Nach Angaben der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) haben mehr als 470.000 Menschen die Agritechnica vom 12. bis 18. November besucht, um einen Blick auf die landtechnischen Innovationen für den Pflanzenbau der Zukunft zu werfen. Wie viele andere Besucher*innen wurden auch wir, eine kleine Gruppe von OLEs, von dem weltweit größten Treffen der Agrarbranche in Hannover angezogen. Nach einigen Stunden Fahrt standen meine Kommiliton*innen und ich in der Menge der Begeisterten, eingezwängt zwischen XXL-Traktoren. Durch die Kopfhörer, die mensch uns für eine Führung auf dem Messestand, eines prominenten Landmaschinenherstellers gegeben hatte, zählte die Stimme des Guides Fakten zu den jeweiligen Maschinen auf.
In diesem Jahr stand die Agritechnica unter dem Leitmotiv „Green Productivity“. Ziel der Messe war es, ein Forum für den fachlichen Austausch zu schaffen und zukunftsweisende Fragen der Landwirtschaft zu adressieren. Laut Veranstalter besteht die zentrale Herausforderung darin, eine höhere Produktivität mit geringerem Ressourceneinsatz zu erreichen und dabei verantwortungsbewusst mit der Umwelt und der Natur umzugehen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Versorgungsunsicherheit und des Klimawandels von großer Bedeutung. Angesichts dieser Komplexität stellt sich die Frage, welche Innovationen im Ackerbau gefragt sind. Eine Frage, für die es keine einfache Lösung gibt und die verschiedene Ansätze wie den Einsatz energieeffizienter Maschinen, die Verwendung nachhaltiger Materialien oder die Implementierung digitaler Technologien zur optimalen Nutzung von Ressourcen umfassen könnte.
Plötzlich erreichen uns über unsere Kopfhörer die Schlagwörter, “Smart Farming“ und „Precision Farming“ – darunter versteht mensch die gezielte Anwendung von modernen Agrartechnologien und Informationsmanagement-Tools, welche das Potenzial bergen, die Effizienz, Produktivität und Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Praktiken zu steigern. Entsprechend stark kann die Landwirtschaft von innovativen Technologien profitieren. Im Fokus der Agritechnica standen drei zentrale Anwendungsfelder des Smart Farmings: Datenmanagement und -analyse, Automatisierung und Integriertes Farmmanagement und Vernetzung.
Mit unserem Guide stehen wir vor einem Kompakttraktor, der aufgrund seines Elektromotors als alternatives Antriebssystem in ein besonderes Licht gerückt wurde. Landmaschinen werden seit Jahrzehnten vom Dieselmotor angetrieben, aber auch hier muss ein Umdenken stattfinden. Viele Aussteller verbindet die Frage, wie Traktoren künftig betrieben werden. Es stehen innovative Technologien und alternative Kraftstoffe zur Verfügung, die das Potenzial haben, die Branchen umzugestalten. Sowohl etablierte Unternehmen als auch Startups sind in Bezug auf alternative Antriebssysteme aktiv. Die ausgestellten Prototypen zeichnen ein Bild der Zukunft, in der Traktoren und andere Landmaschinen durch Brennstoffzellen, LNG oder Biofuels angetrieben werden.
Foto 1: Johanna Nachtigall
Nach der Führung beginnen wir unsere Entdeckungstour durch die weiteren Messehallen. Die Hallen sind thematisch sortiert. In fünf Messehallen zeigen Austeller*innen zum Beispiel verschiedene Techniken für den mechanisch-physikalischen bzw. thermischen Pflanzenschutz, darunter Striegel oder Abflammgeräte. Wichtige Geräte für Öko-Landwirt*innen, deren Hauptaugenmerk auf vorbeugende Maßnahmen zur Unkrautregulierung sowie beim Schutz vor Krankheiten und Schädlingen liegt.
Auch ‚Agrifood-Startups‘ präsentieren ihre Innovationen und warben um die Aufmerksamkeit der Besucher*innen. Die vertretenden Startups beschäftigen sich mit veränderten Essgewohnheiten. Angesichts dieser Herausforderungen ist es entscheidend, dass ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird. Dies bedeutet, nicht nur innovative Produkte zu entwickeln, sondern auch nachhaltige Produktionsprozesse zu gestalten und den gesamten Lebenszyklus von Agrar- und Lebensmittelprodukten zu berücksichtigen. Umfassende Herangehensweisen ermöglichen es, Synergien zwischen verschiedenen Aspekten der Agrifood-Wertschöpfungskette zu identifizieren, was langfristige Erfolge sowie positive Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft fördert. Angesichts unserer begrenzten Zeit auf der Messe war es für uns schwer erkennbar, inwieweit die vertretenen Start-ups tatsächlich diesen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.
Auf dem Weg zurück nach Eberswalde zogen wir ein Resümee: In dem Bestreben nach “Green Productivity” in der Landwirtschaft erscheint die Betonung auf einer ausgewogenen Integration von wirtschaftlichen Zielen und ökologischer Verantwortung zweifellos lobenswert zu sein. Zwar erklärt sich die Mehrheit der Aussteller*innen unisono bereit, diese bedeutenden Schritte Richtung Zukunft der Landwirtschaft zu unternehmen, jedoch könnte mensch kritisch anmerken, dass die tatsächliche Umsetzung dieser Ziele oft von individuellen Interessen und der Bereitschaft der Akteure abhängt. Inwiefern sind die Aussteller*innen wirklich bereit, über kurzfristige Gewinnziele hinauszublicken und langfristige ökologische Auswirkungen ernsthaft zu berücksichtigen? Die Herausforderung besteht möglicherweise darin, sicherzustellen, dass die propagierten Absichten nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern von konkreten Maßnahmen und Veränderungen begleitet werden, um eine tatsächliche nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.
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