Ein Gastbeitrag von Dörte Beyer // Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragte unserer Hochschule //
… bleibt in der Minderheit – so lautete die Schlagzeile bei Spiegel online Ende Oktober 2018. Eine Umfrage an den 37 größten Hochschulen Deutschlands ergab, dass im Durchschnitt nur jede vierte Professur von einer Frau besetzt ist.
Am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz ist das Zahlenverhältnis von Professorinnen und Professoren deutlich ausgewogener. Hier sind fast 40% der Professuren weiblich besetzt. Damit ist der Fachbereich diesbezüglich der Spitzenreiter an der HNEE. Zum Vergleich: An den anderen drei Fachbereichen liegt der Frauenanteil bei den Professuren zwischen 10% und 22%.
Beim wissenschaftlichen Nachwuchs sind die gut ausgebildeten und potenziellen „LaNu-Professorinnen von morgen“ sogar in der Mehrheit. Rund 60% der Studierenden und 75% der wissenschaftlichen Beschäftigten am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz sind weiblich, darunter sind acht promovierte Wissenschaftlerinnen.
Bei Gründung des Fachbereichs im Jahr 1993 sah es noch anders aus: Vor 25 Jahren startete das erste Semester im Studiengang Landschaftsnutzung und Naturschutz mit weniger als einem Drittel Studentinnen. Die erste und einzige Professorin am Fachbereich war 1993 Frau Prof. Dr. Luthardt.
Seit dem hat sich viel geändert am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz. Aber woher kommt dieser Unterschied zu den anderen Fachbereichen? Sicher spielt die Fachrichtung eine Rolle. In Deutschland ist eine geschlechtsspezifische Berufs-bzw. Studienwahl seit den 1980er Jahren trotz mittlerweile jahrzehntelanger gleichstellungspolitischer Maßnahmen relativ stabil (einen Überblick gibt Busch 2013). Frauen wählen eher soziale Fachrichtungen, Männer entscheiden sich tendenziell mehr für technische Berufe. (ebd.) Forstwirtschaft oder Holztechnik sind traditionell männlich besetzt.
Am Fachbereich LaNu dagegen ist der Querschnitt der Fachgebiete größer und weniger auf „traditionell männlich“ konnotierte Fachgebiete beschränkt. Aber die Fachrichtungen der Professuren sind nicht allein ausschlaggebend für die Anzahl der Professorinnen. Auch die gezielte Ansprache und Ermutigung geeigneter Bewerber*innen und sowie eine vorurteilsfreie Bewertung derselben vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Auswahl der oder des Besten eine Frau das Rennen macht. Ebenso wichtig ist aber auch, dass eine Arbeitsatmosphäre am Fachbereich herrscht, wo Professorinnen gern ankommen und bleiben. Und „frau“ bleibt gern, wo alle Mitglieder eines Teams gleichberechtigt Aufgaben und Verantwortung übernehmen, ohne geschlechterstereotype Zuschreibungen, Chauvinismus oder sexuelle Belästigungen. Nicht zuletzt hilft ein familienfreundliches Klima allen Beschäftigten, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen, auch wenn aufgrund des allgemein hohen Arbeitsaufkommens beides nicht immer einfach zu vereinbaren ist.
Doch warum ist es so wichtig, einen höheren Frauenanteil bei den Professuren anzustreben? Zum einen weist der noch geringe Frauenanteil darauf hin, dass Frauen im Karriereverlauf irgendwo „auf der Strecke“ bleiben, denn beim Studienabschluss liegen sie noch gleichauf mit ihren männlichen Kommilitonen. Die „Chancengleichheit“ stößt in ihrer Umsetzung auf komplexe Hindernisse, und die Hochschulen selbst sind wichtige Akteurinnen bei der Beseitigung derselben. Zum anderen verschenkt die Gesellschaft Potenzial, wenn gut ausgebildete und kompetente Personen an strukturellen Rahmenbedingungen scheitern und ihr Wissen nicht einbringen können.
Ein Hinweis zum Schluss: In diesem Beitrag ist von „Männern und Frauen“ die Rede. In der Alltagswahrnehmung haben wir es scheinbar mit zwei Geschlechtern zu tun. Auch amtliche Statistiken zählen nur in diesen beiden Kategorien. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass einzelne Personen in dieser Statistik in der Realität eine andere Geschlechteridentität leben. Diese Personen werden in absehbarer Zeit (endlich) in der Statistik sichtbar werden. Eine erste Lesung des Gesetzentwurfs (Personenstandsgesetz) im Bundestag, der eine dritte Geschlechtsoption „divers“ zulässt, erfolgte am 11. Oktober 2018. Der Blick auf eine „Chancengleichheit“ wird auch vielfältiger werden.
Busch, Anne: Die berufliche Geschlechtersegregation in Deutschland. Ursachen, Reproduktion, Folgen. Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2013
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