heftige Debatten, und auch von kleinen Angriffen untereinander wird nicht abgesehen. Aber so „schlimm“ wie in der richtigen Politik ist es nun doch nicht. Für konstruktive Entspannung sorgen erneute Arbeitsgruppen, die sich nun mit der Ausarbeitung von Empfehlungen zur Ausgestaltung des strategischen Rahmens der Konvention und der Ausarbeitung eines thematischen Anhangs beschäftigen. Teilweise ist es schwierig, in den Rollen zu bleiben, aber doch wesentlich einfacher, Kompromisse zu schließen als in der großen Gruppe. Wie jede reale COP der Rio-Konventionen wird auch unsere COP durch zahlreiche sog. „Side Events“ begleitet. In diesem Rahmen sorgt am Nachmittag ein praktizierender Landwirt aus dem Gastgeberland Deutschland - Jens Petermann von der Produktivgesellschaft Dannenberg - für neuen Input. Da ihm die Gesundheit seines Bodens sehr am Herzen liegt, hat er nach verschiedenen einschneidenden Erlebnissen seinen Betrieb von konventioneller Landwirtschaft auf demeter umgestellt hat. Er berichtet uns von seiner „Reise“ zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft und gibt uns damit interessante Einblicke in die praktischen Optionen eines vorsorgenden Bodenschutzes und formuliert dabei seine Erwartungen an die Politik.
Donnerstag // Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin
Heute ist der 05. Dezember – Weltbodentag. Der gesamte Tag wird von einem weiteren Side Event geprägt: es geht nach Berlin zur (realen) Tagung der Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt, die in diesem Jahr unter dem Motto steht: „Mit Alexander von Humboldt den Boden neu entdecken: Boden und Biodiversität – alles hängt zusammen“. Was sich beim ersten Lesen vielleicht unheimlich trocken anhört, war doch ein ganz interessanter Ausflug, der genau richtig kam, um uns nochmal aus unserem „Konferenzalltag“ herauszulösen und in einen anderen einzuschleusen. Aufgrund des nervigen Ersatzverkehrs mussten die Eberswalder*innen leider schon ein bisschen früher los, aber uns war die Müdigkeit gar nicht anzusehen - so überhaupt nicht … In Berlin angekommen bekamen wir erstmal wieder Namensschilder, dieses Mal mit unseren richtigen Namen nachdem wir an den beiden zurückliegenden Tagen zumindest zwischen 8.30 und 16.30 jemensch anders gewesen waren. Die Tagung begann mit einem Grußwort der Leiterin der Abteilung Naturschutz im Bundesumweltministerium und ging dann mit spannenden Vorträgen weiter. Die renommierte Kulturhistorikerin Andrea Wulf – Autorin der bekannten Humboldt-Biographie „Die Erfindung der Natur“ - gewährte uns einen spannenden Einblick in Humboldts Leben. Im Anschluß bekamen einen interessanten Einblick in Nahrungsnetze im Boden, wurden auf den Zusammenhang zwischen Boden- und Biodiversität aufmerksam gemacht und tauchten fasziniert in die Welt der Hornmilben ein. Nach einem Mittagessen, bei dem sich unsere Gruppe beinahe geschlossen über das fehlende vegane Angebot aufregte, hielt ein Landwirt einen durchaus kontrovers diskutierten Vortrag über Bodenleben und im letzten Vortrag ging es um den leider vernachlässigten Bodenschutz in der Planung. Bevor wir in die Kaffeepause (wieder ohne veganes Angebot außer Obst) starteten, gab es noch einen kleinen Poetry Slam zum Wattboden, der am Vortag zum Boden des Jahres 2020 gekürt wurde, der die ganze Sache nochmal ein bisschen auflockerte. Nach der Kaffeepause kamen wir dann in unterschiedlichen Diskussionsgruppen zusammen, in denen – unter unserer Beteiligung - angeregt zu unterschiedlichen Aspekten zum Thema Boden diskutiert wurde.
Freitag // 12 statt 197 Teilnehmer*innen
Zurück ins Rollenspiel. Der letzte Tag der Konferenz startete nicht im Plenum sondern in den Kleingruppen, in denen wir dem thematischen Anhang und den Empfehlungen den letzten Schliff gaben. Und obwohl wir gedacht hatten, dass eigentlich das meiste geklärt war, brauchten wir die ganzen eineinhalb Stunden um zumindest einen ersten Entwurf zu haben. In der anschließenden Plenarsitzung wurde dann noch um einzelne Formulierungen gerungen und an diesen gefeilt, was erneut mehr Zeit in Anspruch nahm als laut Zeitplan vorgesehen. Und wir waren nur zwölf Ländervertreter*Innen und nicht 197 wie bei der zeitgleich stattfindenden COP zur Klimarahmenkonvention in Madrid … Aber am Ende standen tatsächlich Empfehlungen und ein thematischer Anhang, den jede*r von uns unterschreiben konnte. Ein nicht zu verachtender Erfolg, in dem eine Menge Arbeit steckte. Zur Feier des Erfolgs wurden wir dann von der Konferenzleitung zu einem Heißgetränk auf den Eberswalder Weihnachtsmarkt eingeladen, bevor wir uns an die mehrphasige Reflexion machten.
Ackerdemisches Fazit
Und, oh Wunder, hatten wir alle irgendwie ähnliche, aber auch verschiedene Erfahrungen gemacht. Wir konnten Fachinhalte aus dem Studium in die Debatten einbringen, haben den Boden noch mal mehr schätzen gelernt, verstanden, warum das SDG 15.3 einer Land Degradation Neutrality so wichtig aber doch gar nicht so leicht zu erreichen ist. Uns ist aber auch klar geworden, wieviel Zeit es braucht, um eine Lösung zu finden, der alle zustimmen können – und im Wissen um die Dringlichkeit frustrierte uns das natürlich auch. Der eine kam zu der Erkenntnis „Ich werde niemals Politiker!“, die andere könnte sich jetzt zumindest vorstellen, in der nationalen Politik mitzumischen. Von zu wenig über genau richtig bis zu wenig Zeit war alles dabei, wobei wir uns in dem Punkt einig waren, dass wir eine tolle Gruppe gewesen waren, in der Diskutieren echt Spaß gemacht hatte.
Und deshalb möchte ich mich an dieser Stelle nochmal herzlich bei allen Menschen bedanken, die das Planspiel zu einem vollen Erfolg gemacht haben. Ihr wart toll und ich würde diese Woche jederzeit nochmal mit euch machen!
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