Die, vom Tagesspiegel organisierte, 3. World Food Convention widmete sich auch in diesem Jahr wieder den großen Fragen der Welternährung. Wie bekommen wir alle Menschen auf der Welt satt, heute und in der Zukunft? Wie können wir Hunger und Mangelernährung auf der Welt beenden? Welchen Einfluss haben Klimawandel und Lebensmittelverschwendung auf die Welternährung und wie wollen wir damit umgehen? Können Innovationen in der Landwirtschaft und in den Lieferketten dabei helfen, die Weltbevölkerung nachhaltig zu ernähren?
In einem Punkt waren sich die Redner*innen der WFC jedenfalls einig: Ja, es ist möglich, die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren, auch wenn wir zehn Milliarden Menschen auf der Erde sein werden. Nur in dem „Wie“ sind sich die Redner*innen teilweise uneinig und vertreten verschiedene Ansatzweisen. Das ist gut, denn komplexe globale Herausforderungen verlangen nach vielfältigen, flexiblen Lösungsansätzen. Noch besser also, wenn verschiedene Akteur*innen aus Landwirtschaft, NGO’s und Politik zusammen kommen, sich austauschen, diskutieren und gemeinsam Lösungen suchen.
Zu Beginn der Veranstaltung rückt David Beasly, der Executive Director des World Food Programme, noch einmal ins Scheinwerferlicht worum es heute genau geht. Er zählt: 1, 2, 3, 4, 5, Jetzt, 1, 2, 3, 4, 5, Jetzt. Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger. Dr. Gerd Müller, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, positioniert sich ganz klar dazu: „Hunger ist Mord“. Weil wir es ändern könnten. Mit der heutigen landwirtschaftlichen Produktion könnten bereits zehn bis zwölf Milliarden Menschen ernährt werden. Wie grausam und perfide die menschlichen Lebensrealitäten auf der Erde auseinanderklaffen, offenbart sich noch deutlicher, wenn mensch sich vor Augen führt, dass es 815 Millionen hungernde und mangelernährte Menschen auf der Erde gibt und gleichzeitig in Deutschland 60-80 kg Lebensmittel pro Kopf weggeworfen werden.
Dennoch sind die Hauptursachen für Hunger, laut Dr. Gerd Müller, andere als die enorme Lebensmittelverschwendung. Er nennt Krieg, Armut und Naturkatastrophen.
Als Gast könnte man sich an dieser Stelle nun fragen, wieso wir uns dann nicht damit beschäftigen, wie Menschen ernährt werden können obwohl sie in Krieg und Armut leben, oder noch besser, wie Krieg und Armut beendet werden könnten. Oder zumindest, wie schaffen wir Souveränität in der Lebensmittelproduktion für alle und welche sind die richtigen Stellschrauben?
Stattdessen betritt Liam Condon, ein Vorstandsmitglied von Bayer, als nächstes die Bühne. Er sagt, dass er gerne auf Augenhöhe mit dem Publikum sprechen möchte, da ihm bewusst sei, dass es in letzter Zeit vermehrt Kritik an Bayer gegeben hat. So wird in Frankreich derzeit gegen Bayer ermittelt, da deren Tochterfirma Monsanto dort eine geheime Liste geführt haben soll, in der Firmen- Kritiker*innen illegaler Weise erfasst worden sind. Ebenso hat Bayer in den USA bereits zum dritten Mal einen Gerichtsprozess verloren, in dem es um die krebserregende Wirkung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat ging. Zuletzt musste Bayer deshalb einem Ehepaar, das an Krebs erkrankt ist und geklagt hat, zwei Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen. Also geht Liam Condon nicht die Stufen des Redner*innen- Pults hinauf, sondern bleibt auf dem Boden und spricht von dort. Dann geht es um die große Hungerskatastrophe in Irland vor 180 Jahren, in der rund eine Millionen Menschen aufgrund der Kartoffelfäule verhungert sind, und darum, was Bayer außer Pflanzenschutzmitteln noch so unternimmt, um die Menschen zu ernähren, ohne den Planeten zu zerstören. Am Ende seines Vortrags ist ihm noch sehr wichtig zu sagen, dass Bayer nicht nur daran interessiert sei, mehr zu verkaufen[i].
Aber wie produzieren wir denn jetzt dauerhaft ausreichend Lebensmittel für alle und verteilen sie auch so, dass alle satt werden? Die anschließende Expert*innenrunde, bestehend aus Annalisa Conte, Prof Joachim von Braun, Fabio Ziemssen und Prof Nicolaus von Wirén, meint: nicht mit 'Business as usual' und nicht jede Lösung passt zu jeder Ökonomie. Wichtig sei es, dass Konsument*innen sich wieder dafür interessieren wo ihr Essen herkommt und sich die Konsequenzen, die ihr Konsum hat, bewusst machen. Produzent*innen und Käufer*innen sollten direkter miteinander verbunden werden. Es geht um Ineffizienz von Lieferketten und darum, wie eine Landwirtschaft aussehen könnte, die trotz Klimawandel die Produktion von ausreichend Lebensmitteln sicherstellt. Außerdem sind alle große Fans von Innovationen und meinen damit meist technische. Darüber, wieviel Energie und damit Platz und Ressourcen diese brauchen, scheint sich aber niemand so richtig Gedanken zu machen. Nach der Mittagspause darf Julia Klöckner, die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, ein paar gut klingende Worte ans Publikum richten, bevor endlich die Macher*innen zu Wort kommen.
Fünf Pionier*innen aus der Lebensmittelbrache stellen ihre Unternehmen vor. Auch hier sind die Ansätze vielfältig. Da ist beispielsweise Jacob Bussmann von SeedForward, dessen Unternehmen durch biologische Saatgutbehandlung einen Beitrag zur klimaangepassten Landwirtschaft leisten will. Da ist Mohamed Jimale von Agrikaab, der in Kamelmilch die Zukunft sieht. Mit seinem Unternehmen generiert er per Crowdfunding Geld und setzt damit landwirtschaftliche Projekte in Ostafrika um, die regionale Lebensmittelproduktion fördern und Jobs kreieren. Und dann ist da noch Solveiga Pakstaite, die mit ihrem Unternehmen Mimica unnötigen Lebensmittelabfall radikal reduzieren möchte. Zu diesem Zweck hat sie ein Lebensmittellabel entwickelt, das erkennt, wenn Lebensmittel nicht mehr genießbar sind.
Im Anschluss wird wieder diskutiert mit Pete Pearson, Robert van Otterdijk, Renate Künast, Dr Thomas G. Schmidt und Solveiga Pakstaite. Diesmal geht es um Lebensmittelverschwendung und was man ihr entgegensetzt kann. Bei 60 % Verlust in der Produktionskette sind sich alle einig, dass sich vor allem das System der Lebensmittelproduktion und -bereitstellung verändern muss. Damit Lebensmittel, Lebensmittel bleiben und nicht zu Abfall werden, sollte außerdem den Konsument*innen besser näher gebracht werden wie viel Energie und Ressourcen in ihren Lebensmitteln steckt. Auch reale Lebensmittelpreise, die Externalitäten berücksichtigen, werden als sinnvolle Stellschraube besprochen. Am Ende bleiben die Fragen im Raum stehen, warum Containern verboten ist und wann es Supermärkten endlich untersagt wird, genießbare Lebensmittel wie Müll zu behandeln.
In der letzten Themenrunde des Tages dreht sich alles um Data-Driven Farming als Schlüssel für nachhaltige Landwirtschaft. Das Gespräch zwischen den Expert*innen, Mathias Mogge, Winnie Kamau, Alexandre Teillet, Prof Engel Hessel und Sjaak Wolfert, dreht sich hier in erster Linie darum, welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit Data-Driven Farming nicht nur ein Schlüssel bleibt, sondern auch endlich Türen öffnen kann. Entscheidend dabei sind die Art und Qualität der Daten, wer sie besitzt und wie mensch sie am besten für Landbewirtschaftende nutzbar macht.
Ein langer Tag geht zu Ende. Er hat vor allem deutlich gemacht, dass es viele gute Ideen gibt wie man die Weltbevölkerung ernähren kann und dass es Menschen gibt, die bereit sind diese umzusetzen. Und zwar nicht nur auf der großen Bühne: Eine Studie hat ergeben, dass die Landwirtschaft genügend Lebensmittel für die Weltbevölkerung produzieren könnte, auch wenn sie komplett auf Bio umgestellt werden würden - nur eben nachhaltiger als mit konventionellem Landbau. Allerdings müsste die Menschheit dafür endlich beginnen, weniger tierische Produkte zu konsumieren und aufhören, Lebensmittel wie Abfall zu behandeln. An der HNE lehren und lernen wir Ökolandbau praxisnah, suchen nach weiteren Lösungen auf allen Ebenen der Nachhaltigkeit und tragen so unserer Antworten in die Welt. Das tröstet auch über die großen, tatenlosen Worthülsen hinweg, von denen mensch sich vielleicht manchmal umgeben fühlt. Am Ende ist es doch so: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Oder um es in den Worten von Dr. Gerd Müller auszudrücken: „Wir sind nicht zu viele auf dem Planeten, aber wir tun zu wenig“.
[i] Wer das gerne kritisch hinterfragen möchte, findet im Konzernatlas mehr Informationen.
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