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Unverpackt - Marketing oder Mehrwert?


„Wer von Ihnen hat einen Behälter mit dabei?“ Reinhard Manger, Bereichsleiter der Bio-Molkerei Lobetal steht mit einem Edelstahleimer und Kelle in der Hand in einer Berliner Bankfiliale. Ein etwas merkwürdiges Bild, hätte die GLS Bank nicht gemeinsam mit dem FÖL zum Themenabend „Unverpackt – Marketing oder Mehrwert“ eingeladen. Frau Dr. Rieken von der HNEE leitete die Gesprächsrunde, die das Thema aus Sicht verschiedenster Akteur*innen beleuchtete. Wofür steht der Begriff „Unverpackt“? Welche Visionen und Herausforderungen gibt es aktuell und welche könnte es geben, falls sich der verpackungslose Lebensmittelhandel durchsetzen sollte?


Äpfel, Käse, Brot und Müsli. Als Mutter von 3 Kindern ärgerte sich Marie Delaperrière über die Müllberge, die nach jedem Einkauf im Supermarkt entstanden. Aus diesem Ärger machte sie das Beste, was man aus Ärger machen kann: etwas Konstruktives. „Madame Unverpackt“, wie sie heute liebevoll genannt wird, eröffnete 2014 den ersten Unverpackt-Laden Deutschlands in Kiel und hofft auf ähnliche Entwicklung wie beim Bio-Boom der letzten Jahre. Die Idee hat sich inzwischen verbreitet: Heute gibt es 40 Unverpackt-Läden in Deutschland. Aber der Wandel steckt noch in den Kinderschuhen und steht vor einem Hindernis, dem man nur schwer an den Kragen gehen kann: Unseren Gewohnheiten. Wir sind eine bequeme Gesellschaft, mit vermeintlich wenig Zeit. One-Stop-Shopping, aber gleichzeitig große Auswahl verlangen - nur ist eben der Sinn von Unverpackt-Läden auch der bewusste Verzicht: Verzicht auf Folien und Papier, aber auch Verzicht auf 5 Sorten Basmatireis von unterschiedlichen Herstellern. Das sieht auch Reinhard Manger als größte Herausforderung für Nachhaltigkeit im Allgemeinen: „Wenn Sie nicht verzichten wollen, dann lassen Sie’s gleich sein. Und ich meine das Verzichten in der Gegenwart, hier und jetzt, und nicht erst nächsten Monat oder in der nächsten Generation.“ Dazu meldete sich eine Stimme aus dem Publikum: „Verzicht ist so ein blödes Wort. Warum nennen wir es nicht Umgewöhnung?“.


Denis Schulz, Einkaufsleiter im Trockensortiment bei der BioCompany, leitet die Unverpackt-Testreihe der Filiale in der Yorckstraße, Berlin-Kreuzberg. Er kritisiert auch die technischen Details: Wie gewährleistet man die Lebensmittelsicherheit, wenn alle einfach beherzt in den Sack voller Sonnenblumenkerne hineingreifen können? Und wenn die Läden Papiertüten zum Befüllen anbieten - was die meisten momentan noch tun um auch Spontankäufer*innen die Möglichkeit zu geben unverpackt einzukaufen – sollte man verhindern, dass sich alle nur noch Kleinstmengen abfüllen und so noch größere Müllberge produzieren?


Abschließend will aber noch erwähnt sein: dass allein an diesem Abend für viele Probleme die passenden Lösungsansätze diskutiert wurden, hat Publikum und Fachleute gleichermaßen entspannt in den Abend entlassen. Und wenn nicht irgendwann mal jemand gesagt hätte „Keine Ahnung ob das funktioniert, wir probieren das jetzt einfach aus!“, säßen wir wahrscheinlich immer noch in Tierfellen gewickelt in irgendeiner Höhle.

Wer mehr erfahren mag, am Fachbereich gibt es aktuell unter der Leitung von Prof. Dr. Jens Pape ein Forschungsprojekt zum Thema.

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