Im Rahmen des Moduls “Soziale Landwirtschaft”, Modulverantwortliche Dr. Marianne Nobelmann, das Studierende des ÖLV-Studiengangs im dritten oder fünften Semester wählen können, wurde uns durch Constantin Gröschel das Thema “Gartentherapie” näher gebracht. Dafür wurden wir erst einmal alle raus geschickt und uns drei schmale Stämme und einige Sägen in die Hand gedrückt. Herr Gröschel bat darum, dass jede*r von uns von einem dieser drei Stämme eine Scheibe absägt. Ich hatte eigentlich vor, mich davor zu drücken, aber nachdem das so viele geschafft hatten, musste ich doch meinem Ehrgeiz nachgeben. Hinterher war ich tatsächlich ein bisschen stolz auf meine kleine selbst abgeschnittene Baumscheibe. Nachdem alle fertig waren, erklärte er uns, dass dies bereits ein erstes Element der Gartentherapie war. Wir erfuhren, dass es bei dieser Therapieform nicht in erster Linie darum geht, dass etwas geschafft werden muss, sondern generell darum, seine eigene Wirksamkeit zu spüren. Oder den Stolz wahrzunehmen, den jemand wie ich beim Abschneiden einer Baumscheibe erlebt,, obwohl ich mir das vorher gar nicht zugetraut hatte. Nicht nur das Sägen an sich war herausfordernd, sondern auch sicher zu arbeiten .
Foto 1: Studierende auf der Suche (Foto: Anna)
Zurück im Klassenzimmer
Unsere nächste Aufgabe bestand darin, uns auf dem Weg zurück einen Gegenstand zu suchen, der unser momentanes Befinden am Besten beschreibt. Als wir anschließend wieder im Raum ankamen, sammelte er unsere Gegenstände ein, um sie dann neu auszuteilen. Die eigentliche Aufgabe bestand nämlich darin, zu mutmaßen, wie es der Person gehen könnte, die sich für das vor einem liegende Objekt entschieden hatte. Für Menschen, denen es schwer fällt, an ihre Gefühle heranzukommen, ist das eine angenehme Art, sich diesem Thema zu nähern. Gerade Gegenstände aus der Natur können mitunter etwas ausdrücken, was Mensch verbal gar nicht richtig beschreiben kann. Es war eine sehr schöne Erfahrung zu sehen, wie gut sich die Studierenden auf diese Aufgabe einließen und tatsächlich relativ offen über das redeten, was sie gerade in ihrem Leben beschäftigte. Diese Offenheit überraschte sogar Constantin Gröschel positiv.
Nach dieser Einführung begann er schließlich, das Thema näher zu erläutern. Gartentherapie beschrieb er dabei als zielgerichteten Prozess, den mentalen Gesundheitszustand einer Person unter Zuhilfenahme eines Gartens zu verbessern. Das therapeutische Potenzial liegt u. a. darin, dass Mensch wieder aktiv in die Verbindung mit der Natur tritt und somit negative Gefühle wie Einsamkeit für einige Momente weniger präsent erscheinen. Generell ist es gut erforscht, dass die Farbe Grün bei Menschen beruhigend wirkt. Es gibt keinen Druck im Alltag, dem Mensch in der Natur ausgesetzt ist und beim gemeinsamen Arbeiten fällt es viel leichter, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Für viele Patient*innen stellt die Gartentherapie auch eine Abwechslung von ihrem Alltag dar, der sich ansonsten überwiegend in ihren Zimmern abspielt. Und schließlich kann Mensch dadurch auch über die Rhythmen des Lebens lebendiger etwas erfahren. Über das Erblühen im Frühling oder den Rückzug im Winter. Das kann helfen, die eigenen Lebensrhythmen zu erkennen und akzeptieren zu lernen.
Die Bedingungen
Die Rahmenbedienungen für Gartentherapeut*innen sind leider eher schwierig, erklärte Herr Gröschel weiter. Als ehemaliger Gärtner habe er mehr verdient. Das Problem sei, dass diese Therapieform noch nicht kassenärztlich abgerechnet werden kann, obwohl die hohe Wirksamkeit, wie bereits erwähnt, schon mehrfach nachgewiesen werden konnte. Andererseits erfordert dieser Beruf aber auch keine klassische Ausbildung. Der Begriff ist nicht geschützt und so kann sich eigentlich jede*r Gartentherapeut*in nennen. Es gibt aber in Deutschland die Möglichkeit, Weiterbildungskurse zu diesem Thema zu besuchen. Ein anderes Problem besteht darin, dass Mensch nach der Weiterbildung kaum eine feste Anstellung findet – eben weil diese Therapieform so schlecht abgerechnet werden kann. Herr Gröschel, hatte Glück. Er ist im Moment in Teilzeit und unbefristet im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin angestellt. Diese Stelle fand er direkt, nachdem er seine Gartentherapie Ausbildung in Rostock beendet hatte. So konnte er seinem Wunsch, seine Gartenbaufirma einzustellen, schneller nachkommen, als er erwartet hatte. Er verdient zwar weniger Geld als früher, erlebt aber viel mehr Zufriedenheit in seinem Beruf.
Foto 2: Literaturvorschläge zur Gartentherapie (Fotocredits: Anna)
Hier sind einige Literaturvorschläge von Constantin Gröschel.
Jahresringe
Generell hilft Herrn Gröschel die Natur auch dabei, Sinnbilder zu finden für all die Situationen im Leben, in denen eben nicht alles nach Plan verläuft. In dieser Stunde hat er sich vor allem dem Thema “Jahresringe” gewidmet. Jeder Baum und in gewisser Weise auch jeder Mensch setzt Jahr für Jahr einen Ring nach dem anderen an. Jeder Ring und jedes Ereignis führen uns zu dem Leben, das wir gerade führen. Jeder einzelne Ring ist in dem enthalten, was wir heute sind. Bei Bäumen kann Mensch besonders gut sehen, dass diejenigen, die sich durch besonders harte, äußere Umstände ihre Jahresringe mühsam aneignen mussten, weil sie z. B. nicht schnell wachsen konnten, besonders hartes Holz und somit im wahrsten Sinne des Wortes mehr Substanz bilden konnten. Viel mehr als diejenigen Bäume, die mehr so dahin lebten und weniger widrigen Umständen ausgesetzt waren. Und auch diese Unterrichtsstunde, in der wir gerade alle noch saßen, würde laut Herrn Gröschel in unsere persönlichen „Baumringe“ eingehen. Das führte mir den Augenblick noch einmal bewusst vor Augen und ließ mich kurz darüber nachdenken, wie selten ich die Dinge um mich herum wirklich bewusst wahrnehme.
Wer sich eingehender mit dem Thema auseinandersetzen will, dem empfiehlt Herr Gröschel vor allem die Lektüre „Gartentherapie – Theorie – Wissenschaft – Praxis“. Diese kann kostenlos unter folgendem Link herunter geladen werden:
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