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Summerschool “Agroforst und regenerative Agrikultur” 2025

Auch in diesem Jahr fand die Summer School «Agroforst und regenerative Agrikultur» vom 13.-20.8. statt. Und das jetzt zum 5. Mal! Sie wird wechselseitig an den beiden kooperierenden Hochschulen HNEE (Hochschule für nachhaltige Entwicklung) und ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) ausgerichtet und fand dieses Jahr wieder in der Schweiz statt. So waren 30 Studierende der beiden Hochschulen für eine Woche in Lenzburg im Pfadiheim untergebracht, um gemeinsam Neues zu lernen, Neues zu entdecken und gemeinsam Spaß zu haben. Täglich gab es verschiedene Programmpunkte in Form von Betriebsbesuchen, Vorträgen oder Workshops. Taucht ein in einen ausführlichen Reisebericht mit vielen spannenden Details rund um Agroforst, regenerative Agrikultur und all das, was sonst so auf mehrtägigen Exkursionen so passiert. Es wird lang :) 


Lust auf mehr? Dann findet ihr hier  2024, 2023 und 2022 die Berichte aus den Vorjahren.


Mittwoch, 13.08.2025

Die Studierendengruppe der ZHAW und HNEEbesuchte noch am ersten Tag die ehemalige Schlossgärtnerei in Wildegg, das neue Domizil der Stiftung ProSpecieRara, und wurde über das Gelände, durch die Sämerei und die Samenbibliothek geführt. Die Stiftung widmet sich in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Sortenbetreuer*innen und Züchter*innen der Bewahrung der Artenvielfalt von Kulturpflanzen und Nutztierrassen. Momentan werden ca. 1600 Garten- und Ackerpflanzensorten, 1017 Zierpflanzensorten, 31 Weidensorten, 2520 Obstsorten, 419 Beerensorten und 115 Rebensorten unter optimalen Bedingungen (15°C, 15% Luftfeuchtigkeit) in der nach dem On-Farm-Prinzip konzipierten Samenbibliothek aufbewahrt.


Die Samenproduktion erfolgt, neben dem partizipativen Engagement von Erhalter*innen, in der eigenen Sämerei u.a. für die kommerzielle Verwertung. Der dafür erforderliche Pflanzenpass stellt sicher, dass über dieses Saatgut keine Pflanzenkrankheiten, wie bspw. der Jordan-Virus durch Tomatensamen, übertragen werden können.


Blick auf den Gutshof unterhalb des Schlosses Wildegg (© Rebekka Schüttel, 2025)
Blick auf den Gutshof unterhalb des Schlosses Wildegg (© Rebekka Schüttel, 2025)

Ehrenamtliche Erhalter*innen bauen die Nutzpflanzen 3 Jahre lang in verschiedenen Schweizer Regionen an und senden die sich in diesem Zeitraum an lokale Bedingungen anpassenden Pflanzensamen zurück an ProSpecieRara. Auf diese Weise wird ein lebendes Archiv geführt, das sich mit den klimatischen Verhältnissen wandelt. Etwa 20% der Pflanzenarten werden derzeit jedoch nicht angebaut. 38 Nutztierrassen, ca. 20 % der im 19. Jahrhundert in der Schweiz verbreiteten Rassen werden gegenwärtig von Züchter*innen erhalten. Weitere gefährdete Rassen werden aufgespürt und unter Betreuung von ProSpecieRara durch Züchter*rinnen bspw. als Nischenrassen gehalten und vermarktet. ProSpecieRara reagiert damit auf den seit ca. 100 Jahren voranschreitenden Diversitätsverlust an Arten und Rassen in der Landwirtschaft. Mit der einsetzenden Industrialisierung im Agrarsektor und der damit einhergehenden Tendenz zur Standardisierung wurden homogene Produkteigenschaften erforderlich. Die unter diesem Gesichtspunkt optimierten Kulturpflanzensorten müssen gleichzeitig reifen, maschinell zu ernten sein, sich in Form und Grösse den Verpackungsmassen anpassen und über lange Strecken transportierbar sein.


Die Mission von ProSpecieRara besteht in der Verdrängung von in der biologischen Landwirtschaft verbreiteten Hybridsorten durch eine Vielfalt alter, offen bestäubender Sorten, die je nach Kulturart eine hohe Toleranz gegenüber Trockenheit und Krankheiten aufweisen. Eine lokal angepasste Vielfalt an Tierrassen und Kulturpflanzen soll die Resilienz fördern und damit die Basis für eine ökologische Grossproduktion als sichere, reichhaltige und klimaverträgliche Ernährungsbasis schaffen.


Donnerstag, 14.08.2025

Es ist freundlich und gewöhnlich am Morgen zu Fragen: «Wie hast du geschlafen?» Doch an diesem Morgen füllen die Antworten auf diese einfache Frage ein ganzes Gespräch. Wer hat wo, mit welchen Strategien, wie lange, wie gut geschlafen? Die Antworten sind vielfältig aber doch nicht ganz so zahlreich wie die Weidensorten, die wir an diesem Morgen bei Sonja im Salicetum bestaunen. Über 400 Sorten wachsen bei ihr und zu fast jeder, weiss sie eine Geschichte zu erzählen. Sie erklärt uns, welche Weide wie viel Salicinsäure beinhaltet, jongliert mit Begriffen von Inhaltsstoffen und während sie Zweige klein schneidet, um sie ihren Ziegen zu verfüttern, gibt sie auch uns ein paar Weidenblätter zu futtern. Sonja lacht beim Anblick der verzogenen Gesichter. Weiden eignen sich gut, um Verdauungsbeschwerden oder Kopfschmerzen selbst zu therapieren. Überdosierung ist dabei kaum möglich, denn gut schmecken tun sie wirklich nicht!


Genauso vielfältig wie die Weidensorten sind auch ihre Anwendungsbereiche. Das kleine Grundstück ist ein wahrer Quell an Inspiration. Weiden, merken wir, kann man für fast alles brauchen. Als Zaun, Deko, Hangbefestigung, Schattenspender, Baumaterial, Feuerholz, Korb und Schmuggelware. Ja genau, schon vor 200 Jahren musste man kreativ sein, um an das zu kommen, was man haben möchte. So wurden die verbotenen Weidenstecklinge kurzerhand in Form eines geflochtenen Korbs per Schiff von Amerika nach Europa geschmuggelt. Dafür eigneten sich natürlich nur die flexibelsten Ruten. Auch das können wir sicher von den Weiden lernen. Am besten geht es, wenn man flexibel ist. Und das merken wir uns auch für die Schlafplatzsuche an diesem Abend.


Wir verlassen das kleine Weiden-Paradies und laufen kurze Zeit später durch die sengende Hitze zum Hofgut Obere Wanne in der Nähe von Liestal. In zahlreichen Baloxen liegen hier tonnenweise Kürbisse in unterschiedlichsten Farben und Formen. Während Dieter Weber uns erzählt, wie eben diese Kürbisse am Vortag in der Gluthitze geerntet wurden, sind wir froh um den Schatten auf dem alten Heuboden. Schnell kommen wir auch zum eigentlichen Thema, denn die frisch gepflanzten Bäumchen auf dem Kürbisfeld lassen hoffen, dass dort in Zukunft kühlende, schattenspendende Bäume stehen werden. Allein der Gedanke daran ist erfrischend. Mit anschaulichen Beispielen, fu

ndiertem Fachwissen, jahrelanger Erfahrung und eisgekühlten Metaphern  bringt uns Dieter seinen Betrieb und die regenerative Landwirtschaft näher. Auch ein bisschen Betriebswirtschaft ist dabei: «If you don’t ask the price, you don’t get the price.» Dieter legt uns nahe, uns für hohe Preise nicht zu schämen, wenn sie gerechtfertigt sind. Der Betrieb, der in der 6. Generation geführt wird, hat

neben den Kürbissen zahlreiche Standbeine.

Impression aus dem Salicetum in Oberdorf Baselland (© Rebekka Schüttel, 2025)
Impression aus dem Salicetum in Oberdorf Baselland (© Rebekka Schüttel, 2025)

Dazu gehören Setzlinge, Schnittblumen, ein Maislabyrinth, 18 alte Kartoffelsorten und Hülsenfrüchte. Genauso vielfältig und reichhaltig sind die Ratschläge, die Dieter uns neben den frisch gepflanzten Bäumen auf dem Kürbisfeld mit auf

den Weg gibt. Er betont aber ganz klar: «Es geht nicht darum das Maximum zu erreichen, sondern das Optimum.» Wir wünschten uns, das Agroforstsystem hätte bereits sein Optimum erreicht, doch besser als die pralle Sonne und 36° hätte uns niemand erklären können, wieso es sich lohnt Agroforstsysteme anzulegen. Deshalb profitieren wir auch an diesem Tag maximal vom Anschauungsunterricht.




Freitag, 15.08.2025

Heute steht einiges auf dem Programm. Deshalb müssen wir auch früh aus den Federn. Die Nussschalen von Simon sind wohl noch etwas härter (als was? das Bett??). Simon Küng hat den Familienbetrieb Hof Elischwand im Kanton Luzern vor 18 Jahren von seinen Eltern übernommen. Wir schauen auf den Obstgarten, in dem der kleine Simon Äpfel auflesen musste. Das war nicht gerade seine Lieblingsaufgabe und deshalb hätte er die Bäume auch am liebsten gerodet, als er endlich die Möglichkeit dazu hatte. Doch manchmal bringt das Alter auch etwas Lebensweisheit mit sich und so steht der Obstgarten immer noch, spendet den Mutterkühen Schatten, bietet Vögeln einen Lebensraum und ist Teil der Geschichte der Region, in der Simon gross geworden ist. Anstatt Apfelbäume zu roden, hat er über 400 Nussbäume gepflanzt. Nicht wie in Grenoble, wo er sich das Wissen zu Nussbäumen angeeignet hat, erzieht er seine Bäume mit ca. 3m hohen Stämmen. Wenn die Erziehung seiner Kinder abgeschlossen ist, werden sie hoffentlich nicht mit ihrem Erbe hadern. Sind sie das Nüsse auflesen, waschen und sortieren leid, können sie hoffentlich wertvolles Holz ernten und damit ihre eigene Zukunft bauen.


Wir sitzen im Schatten eines 15-jährigen Nussbaums und attackieren den Vizepräsident und Mitgründer der Genossenschaft swissnuss mit Fragen. Wir halten ihn dabei fast so sehr auf Trab wie die 200 Krähen, die ihm seine Ernte streitig machen wollten. Zum Glück mögen Mäuse keine Walnusswurzeln, denn Simon macht Appetit auf ein Stück Bünder Nusstorte. Dank Simon und der Genossenschaft swissnuss, ist die Schweizer Spezialität nun auch mit Schweizer Nüssen erhältlich.


Weiter geht es mit Haselnuss und Trüffel. Adrian Rubi setzt ganz in der Nähe auf das Bodenleben, mikroskopiert und analysiert. Auch er hat den Betrieb vor 5 Jahren von seinen Eltern übernommen. Leider ging kurz darauf die 180-jährige Quellfassung kaputt und anstatt in die Haselnusspflege musste das vorhandene Geld in die Infrastruktur gesteckt werden. Adrian nimmt es gelassen und wir dürfen von dem kühlen Quellwasser profitieren.


Ganz spontan dürfen wir einen Abstecher nach Grosswangen machen. Dort zeigt uns Louis, der Forstwart, Strassenbauer und ZHAW-Student aus dem Kanton Luzern den Betrieb, auf dem er gross geworden ist. Der Hofhund freut sich über viel Aufmerksamkeit und vertilgt die Reste der Menznauer Jägeräpfel, die der Vater von Louis für uns von den Bäumen schüttelt. Wir stehen im Schatten, während die kleine Angusherde nebenan grast. Louis und seine Familie erzählen uns vom Feuerbrand, der sie zwang über 50 Bäume zu fällen, eine Geschichte, die wir an diesem Tag öfters hören. Und wir sagen nicht nur danke für die spannende Führung und den spontanen freundlichen Empfang, sondern vor allem für das Herzblut, die Leidenschaft und Arbeit, die ihr als Familie hier investiert. Die kleine Baumschule, die über 100 gepflanzten und zum Teil selbst gezogenen Bäume und der gut gepflegte Wald inspirieren uns und verdienen unseren Respekt. Herzlichen Dank Louis für den Einblick und dein Schaffen.


Der Carfahrer führt uns freundlich und sicher durch die engen Kurven des Kantons Luzern zum Katzhof. Das Thema Wasser begleitet uns auch hierhin. Zum ersten Mal in dieser Woche haben wir es nicht mit schweren lehmigen Böden zu tun, sondern mit eher sandigem Lehm und dem Problem: Trockenheit. Der ehemalige Sozialarbeiter und Demeter Landwirt Markus Schwegler führt den Betrieb, auf dem seine Frau aufgewachsen ist. Und den hat er in den letzten Jahren gründlich umgemodelt. Nach einer fundierten Planungsphase und dank der Finanzierung aus verschiedenen Stiftungen, ist auf dem Katzhof eine Landschaft entstanden, die nicht nur schön, sondern auch ökologisch und effizient ist. Gräben verlaufen entlang der Höhenlinien, führen Wasser ins Speicherbecken und leiten es gezielt in die Gemüsekulturen, bevor es versickert. «Mindestens genauso wichtig wie die Finanzierung und eine gute Planung ist der soziale Aspekt», betont Markus immer wieder, «Gegenseitige Wertschätzung, Verständnis und ein gutes Verhältnis zwischen den Generationen.» Der soziale Aspekt und die gute Nachbarschaft wird kurz darauf auch musikalisch unterstrichen.


Trüffel/Haselnussanlage von Adrian Rubi. (© Rebekka Schüttel, 2025)
Trüffel/Haselnussanlage von Adrian Rubi. (© Rebekka Schüttel, 2025)

Markus ermutigt uns, unseren Arbeitsplatz zu gestalten. «Es muss einem wohl sein an seinem

Arbeitsplatz.», «Ästhetik und Effizienz können Hand in Hand gehen.» und «Nur gesunde Menschen

können gesunde Lebensmittel herstellen.» Von der Reise durch den Kanton Luzern nehmen wir

neben dem heimeligen, familiären Gefühl und ein paar Regentropfen auch mit: «Wenn du keine geraden Linien kannst, versuch es mit Kurven, das funktioniert auch und macht Freude.»


Samstag, 16.08.2025

Nach drei Exkursionstagen und vielen Eindrücken von den Betrieben haben wir den Samstag im Pfadiheim verbracht, um einige Themen nochmals zu vertiefen und auch ein wenig durchzuatmen.

Innerhalb der Gruppe wurden sechs verschiedene Themen vorbereitet und so ist ein vielfältiges Programm aus Workshops entstanden, was den Tag sehr kurzweilig und spannend machte. Es wurde gerannt, geknobelt, diskutiert, gebastelt, gemessen und unterm Walnussbaum fand die ein oder andere Pantomime statt.


Kaum war der erste Kaffee getrunken, konnten wir beim Futtergehölz-Workshop in verschiedenen Stationen vom Memory bis zum Wettlauf zum Beispiel lernen, wie man Futterlaub am besten anbietet und welche Gehölzarten sich für welche Tiere besonders gut eignen. Im Input zu Biomasseproduktion und Kohlenstoffspeicherung wurde es kurz etwas mathematischer und wir haben uns daran versucht, das gespeicherte CO2 in einem Baum zu berechnen. Vor der Mittagspause haben wir uns dann noch mit der Frucht- und Nussproduktion in Agroforstsystemen beschäftigt und von der Standortwahl bis zur Vermarktung in verschiedenen Stationen gemeinsam gelernt.


Der Nachmittag startete dann mit regenerativer Landwirtschaft, hier hatten wir schon auf den Betrieben einiges gehört und konnten ein paar Tools wie zum Beispiel Komposttee nochmal genauer unter die Lupe nehmen. Es wurde viel diskutiert und unsere eigenen Erfahrungen ausgetauscht. Beim Workshop zum Holistischen Weidemanagement wurden zwei Betriebe verglichen, die in Brandenburg bzw. der Schweiz Mob Grazing betreiben, wobei der Fokus auf dem Parasitenmanagement lag. Bei der letzten Gruppenarbeit zum Thema Gehölzpflege konnten wir nochmal kreativ werden und Plakate zur Pflege von Wertholz-, Energie-, Frucht-, und Doppelnutzung erstellen.


Nach dem langen Tag mit vielen verschiedenen Themen starteten wir dann ins wohlverdiente Wochenende. Einige zog es zum Gaucklerfest nach Lenzburg, wo wir quasi vor der Haustür Feuershow, Konzerte und Akrobatik bestaunen konnten. Der Sonntag verlief für die meisten eher ruhig, am See in Zürich oder Luzern, im Pfadiheim, eigenen Ausflügen oder für die Schweizer*innen auch daheim.


Montag, 18.08.2025

Wenn beim Frühstück bereits über Agrarpolitik und das Dilemma von Ökologie und Versorgungssicherheit diskutiert wird, kann man sich sicher sein, dass man nach dem Wochenende wieder in die Summer School der ZHAW und HNEE gefunden hat. Es zeigt aber auch, dass die Studierenden hier nicht auf der Suche nach einem 9 to 5 Job sind, sondern die Motivation einiges weiter reicht.


Der Einstieg in die neue Woche wird uns auf vielerlei Weise versüßt Blumen auf den Tischen, eine Musikempfehlung im Chat (Bäume – TheDorfs) und natürlich die Bündner Nusstorte mit Schweizer Baumnüssen, direkt aus dem Kanton Graubünden. Danke Nina! Passend dazu betont Christa in ihrem Input als Erstes die Wichtigkeit der sozialen Komponente in Agroforstsystemen. Menschen arbeiten gerne unter, zwischen oder neben Bäumen. Während das Waldbaden in Japan schon lange als Therapieform anerkannt ist, merken wir langsam: «Bäume gehören nicht nur in den Wald» Nein: «Wir brauchen Bäume überall».


In den Inputs von Mareike und Christa geht es dann aber doch wieder um die ökonomischen und ökologischen Aspekte in Agroforstsystemen. So erzählt uns Christa wie Biodiversität in Agroforstsystemen gemessen, beobachtet und gefördert werden kann. Der beliebteste Satz unter Naturwissenschaftlern gilt aber auch hier: «It depends on…» Denn Agroforstsysteme sind nicht per se biodiversitätsfördernd. Wie immer kommt es auf den Kontext an. Das Thema von Mareikes Input zur Wertholzerziehung lässt vermuten, dass es um knallharte Ökonomie und Kosten-Nutzen-Rechnung geht. Doch wenn man sich die Prinzipien von Alex Shigo anhört die da sind: Erneuern, Entlasten, in Würde sterben lassen und erst dann Entfernen, und bedenkt, dass der optimale Agroforst aus einigen jungen Bäumen, vielen produktiven Bäumen im Vollertrag und  einigen alten Bäumen  besteht, erinnert das stark an das Zusammenleben von uns Menschen.


Früher wurden dann auch Bäume etwas zu sehr vermenschlicht und es wurden chirurgisch anmutende Eingriffe an ihnen durchgeführt. Zum Glück ist man davon wieder abgekommen und behandelt die Bäume heute ohne Paste und ihrem Wesen entsprechend.


Nach einer langen wohltuenden Mittagspause begeben wir uns zum Hof Adlerzart in Oberrüti. Pirmin Adler bewirtschaftet hier allein 22 ha. Seit einigen Jahren legt er kontinuierlich Futterhecken an, die er für die Einstreu, vor allem aber für die Fütterung seiner 55 Limousin-Rinder und der Zweinutzungshühner benutzt. «Bei Agroforst geht es nicht einfach ums Bäume pflanzen.» betont Pirmin. «Es geht ums System.» Bäume in der Kulturlandschaft sorgen für sauberes Wasser, saubere Luft, sie spenden Schatten, tragen zur Verdunstung bei, verhindern Erosion, binden Kohlenstoff, können Futter, Wertholz und Früchte produzieren und bieten Lebensraum für Insekten, Vögel und andere Kleintiere. Pirmin weist uns darauf hin, dass wir die soziale Komponente vergessen haben. Agroforst sorgt dafür, dass man sich wohl fühlt bei der Arbeit, bietet Naherholung und sorgt dafür, dass es auch hier schön ist. Aber natürlich ist auch bei Pirmin die Ökonomie knallharte Realität, denn für saubere Luft und gefiltertes Wasser gibt es kein Geld. Daher legt er Jahr für Jahr neue Futterhecken an, pflanzt Bäume, hält mehr Hühner, reduziert die Anzahl Rinder und produziert mehr Ackerkulturen, bis er ein in sich funktionierendes System geschaffen hat. Das ist sein Traum.


Fasziniert hören wir Pirmin zu, wie er uns von den verschiedenen Gehölzen und ihren Inhaltsstoffen erzählt. Es klingt wie eine Drogerie für Rinder. Für jede Krankheit ist eine Hecke gewachsen, oder so. So muss es wohl auch bei Pirmin auf dem Heuboden wie in einer Teemischung riechen. Wir sind froh über den gekühlten Tee!


Etwas Süsses ist an diesem Abend sowieso eine gute Wahl. Einige brauchen sie, um die Wochenendmüdigkeit zu kurieren, andere um den Weg bis Bremgarten unter die Füsse zu nehmen. Denn nicht nur beim Frühstück zeigen wir, wie weit unsere Motivation geht. Was es dafür braucht? Der Traum vom kühlen Nass und einem kalten Bier. Denn egal ob fürs Wandern, Agroforstsysteme anlegen oder sich wohl fühlen: «Wir brauchen Träume überall.»


Gemüseanbau auf dem Mooshof in Lenzburg (© Rebekka Schüttel, 2025)
Gemüseanbau auf dem Mooshof in Lenzburg (© Rebekka Schüttel, 2025)

Dienstag, 19.08.2025

Viele der Menschen, die wir in den letzten Tagen kennenlernen durften, sind Pioniere. Es sind

Menschen, die innovativ sind, etwas wagen und damit den Weg bereiten, für die, die nachkommen.

Um den Pionier unter den Bäumen schlechthin geht es an diesem Morgen. Traian Tudor kommt kaum aus dem Schwärmen heraus, als er uns von der Karelischen Birke erzählt. Sie ist keine eigenständige Art. Ein Gendefekt sorgt dafür, dass ihr Holz von Maserungen durchzogen ist. Eine von zehn Birken weist diese Anomalie natürlicherweise auf. Durch vegetative Vermehrung ist es aber möglich, gezielt Birken mit dieser Maserung zu züchten. Und so ist es möglich, sich eine Wertanlage in den Wald zu holen, denn das Holz der karelischen Birke wird mit bis zu 8000 Franken pro Kubikmeter gehandelt.


Traian kommt eigentlich aus der Informatikbranche und arbeitet im Moment für eine Bank in der Schweiz. Wie wäre es, wenn ihr Finanzberater ihnen nicht sagen würde, wie es um ihren Bitcoin steht, sondern fragen würde: «Wie geht es den Bäumen in ihrem Wald?» Es scheint mir, auch in der Finanzbranche braucht es Pioniergeist.


Birken indes sind nicht nur wertvoll, wenn ihr Holz eine Anomalie aufweist. Als Pionierbaumart besiedeln sie schnell Gebiete, die durch Wasser, Feuer oder Wind gestört wurden. Sie wachsen schnell und durchwurzeln den Boden. Sie sorgen dafür, dass Humus und Wasser für andere Baumarten vorhanden sind. Das ist nicht nur im Wald nützlich, sondern vielleicht ja auch im Agroforst wo Pionierbaumarten wie Weide, Pappel oder eben Birke eingesetzt werden könnten. Auch an der HNEE spürt man den Pioniergeist. Agroforstsysteme auf sandigen Böden, wenn das keine verrückte Idee ist. Betriebe mit über 1000 ha, da können wir Schweizer nur die Köpfe schütteln. Aber Not macht erfinderisch. Das zeigt auch die Baumschule Resilia, die das Air Pruning anwendet. Das junge Team setzt die Wurzeln durch einen speziellen Plastikbehälter gezielt der Luft aus. Die Methode sorgt dafür, dass sich die Wurzeln nicht im Kreis drehen müssen, sondern schlussendlich bei der Pflanzung in ihrem Wachstum angeregt werden.


Auch Roboter sollen in Zukunft Wegbereiter sein. Denn glücklicherweise haben wir den Wert von Vielfalt und Diversität mittlerweile erkannt. Doch die sozialen Strukturen haben sich verändert und in der Landwirtschaft fehlen die Hände und das Wissen, die nötig wären, um die wertvollen, hochkomplexen und vielfältigen Systeme zu pflegen. Robotik, KI und Technologie sind Werkzeuge, die wir brauchen können und auch müssen, wenn wir mit weniger Händen mehr Vielfalt schaffen wollen.


Am Nachmittag besuchen wir Lukas auf dem Mooshof. Er hat von der Pionierarbeit anderer profitiert und leistet nun seinen Beitrag, indem er den Weg geht, den andere bereitet haben. Mit Hofschlachtung, Biogemüse, reduzierter Bodenbearbeitung, Süssmais, Lupine und einer zehnjährigen Fruchtfolge bewirtschaftet er rund 30 ha direkt auf und um den Schlosshügel von Lenzburg. Im Stall streut er auch mal Pflanzenkohle, um das Ammoniak zu binden und auf seinem Acker darf auch noch ein Unkraut stehen, wenn dafür seine Familie nicht zu kurz kommt. Seine Produkte vermarktet er direkt ab Hof, auf dem Markt in Lenzburg oder via einer Solawi. Dank der Mithilfe der Zivis und Praktikanten von der ETH dürfen wir eine mustergültige Q2-Wiese mit Neuntöter, Thymian, Salbei und Wiesenknopf hinaufsteigen. Oben angekommen erwartet uns nicht nur eine fantastische Aussicht, sondern bald auch der Grillplatz.


Wie bei den Bäumen im Wald sind auch bei uns verschiedene Stärken auszumachen. Da sind die jungen dynamischen, die vorpreschen, um Wasser und Nahrung für die anderen herbeizuschaffen. Andere, die Struktur geben und das Zusammenleben organisieren. Sie geben Halt und sorgen dafür, dass nicht das ganze System zusammenbricht, wenn einige zu schnell und andere zu langsam unterwegs sind. Viele sind es, die von den Wegbereitern profitieren, sich gemütlich installieren. Indem sie konsumieren und verstoffwechseln, sorgen sie dafür, dass die Arbeit der anderen nicht umsonst war. Und dann gibt es da noch die alten Weisen. Mit Rat und Tat stehen sie den jüngeren zur Seite. Indem sie ihre Erfahrung und ihr Wissen mit den jüngeren Teilen, sorgen sie dafür, dass das Leben weitergeht sowohl im Wald als auch unter uns Menschen.


Wir sind in dieser Woche zu einer kleinen Klimax Gesellschaft herangewachsen, haben einander besser kennengelernt, viel voneinander profitiert und geniessen nun zusammen die Aussicht. Vielen Dank.


Aussicht am Abschlussabend der Summer School mit gemütlichem Beisammensein. (© Nikolai Kanow, 2025)
Aussicht am Abschlussabend der Summer School mit gemütlichem Beisammensein. (© Nikolai Kanow, 2025)


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