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Der Ruf der Rohrdommel

Von einem Freiwilligeneinsatz der Naturwacht Brandenburg und einem Gespräch mit Rangerin Wiebke Szymanski


Es ist einer dieser besonderen Frühlingsabende. Wir sitzen am Grimnitzsee, der Wind weht durch das hohe Schilf, die Sonne färbt den Himmel rot und plötzlich durchbricht ein lauter, dumpfer Ruf die Stille. „Whuuump –  Whuuump – Whuuump“ schallt es über den gesamten See. Wir halten den Atem an, spitzen die Ohren und zählen im Kopf die Rufe mit. Der Klang erinnert an die tiefen Töne, wenn man in eine leere Flasche pustet – und ist der Balzruf der Rohrdommel (Botaurus stellaris). Im Rahmen eines Freiwilligeneinsatzes hatten Naturinteressierte am ersten Maiwochenende die Möglichkeit, an einer Rohrdommelkartierung der Naturwacht Brandenburg teilzunehmen. Ziel war es, den Bestand der seltenen Vogelart genauer zu erfassen, um darauf aufbauend gezielte Schutzmaßnahmen entwickeln und umsetzen zu können.


Dieser Blogbeitrag gibt einen Einblick in die Lebensweise der Rohrdommel und die naturschutzfachliche Bedeutung ihrer Kartierung. Zudem zeigt er, wie Freiwilligeneinsätze nicht nur zur Datenerhebung beitragen, sondern auch Einblicke in die praktische Arbeit von Ranger*innen ermöglichen. Dazu haben wir mit Wiebke Szymanski gesprochen, Rangerin der Naturwacht und Koordinatorin der Freiwilligeneinsätze im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin.


Die Rohrdommel

Oft bekommt man die Rohrdommel nicht zu Gesicht, einzig ihr tief tönender Ruf verrät ihre Anwesenheit. Besonders im Frühjahr sind die Rufe der Männchen zu hören, mit denen sie Weibchen anlocken und ihr Revier markieren. Sichtungen sind hingegen selten. Die Vögel leben zurückgezogen im dichten Röhricht der Gewässer. Ihr gestreiftes Gefieder macht sie nahezu unsichtbar, besonders dann, wenn sie bei Gefahr in die sogenannte „Pfahlstellung“ gehen und mit gestrecktem Hals regungslos inmitten der Schilfhalme verharren.


In Deutschland gilt die Rohrdommel als gefährdet und steht auf der Roten Liste in der Kategorie 3 (Trepte, 2023). Sie ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz sowie der europäischen Vogelschutzrichtlinie (Anhang I) streng geschützt. Der Hauptgrund für ihren Rückgang ist der Verlust großer, ungestörter Röhrichte, vor allem durch Trockenlegung von Feuchtgebieten (NABU, 2024). Regelmäßige Kartierungen liefern daher wichtige Erkenntnisse über ihr Vorkommen und sind Grundlage für Schutz- und Pflegemaßnahmen. Wiebke Szymanski und weitere Ranger*innen der Naturwacht Brandenburg kartieren von April bis Mai die Bestände der Rohrdommel im Biosphärenreservat Schorfheide Chorin.


Wiebke, was macht die Rohrdommel naturschutzfachlich so besonders – und warum ist es wichtig, sie zu kartieren?


„Rohrdommeln sind auf störungsarme Gewässer mit strukturreichen Röhrichten und Flachwasserzonen angewiesen. Solche Gewässer werden immer seltener, da viele Seen zunehmend austrocknen sowie stärker besucht und mit Booten befahren werden. Gleichzeitig liegt im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin das wichtigste SPA-Gebiet (= Special Protected Area oder auch Vogelschutzgebiet) für die Rohrdommel in Brandenburg. Im Osten Deutschlands gibt es noch um die hundert Brutpaare, im Rest des Landes ist die Rohrdommel schon verschwunden. Damit haben wir eine hohe Verantwortung für diese Art und nehmen das Monitoring sehr ernst.“


 „Pfahlstellung“ der Rohrdommel  (©Thomas Harbig, 2023)
 „Pfahlstellung“ der Rohrdommel (©Thomas Harbig, 2023)

Rohrdommeln kartieren 

Gegen 18 Uhr treffen sich 18 Freiwillige am Grimnitzsee. Nach einer kurzen Begrüßung gibt Rangerin Annelie Fiedler einen Einführungsvortrag zur Rohrdommel, erklärt, wie wir ihren Ruf erkennen, und beschreibt den Ablauf des Abends. Das Besondere an der heutigen Kartierung: es ist eine Synchronkartierung und funktioniert nur mit vielen Teilnehmenden. In Kleingruppen (aus je zwei Personen) ausgestattet mit Fernglas, Karte, Protokollbogen, Stift und Lineal, machen wir uns auf den Weg und verteilen uns um den gesamten See.


An unseren Beobachtungsposten angekommen heißt es nun abwarten und lauschen. Ertönt der erste Ruf der Rohrdommel, wird auf der Karte die Richtung eingetragen, aus welcher der Ruf kam und wird als „Rohrdommel A“ markiert. Im Protokoll werden dann noch Uhrzeit und Anzahl der Rufe notiert. Tritt ein weiterer Ruf aus einer anderen Richtung auf, wird dieser als „Rohrdommel B“ gekennzeichnet, und so weiter. Da Rohrdommel-Männchen polygam leben, d.h. ein bis vier Weibchen haben und zwischen ihren Nestern wechseln können, ist es entscheidend, zeitgleich von mehreren Positionen zu erfassen. Nur so lassen sich einzelne Individuen zuverlässig voneinander abgrenzen.


Nach gut einer Stunde Kartierung trafen sich alle wieder und tauschten ihre Ergebnisse aus. Die Begeisterung über die Rohrdommel ist auf jeden Fall spürbar: „Ich habe drei verschiedene gehört“, „krass, wie laut sie gerufen hat – ich hatte das Gefühl sie sitzt neben uns“, „es klang so, als würden sich die Rohrdommeln gegenseitig antworten“. Der Abend klingt schließlich bei Stockbrot am Lagerfeuer aus – mit dem Gefühl, nicht nur wertvolle Daten erhoben, sondern auch eine besondere Nähe zur Natur erlebt zu haben.


Die Rohrdommel (©Thomas Harbig, 2023)
Die Rohrdommel (©Thomas Harbig, 2023)

Einblick in die Arbeit der Ranger*innen

Einige ehemalige IFEM- und Lanu- Studierende sind heute als Ranger*innen bei der Naturwacht Brandenburg tätig. Neben der Erfassung des Rohrdommelvorkommens und dem Naturerlebnis bieten Freiwilligeneinsätze wie dieser einen wertvollen Einblick in die Arbeit der Ranger*innen und damit auch in mögliche berufliche Perspektiven im Naturschutz.


Wiebke, welche Möglichkeiten gibt es generell, sich bei der Naturwacht freiwillig zu engagieren?


„Wir freuen uns immer über Unterstützung bei unseren Aufgaben. Unser Biosphärenreservat ist riesig und es gibt viel zu entdecken. Besonders das Monitoring von Tieren und Pflanzen ist für unsere Freiwilligen interessant. In den letzten Monaten haben wir zum Beispiel zusammen Lockpflöcke auf Haarspuren der Wildkatze untersucht, in Gummistiefeln Bibervorkommen kartiert und Moorfrösche verhört. Meistens begleiten unsere Freiwilligen die Ranger*innen bei ihrer Arbeit, aber ab und zu gibt es große Einsätze, wie bei der Rohrdommel-Synchronzählung. Wer darauf Lust hat, kann sogar eigenständig Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel Gewässer auf das Vorkommen von Amphibien zu untersuchen. Davor gibt es natürlich eine Einweisung von den Ranger*innen. Im Sommer geht es dann weiter mit Orchideen-, Characeen- und Tagfalterkartierungen. Monitoring ist aber nicht unsere einzige Aufgabe: Zwischen Oktober und Ende Februar haben wir jede Woche einen Landschaftspflegeeinsatz. Dort können Freiwillige mit anpacken und zum Beispiel Schnitt- und Mahdgut beräumen, Gräben verfüllen oder Hecken pflanzen. Wer Lust auf Umweltbildung hat, darf sich auch gerne bei uns austoben. Wir sind regelmäßig mit Schulklassen, Kitas, den Junior Ranger*innen und Erwachsenen im Gebiet unterwegs. Da freuen wir uns über Freiwillige, die neue Methoden und Themen ausprobieren wollen oder einfach nur dabei sind und ein Spektiv tragen. Wir haben noch hundert Aufgaben dazwischen und außerhalb, also sind wir offen, wenn Freiwillige mit eigenen Ideen auf uns zukommen. Als Biosphärenreservat haben wir schließlich die Aufgabe, eine Spielwiese für innovative Ideen zu sein, mit denen wir aktuellen Herausforderungen und Konflikten begegnen können.“


Herausforderungen ist ein gutes Stichwort: Viele Teilnehmende haben den Einsatz sehr genossen – aber welche Herausforderungen und Potenziale ergeben sich bei solchen Einsätzen?


„Gerade in Zeiten des globalen Klimawandels weiß man als naturliebende Person manchmal gar nicht, wo einem der Kopf steht, und man fühlt sich fast ohnmächtig. Ich denke, dass es da wirklich hilft, sich mit der „kleinen“ Natur vor der Haustür zu beschäftigen. Hier zählt wirklich jede Hand, die mit anpackt. Es gibt auch immer wieder „good news“ zu feiern, wie die Rückkehr der Wildkatze oder der plötzliche Fund des Strohgelben Knabenkrautes, nachdem es jahrelang auf dieser Fläche verschwunden war. Oder eben, dass die Rohrdommel nach zwei Jahren wieder am Grimnitzsee vorkommt. Freiwillige, die uns bei unseren Aufgaben im Gebiet unterstützen, bekommen einen guten Einblick in die naturschutzfachliche Arbeit und die Ökosysteme ihrer Region und werden damit selbst zu Multiplikatoren des Naturschutzes. Gleichzeitig ist der Austausch mit den Freiwilligen für uns spannend, weil sie mit zwei frischen Augen auf unsere Arbeit schauen und sich mit kreativen Ideen in unsere Arbeit einbringen. Viele Freiwillige sind bereits vor Ort gut in Naturschutzorganisationen oder kleineren Grüppchen vernetzt – und wir können unsere Energien bündeln. Gerade im Naturschutz ist es wichtig, Hand-in-Hand zu arbeiten, um zu vermeiden, dass jeder nur „sein Süppchen kocht“. In der Natur ist alles miteinander vernetzt und genauso wollen wir auch arbeiten. Auf Herausforderungen treffe ich selten mit Freiwilligen. Da sie ja freiwillig da sind, hat jede*r Einzelne Lust dabei zu sein. Schwierig wird es höchstens, wenn es um die Zeitplanung geht. Ich versuche, bei den Terminen eine ausgewogene Mischung aus Angeboten unter der Woche und am Wochenende zu finden, damit sich alle einbringen können. Das klappt nicht immer bei allen und deswegen freue ich mich umso mehr, wenn die einzelnen Angebote von Freiwilligen gut angenommen werden.“


Der Freiwilligeneinsatz zur Rohrdommel macht deutlich, wie wertvoll ehrenamtliches Engagement für den Naturschutz ist – sowohl für den Erhalt gefährdeter Arten als auch für das persönliche Naturerleben. Vielen Dank an Wiebke Szymanski für das Gespräch und die spannenden Einblicke in die Arbeit der Naturwacht Brandenburg.


Übrigens: Die Naturwacht Brandenburg bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Natur vor der eigenen Haustür zu entdecken, sich für den Naturschutz zu engagieren und das Berufsfeld Ranger*in kennenzulernen. Wer Lust hat, mit der Naturwacht rauszugehen, findet hier weitere Informationen auf der Website der Naturwacht Brandenburg.



Quellen:

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