Ein Gastbeitrag von Jannika Schlieker
Am Freitag, den 25.11.2022 fand der erste Aktionstag zur Gemeinwohlverpachtungs-Kampagne der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) statt. In ganz Deutschland standen Menschen vor den Rathäusern und Ämtern ihrer Kommune, um dort ihre Forderungen nach einer gemeinwohlorientierten Verpachtung von kommunalem Land abzugeben.
Auch wir von der jungen AbL Eberswalde waren mit Aktionen in Eberswalde und Angermünde beteiligt. Obwohl der Bürgermeister in Eberswalde sich keine Zeit nehmen wollte, mit uns ins Gespräch zu kommen, organisierten wir eine Protestaktion, die von mehr als vierzig Menschen besucht wurde. In Angermünde konnten wir unsere Forderungen gemeinsam mit anderen Junglandwirt*innen an den Bürgermeister übergeben. Durch die Aktionen soll die Relevanz und der Diskussionsbedarf deutlich gemacht werden, über die Vergabe von Land zu sprechen und diese transparenter zu machen: Die Verteilung landwirtschaftlicher Flächen muss unter gemeinwohlorientierten Kriterien erfolgen, weil bäuerliche Betriebe unter aktuellen Bedingungen wie den hohen Pachtpreisen strukturell benachteiligt sind.
Bäuer*innen haben extreme Hürden zu überwinden, um an landwirtschaftliche Flächen zu gelangen und diese auch langfristig nutzen zu können. Im Unterschied zu den meisten Berufen reicht die Qualifikation zum/zur Landwirt*in nämlich nicht immer aus, um in die berufliche Praxis zu gehen oder sich eine Existenz aufzubauen zu können.
Nur in wenigen Fällen sind Landwirt*innen in der privilegierten Position, Flächen zu erben. Den Kaufpreis für landwirtschaftliche Flächen kann sich kaum ein*e Landwirt*in leisten, über die Hälfte der Agrarflächen Deutschlands gehören inzwischen Nichtlandwirt*innen und Finanzinvestor*innen, die die Preise weiter in die Höhe treiben.
Zudem stehen die Preise für Boden in keinem Verhältnis mehr zu den erzielbaren Erlösen aus der Landwirtschaft. Ein Großteil von Landwirt*innen ist deshalb darauf angewiesen, Pachtverträge mit den Flächeneigentümer*innen einzugehen.
Mit den Pachten verhält es sich wie mit den Mieten, sie steigen!
Pächter*innen sind zudem abhängig von Nutzungsbedingungen der Verpächter*innen. Beispielsweise können Dauer und Art der Nutzung beliebig eingeschränkt werden, wodurch eine langfristige Planung sehr erschwert wird.
Diese strukturellen Probleme, die insbesondere für Junglandwirt*innen und Existenzgründer*innen bezahlbaren Zugang zu Agrarflächen erschweren, gefährden die Vielfalt und Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in Deutschland. Daran möchte die Kampagne zur Gemeinwohlverpachtung anknüpfen. Für eine klare und transparente Vergabe von Flächen haben wir einen Kriterienkatalog erstellt, welcher potenzielle Pächter*innen nach ihrer Gemeinwohlleistung einordnen kann. Die Kriterien werden jeweils mit Punkten versehen und bieten somit ein Verfahren zur Pachtvergabe, das für die Verwaltungen sehr einfach zu handhaben ist. Beispiele für solche Kriterien sind durchschnittliche Schlaggrößen, ökologische Bewirtschaftung, Tierwohl, Arbeitsbedingungen und viele mehr. Die zu verpachtende Fläche erhält somit nicht mehr die Person, die am meisten bieten kann, sondern deren Bewirtschaftungskonzept dem Gemeinwohl dient.
Ländliche Regionen attraktiv machen und einen substanziellen Beitrag zur lokalen Wirtschaft leisten? Gemeinwohlorientierte Landwirtschaftsbetriebe machen’s möglich!
Landwirtschaftliche Flächen spielen eine tragende Rolle in der Gestaltung unserer Lebensrealität, unter anderem durch ihren strukturbildenden Einfluss auf das Landschaftsbild. Silomais, Silomais, Silomais, bis zum Horizont. Daneben Mastbetriebe, bei denen Verbraucher*innen Tiere so selten sehen, wie diese das Tageslicht? Oder lieber kleinere Ackerschläge mit vielfältigen Kulturen und Tieren auf großflächigen Weiden? Diese vermeintlichen Banalitäten hängen stark damit zusammen, wem das Land gehört und wie es genutzt wird. Anhand unserer gemeinwohlorientierten Kriterien (s. oben) wird das deutlicher.
Zusätzlich kann eine kleinstrukturierte Landwirtschaft einen engeren Kontakt zwischen Landwirt*in und Verbraucher*innen wieder ermöglichen. Dadurch würden Lieferketten verkürzt und die Lebensmittelversorgung könnte wieder unabhängiger vom globalen Markt funktionieren. Diese Entwicklung würde auch den Landwirt*innen wieder mehr Einkommenssicherheit gewährleisten. Vielen Kommunen sind sich ihres Gestaltungspotenzials, durch die Vergabepraxis der Pachtflächen überhaupt nicht bewusst. Auch darüber soll die Kampagne aufklären.
Protestaktion jAbL (Fotos: ©Carla Ulrich)
An unserem Aktionstag konnten wir in ganz Deutschland unseren Kriterienkatalog an Bürgermeister*innen und Amtsleiter*innen überreichen. Die Debatte auf kommunaler Ebene konnte so erfolgreich angestoßen werden (Medien aus Brandenburg, Leipzig und Thüringen berichten) und wird auch in Zukunft weitergeführt. Der Großteil landwirtschaftlicher Flächen liegt jedoch nicht mehr in öffentlicher Hand und der Aktionstag war nur der Anfang. Die Fragen danach, wem der Boden eigentlich gehört und wer ihn unter welchen Bedingungen in Zukunft bewirtschaften soll, gehen über die Verpachtungskriterien hinaus.
Eine lebenswerte Zukunft in der Landwirtschaft - Das bedeutet für uns als Junglandwirt*innen, dass landwirtschaftliche Flächen an Betriebe vor Ort verpachtet werden, die mit ihrer Art der Bewirtschaftung gesunde Nahrungsmittel erzeugen, Tierwohl-, Umweltschutz- und Naturschutzleistungen erbringen, Arbeitsplätze schaffen und in der Region vermarkten.
Gemeinwohlorientiert statt Profitorientiert!
Hier erfahrt ihr mehr über die Arbeit der jungen AbL.
Wer mal reinschnuppern möchte, schreibt eine Mail an junge-AbL@hnee.de oder kommt bei einem Treffen vorbei!
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