Ein Gastbeitrag von Nikolai Scharsich (hier geht es zu Teil 1)
Nach der ersten spannenden Woche in Sancti Spiritus stand nun das Wochenende an. Wir entschieden uns, gemeinsam nach Trinidad zu fahren. Das ist eine wunderschöne, etwas touristische und sehr lebendige Stadt am Meer, die von der Kolonialzeit geprägt ist. In Trinidad konnten wir mit etwas Abstand und Ruhe Teambuilding betreiben, flanieren, gut essen gehen, auf den Plazas der Stadt zu Live-Rumba und Reggaeton wild tanzen und auch einmal kurz das badewannenwarme Karibikwasser genießen. Wir machten eine schöne Wanderung durch einen tropischen Wald in den Bergen und konnten uns dabei an einem Wasserfall in einer Lagune im Wald erfrischen. Beseelt kamen wir am späten Abend nach Sancti Spiritus in unsere Residencia zurück, bevor es am nächsten Morgen wieder mit der Arbeit im Organoponico losging.
1. Teambuilding, 2. Straßenszene, 3. Karibik, 4. Wanderung, 5. Wasserfall, 6. Wasserfall , 7. Sonnenuntergang (Fotos: Nikolai Scharsich)
Neben der praktischen Arbeit in dem Hochschul-Garten organisierte Dr. Kolima Peña Calzada, die Projektleiterin der UNISS, mit ihrem Team auch ein vielfältiges und spannendes Rahmenprogram. Wir besuchten bspw. das nahgelegene Organoponico „el estadio“ (übersetzt: „das Stadion“) und wurden über die Besonderheiten der Arbeit dort aufgeklärt. Die nach dem Ende der Sowjetunion und der daraus entstandenen Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise entstandenen Organoponicos sind oft noch staatlich organisiert. In Kuba gibt es eine Öffnung von der Planwirtschaft hin zu mehr privatwirtschaftlichen Aktivitäten. Das ist insbesondere auch in der Landwirtschaft zu spüren. Die Organoponicos sind wahre Pioniere im Ökolandbau. Sie nutzen ökologisch hergestellte Pflanzenschutz- und Düngemittel aus eigens dafür in Kuba aufgebauten Produktionen. Somit können sie das ganze Jahr hindurch zuverlässig, ohne nennenswerte Ernteausfälle lokal Nahrungsmittel erzeugen und direkt vermarkten. Zudem verdienen die Arbeiter*innen hier laut Alberto Martin, dem Chef des Organiponicos „el estadio“, mit umgerechnet ca. 50$ im Monat überdurchschnittlich gut, was für unsere kubanischen Kolleg*innen überraschend war. In ganz Kuba soll es derzeit über 4000 dieser urbanen Gärten geben, die aber oft unter Nachwuchsproblemen und fehlenden Arbeitsgeräten leiden.
8. Organiponico „el estadio“ 9. Tropischer Garten 10. Arbeit mit alter Technik 11. Verkaufsstelle direkt am Organoponico (Fotos: Isabell Mühlmann)
Eine weitere sehr spannende Exkursion machten wir mit dem Bus aus der Stadt raus, zur Permakultur-Farm „Finca del Medio“ von José A. Casimiro Gonzales. Dort zeigte uns Leidy Casimiro die vielen Projekte, die sie und ihre Familie in den letzten ca. zehn Jahren dort aufgebaut und so ein wahres Paradies erschaffen haben. Die Finca erzeugt viele unterschiedliche Lebensmittel für den Eigenbedarf und für eine kleine Vermarktung. Der Strom wird autark vor Ort aus Wind, Sonne und Biogas gewonnen. Das Wasser wird aus dem kleinen Stausee unterhalb der Finca hochgepumpt und dann zur Bewässerung und für den Haushalt genutzt. Die Wohnräume haben eine runde Form und erzeugen ein sehr angenehmes Raumgefühl hinsichtlich Klima und Gemütlichkeit. Beim gemeinsamen Lunch konnten wir die eigenen Produkte kosten und durften auch vom selbst hergestellten Vino probieren. Der Gründer der Finca, José A. Casimiro Gonzales, erzählte uns dabei vieles über seine Ideen und die Mission einer im Einklang mit der Natur und ihren Kreisläufen stehenden Lebensweise, die er mittlerweile auch auf Veranstaltungen weltweit vorstellt. Mit diesen Eindrücken einer zukunftsfähigen Vision für Kubas Ernährungssystem, fuhren wir im Sonnenuntergang wieder zurück zur Residencia auf den Campus der UNISS.
12. Schlafzimmer, 13. Lady Casimero, 14. Küche der Finca del Medio, 15. Snacks und Erzählungen von Jose A. Casimero, 16. Selbstversorger-Garten, 17. Sonnenuntergang (Fotos: Nikolai Scharsich)
Wir hatten uns so langsam richtig als Team eingespielt und so entstand im Organoponico Tag für Tag etwas Neues und zunehmend Sichtbares. Die Wasserversorgung war schon fast fertig installiert, die Beete bereitet und angesät. Es wurde an vielen kleinen Projekten in dem Uni-Garten gewerkelt und gearbeitet. Daneben kamen wir immer wieder zusammen, um im Kollektiv die Ergebnisse zu besprechen, Ziele zu definieren, Aufgaben zu verteilen und wieder auszuschwärmen, um weiter zu ackern. Die ersten Samen keimten bereits und im Hinblick auf das nahende Ende dieser ersten Reise sprach das bildhaft dafür, dass etwas im Entstehen war, auf das wir alle sehr stolz sein konnten.
18. Bewässerung und Sprösslinge, 19. Letzte Arbeiten im Organoponico (Fotos: Nikolai Scharsich)
So brach der letzte Tag an und für uns noch einmal die Zeit, das Projekt in Gänze zu betrachten und zu besprechen.
Wir gingen als Gruppe, unter Anleitung von Dr. Florent Jouy, die verschiedenen Stellen des Organoponicos ab, um gemeinsam zu betrachten, was an dem jeweiligen Ort entstanden war, was in der Pflege zu beachten ist und wie es dort weitergehen sollte.
Während des Rundgangs wurden praktische Beispiele der Zusammenarbeit zwischen den Gruppen der UNISS und der HNEE sichtbar, bei denen sich das Know-how beider Gruppen ergänzte. Dazu gehören die gemeinsam gebaute Rankhilfe für Tomaten, die aus alten Plastikflaschen upgecyclten Bewässerungen für kleine Bäume, oder die gemeinsam ausgesäten Sprösslinge des mitgebrachten Saatgutes. Es war auch eine Art Übergabe des Projektes in die Hände der kubanischen Dozent*innen, die ihrerseits mit den Studierenden das Projekt weiterführen würden.
Während dieser Runde traf eine Delegation der Uni-Leitung mit Felix Zühlsdorf, dem DAAD-Lektor (Deutscher Akademischer Austauschdienst) in Kuba, ein. In einem kubanisch-deutschen Wechselspiel (die Redebeiträge haben sich abgewechselt) wurde der Delegation vorgestellt was in den zwei Wochen hier vor Ort entstanden war und welche Zukunftsvisionen wir darüber hinaus noch hatten. Der Zuspruch und die Anerkennung durch den Besuch war für uns alle eine Art der Belohnung für all die Arbeit der letzten Wochen und Monate, die die Eine oder den Anderen zu Tränen rührten. Zudem wurde durch Herrn Zühlsdorf auch Unterstützung zur weiteren Entwicklung des Projektes in Aussicht gestellt.
Der Rundgang wurde mit lokalen, ökologischen und saisonalen Karotten aus dem Organoponico garniert. Zudem konnte jede*r Interessierte mit den neuen Bodenmikrofongeräten das unsichtbare Leben in der Erde des Organoponicos abhören.
20. Erbaute Rankhilfe, 21. Besuch der Delegation, 22. Karotten 23. Boden-Sonar (Fotos: Nikolai Scharsich)
Nachmittags klärten wir dann bei einem kubanisch-deutschen Freundschaftsspiel, wer den Fußballplatz besser beackern konnte. Wir spielten dabei in weißen Hemden, die uns die UNISS zum Dank für den Besuch geschenkt hatte. Das Hinspiel fiel zu Gunsten der Eberswalder*innen aus. Alle freuen sich aber schon auf ein Rückspiel.
Somit ging unsere Zeit vor Ort langsam zu Ende. Bei einem letzten gemeinsamen Abendessen mit anschließender Reggaeton-Party, erfreuten wir uns an den gemachten Erfahrungen, der intensiven Zeit, den vielfältigen Erlebnissen, an dem gemeinsam Geschafften und vor allem an den vielen neuen Freundschaften!
Mit einem wehmütigen Gefühl von Dankbarkeit und Abschied, vor allem aber reich an Erfahrungen und Eindrücken reiste ein Großteil der Gruppe noch in der Nacht ab und trat den Heimweg nach Eberswalde an. Eine kleine Gruppe an Gartenbau-Enthusiasten blieb darüber hinaus noch ein paar Tage bis Wochen länger im Land, um sich diesem unvergleichlichen, atemberaubenden und liebeswürdigen Land hinzugeben …
Derweil arbeitet die Projektgruppe „Semillas de Amistad“ schon an den nächsten Schritten. Vieles ist geplant, alle sind motiviert, Unterstützung wurde zugesagt. Ende Mai kam zudem bereits, dank DAAD und einer SDG-Partnerschaft (Sustainable Development Doals der Vereinten Nationen) von TU Berlin und HNEE, eine erste Delegation der UNISS mit vielen bekannten Gesichtern aus der Projektgruppe in Kuba, nach Eberswalde zu Besuch.
Wir hoffen, euch mit diesem Bericht für unser Projekt zu begeistern und eure Neugier zu wecken, mehr darüber zu erfahren. Schreibt uns gerne unter pequenas.granjas@gmail.com an, verfolgt das Projekt auf Instagram und haltet die Ohren offen für spannende Neuigkeiten!
Saludos!
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