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Landwirtschaft anders / Die alternative Grüne Woche

Ein Kommentar von Teresa Jans


Vom 11. – 16. Januar hostet die Heinrich-Böll-Stiftung ihre Veranstaltungsreihe „Landwirtschaft anders - unsere Grüne Woche 2021“. Wie seit einigen Jahren startete am Montag die alternative Grüne Woche im Vorfeld der „Wir haben es satt“ Demo und der Internationalen Grünen Woche.

An jedem Tag der Veranstaltungsreihe wurde über unterschiedliche agrar- und ernährungspolitische Themen diskutiert und gerungen.

Foto Credits: Heinrich-Böll-Stiftung


Arbeitnehmer*innenrechte in der Fleischindustrie

Mit einer Online-Konferenz zum Thema „Keine Rechte, wenig Lohn“ über die Arbeitnehmer*innenrechte in der Fleischindustrie fand der Auftakt der alternativen Grünen Woche statt. Nicht wie sonst in Form von Podiumsdiskussionen im Gebäude der Stiftung, kam es dennoch auch digital zu einer lebhaften Diskussion über die oftmals menschenverachtenden Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen in der Fleischindustrie. Olaf Bandt, Präsident des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Silvia Bender, Staatssekretärin im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg (MLUK), Ingolf Fechner von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und Thomas Dosch (Tönnies) diskutierten, wie mit der Situation umgegangen werden kann.


Seit Corona besser?

Die großen Schlachtbetriebe wurden in die Mangel genommen, woraufhin Thomas Dosch, ehemaliger BIOLAND-Chef und nun neuer „Nachhaltigkeitsexperte“ bei Tönnies, darlegte, was sich seit dem Corona-Skandal schon geändert hat und was noch kommen soll. Zum Beispiel wurden in seinem Unternehmen 6.000 Werksverträge in Festverträge umgewandelt und das Unternehmen will nun selbst die Aufgaben übernehmen, die vorher von Subunternehmen ausgeführt wurden und zu den bekannten schlechten Wohnbedingungen führten.


Regionale Strukturen stärken

Allgemein besteht das Problem des zu geringen Lohns in den immer zentraleren Strukturen. In Brandenburg z.B. gibt es nur noch drei größere Schlachtbetriebe, kleine regionale bzw. lokale Fleischerhandwerksbetriebe verschwinden zunehmend. Als Grundlage für bessere Arbeitsbedingungen sollte es deshalb mehr Möglichkeiten zur Etablierung regionaler Strukturen geben. Es sei genug Geld da, um die preislichen Unterschiede zu minimieren, meint Ingolf Fechner vom NGG.

Silvia Bender vom MLUK in Brandenburg will sich die Überlegungen, wie die unfair verteilten Löhne ausgeglichen werden könnten als Inspiration für weitere politische Diskussionen und Initiativen mitnehmen. (Fast) alle Teilnehmenden waren sich einig, dass es neue Regelungen und Gesetze braucht.


Pestizide International

Mit dem Thema „Gefährliche Doppelstandards“ wurde dann am Dienstag die Problematik des Exports von in der EU verbotenen und gefährlichen Pestiziden ins Ausland, vor allem in Entwicklungsländer thematisiert. Interessanterweise war es den Organisator*innen hier nicht möglich, Vertreter*innen aus der Politik einzuladen. In diesen Riegen scheint sich wohl niemand für dieses Thema verantwortlich zu fühlen. Teilgenommen haben Peter Clausing vom Pesizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), Dr. Silke Bollmohr von der NGO Eco-Trac, Christian Schliemann vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Jan Urhahn von der Rosa- Luxemburg-Stiftung und Bettina Müller von der NGO Power Shift.


Zivilgesellschaftliche Debatten

Anhand von Case Studies aus drei verschiedenen Ländern (Südafrika, Indien, Kenia) wurden die Kritikpunkte der Ausfuhr von in der EU verbotenen Stoffen von großen bekannten Firmen wie Bayer, Syngenta und BASF dargelegt, allen voran die Unterschiede in den Anwendungsbedingungen: fehlende/nicht lesbare Etiketten, oft seien in den Ländern keine/kaum Schutzkleidung vorhanden bzw. vorgeschrieben, vermischen von unterschiedlichen Stoffen, keine Informationen zur korrekten Nutzung und zu Gefahren für Mensch und Umwelt. Außerdem werden so landwirtschaftliche Strukturen aufgebaut, die von Pestiziden abhängig seien. In Kenia löste eine Studie der NGO Eco-Trac eine Debatte und diverse Aktionen aus. Im Land herrscht großes Bewusstsein über dieses Thema. Die kenianische Regierung hat nun beschlossen, die Wirkstoffe zu prüfen. In den anderen beiden Ländern kommt es kaum zu politischen, allerdings zivilgesellschaftlichen Debatten – das Thema und die dahintersteckende Problematik ist bekannt, Handlungen seitens der Politik fehlen jedoch.

Auch hier waren sich alle einig. Es braucht neue internationale Regelungen und Gesetze, denn es ist nach wie vor legal, hochgiftige Stoffe zu exportieren. Doch zuerst sei Handeln auf nationaler Ebene wichtig, das schaffe eine Vorbildfunktion und lasse sich meist schneller umsetzen.


Alles in allem waren es zwei wirklich spannende Diskussionsrunden zu äußerst wichtigen Streit- und Kritikthemen unserer Zeit.

Was außerdem noch stattfand: Podiumsdiskussion zum Fleischatlas 2021 und eine Online-Konferenz über Solidarische Landwirtschaft.


Für alle, die die Grüne Woche verpasst haben, gibt es am Samstag, den 16.01.2021 von 15-19 Uhr noch die „Soup & Talk online“ Diskussionsrunde zum Thema „Aktion – Agrarwende anpacken, Klima schützen!“. Die Konferenz findet normalerweise nach der „Wir haben es satt“ Demonstration statt, nach der sich viele Teilnehmer*innen zu Suppe und Gespräch im Gebäude der Heinrich-Böll-Stiftung einfinden, was dieses Jahr natürlich auch ins Internet verlagert wird.

Mehr Infos zur Soup & Talk Veranstaltung gibt´s auch auf facebook.


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