In unserer ackerdemiker.in Reihe "Zu Tisch bei ..." besuchen wir unsere Forschungsmit- arbeiter*innen an ihrem Schreibtisch. An unserem Fachbereich arbeiten aktuell 33 Menschen in unterschiedlichen Forschungsprojekten. Diese Beitragsreihe soll helfen das Rätsel um (noch) unbekannte Gesichter am Fachbereich zu lüften!
Etwas länger ist es nun schon her, dass wir eine unserer Forschungsmitarbeiter*innen an ihrem Schreibtisch besucht haben. Zuletzt waren wir vor ca. einem Jahr zu Tisch bei Josephine Lauterbach, wissenschaftliche Mitarbeiterin im ZenPGR-Projekt. In der zweiten Phase dieses Projektes sitzt nun Julia Ehrich an ihrer Stelle, die uns im Interview über ihre Arbeit und die aktuellen Entwicklungen des Projektes berichtet.
Hinter der knackigen Abkürzung ZenPGR steht der Projekttitel Züchterische Erschließung und Nutzbarmachung pflanzengenetischer Ressourcen durch on-farm/in-situ Erhaltung und Positionierung von Produkten im Bio-Lebensmitteleinzelhandel. Wie der Titel schon verrät, geht es in dem Projekt um ein transdisziplinäres Vorhaben. Zum Einen soll das Saatgut alter, aus der Gemüsezüchtung (fast) verschwundener Sorten auf die Äcker gebracht und Gemüsebäuer*innen und Züchter*innen wieder zugänglich gemacht werden. Zum Anderen sollen die historischen Sorten auch für die Verbraucher*innen im Bio-Lebensmitteleinzelhandel zu kaufen sein. Die Vermarktung wird seit 2017 über das Projekt von der HNEE unterstützt.
Foto links: Alte Wirsingsorte im Anbau beim Samenbaubetrieb Keimzelle, Foto Credits: VERN e.V.
Foto rechts: Alte Rote Beete Sorte, Foto Credits: HNEE
In Kürze wird es nun zum ersten Mal eine Auswahl der alten Gemüsesorten auf einer Aktionsfläche im Bio-Lebensmitteleinzelhandel zu kaufen geben. Radieschen und Rote Bete der Sorten Scarlett Turnip White Tip, Rundes Gelbes, Purple Plum, Crimson Globe, Marner Halanga und Mobile werden ihren Weg vom Acker zum kritischen Gaumen und Auge der Verbraucher*innen machen. Die gemeinschaftliche Vermarktungsaktion findet vom 7. bis 12. Juni jeweils von 15:00 bis 19:00 in der Bio Company Filiale in der Yorckstraße 37 in Berlin statt. #SaveTheDate um dich von Unterschieden in Geschmack und Farbe der neuen alten Sorten überzeugen zu lassen und mehr Vielfalt auf unseren Äckern zu unterstützen!
Julia Ehrich im Schaugarten des VERN e.V., Foto Credits: Sarah Trunk
Liebe Julia, was und wo hast Du studiert?
Ich habe den Master Öko-Agrarmanagement an der HNE Eberswalde studiert und 2019 abgeschlossen.
In welchem Projekt arbeitest Du an der HNEE und wie kamst Du dazu?
Ich arbeite seit Juni 2020 im Projekt ZenPGR und habe damals die Arbeit von meiner Vorgängerin Josephine Lauterbach übernommen, die in Elternzeit gegangen ist. Wir bearbeiten das Projekt gemeinsam mit der HU Berlin, dem VERN e.V. und dem SaatGut-Erhalter Netzwerk Ost. Die HNE Eberswalde ist dabei zum einen für die Erstellung eines Kommunikationskonzepts zur Vermarktung alter Gemüsesorten und zum anderen für die Untersuchung geeigneter bürgerschaftlicher Finanzierungsmodelle zur Co-Finanzierung von Zucht, Erhaltung und Vermehrung alter Gemüsesorten zuständig. Da ich mich während des Studiums bereits mit bürgerschaftlichen Finanzierungsmodellen im Landkauf auseinandergesetzt und nebenbei auch im Marketing berufliche Erfahrungen gesammelt habe, passen die beiden Projekt-Bausteine perfekt zu meinen Interessen. Außerdem habe ich selbst auch schon in Gärtnereien gearbeitet und alte Gemüsesorten angebaut.
Was liegt heute auf Deinem Schreibtisch?
Im Moment bereite ich einen Videodreh zur Vorstellung des SaatGut-Erhalter-Netzwerk Ost und deren Arbeit mit alten Gemüsesorten vor. Wir besuchen in den nächsten Tagen einen Samenbau- und einen Gemüsebau-Betrieb, um mehr über die Arbeit der Betriebe zur Zucht, Vermehrung und Vermarktung alter Gemüsesorten zu erfahren und die Arbeit des SaatGut-Erhalter-Netzwerks in einem Video vorzustellen.
Parallel dazu bin ich mit den letzten Vorbereitungen für unsere Probevermarktung alter Gemüsesorten auf einer Aktionsfläche in der BIO COMPANY vom 7. bis 12. Juni 2021 beschäftigt. Es werden damit dieses Jahr erstmals alte Gemüsesorten des SaatGut-Erhalter-Netzwerk Ost auf einer Aktionsfläche im Berliner Bio-Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Darunter finden sich verschiedene Sorten Rote Bete und Radieschen mit ausgefallenen Namen wie Purple Plum oder Marner Halanga, die nach jahrelanger Zucht- und Vermehrungsarbeit ihren Weg von der Genbank auf den Acker und schlussendlich auf den Teller der Verbraucher*innen gefunden haben. Wir hoffen, dass wir mit der Probevermarktung viele Konsument*innen des Bio-LEH für alte Gemüsesorten sensibilisieren können und wir sind gespannt auf deren Rückmeldungen, sowohl zur Gemüsevielfalt als auch zu unseren Kommunikationsmaterialien zu alten Gemüsesorten.
Was waren für dich die schönsten, besonderen oder lehrreiche Erfahrungen im Projekt?
Da seit Beginn meiner Mitarbeit im Projekt ZenPGR im Juni 2020 fast alles nur digital stattfinden konnte, erinnere ich mich besonders gern an das letzte SaatGut-Erhalter-Netzwerk-Treffen, das im Juni 2020 noch in Präsenz auf dem Acker des Gemüsebaubetriebs der Domäne Dahlem in Berlin stattfinden konnte. Wir haben uns die angebauten alten Sorten auf dem Acker angeguckt, ausprobiert, uns über Tipps zum Anbau und zur Vermarktung ausgetauscht. Das war eine sehr inspirierende und ermutigende Erfahrung, insbesondere, da ich gerade neben der Mitarbeit an der HNE zusammen mit Freund*innen einen Gemüsebau-Betrieb in Niederfinow gründe und zum Netzwerk-Treffen direkt in den Erfahrungsaustausch mit Praktiker*innen treten konnte.
Hast Du ab und an auch Kontakt zu unseren Studis?
Ja, ich habe viel Kontakt mit Studierenden, wir betreuen regelmäßig Abschlussarbeiten zu alten Gemüsesorten im Projekt. Das ist sehr spannend, gerade, weil meine Zeit als Studierende noch gar nicht so lange her ist und ich den Prozess sehr gut nachempfinden kann. Außerdem unterstützen uns Studierende sowohl beim Videodreh als auch bei der Probevermarktung. Das ist ein unglaublich wertvoller Austausch und ich freue mich immer sehr, mehr über das Projekt ZenPGR zu erzählen und alte Gemüsesorten in die Welt hinaus zu tragen!
Danke für das Interview und viel Erfolg weiterhin!
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