Ein Gastbeitrag von Laura Hübner und Nikolai Scharsich
Das Modul „Existenzgründung in der Landwirtschaft“ wird sowohl für ÖLV*innen, als auch für ÖAMer*inner von Dr. Marianne Nobelmann angeboten und fand dieses Jahr vom 5. bis zum 10. Juli in Präsenz statt. Eigentlich handelt es sich um ein Modul aus dem Wintersemester, aufgrund der hohen Nachfrage, des Engagements zweier Studierender und der Bereitschaft Marianne Nobelmanns wurde es dieses Jahr ein zweites Mal angeboten. Über das vielfältige Programm mit spannenden Gästen und vielen Möglichkeiten des Einbringens eigener Ideen und Visionen berichten wir ganz frisch (bevor das Lernen auf die Prüfungen unsere Gehirne wieder mit anderem Input versorgt).
Tag 1 // Selbstklärung und Orientierung
Gespannte Erwartung liegt an diesem ersten Morgen in der Luft. Ab 8 Uhr trudeln nach und nach die 20 Teilnehmenden ein, für viele ist es ein schönes Wiedersehen mit den Kommiliton*innen, einige sehen sich zum ersten Mal. Für alle ist es eine große Freude, eine ganze Woche mit den Mitstudierenden in Präsenz verbringen zu dürfen (bis kurz vor der Veranstaltungswoche war noch nicht klar, ob das mit der Präsenz wirklich klappt).
Und dann geht es auch schon los: Zuerst einmal sollten wir uns selbst den Spiegel vorhalten. Mithilfe von neun sogenannten „Karriereankern“ konnten wir unseren jeweils individuellen Werten, Motiven und Fähigkeiten auf den Grund gehen. Dies sorgte für ein besseres Verständnis für unsere bisherigen beruflichen und auch persönlichen Entwicklungen und Entscheidungen. In Form eines Selbsttests mutete diese Übung anfangs zwar ein wenig merkwürdig an, es stellte sich jedoch heraus, dass sich die meisten von uns in den Ergebnissen wiedererkennen konnten. Nachdem wir unsere bisherigen Lebensprofile reflektiert, Höhen und Tiefen ausfindig gemacht und Diamanten (Stärken, Fertigkeiten und Erfahrungen, die uns in schwierigen Phasen besonders geholfen oder die wir in Hochphasen besonders genutzt haben) identifiziert hatten, folgte ein Blick in die Glaskugel und die Frage: Welche Bilder sehen wir, wenn wir an unsere Zukunft denken?
Begriffsklärung im Rahmen der Einführung, Foto Credits: Laura Hübner
Tag 2 // Gründungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle
Der zweite Tag begann mit einem sogenannten Nachtfang, in dem wir berichten konnten, welche Gedanken zum letzten Tag uns noch durch den Kopf gegangen sind oder wovon wir geträumt haben. Da es heute theoretischer werden sollte, starteten wir mit einer Begriffserklärung. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Existenzgründung und Entrepreneurship, das heutzutage in aller Munde ist? Wir hörten von „schöpferischer Zerstörung“ und dem „Schritt vom kleinen u zum großen U“, den es zu erleichtern gelte, da es von „etwas unternehmen“ hin zu „einem Unternehmen“ gar nicht so weit sei. Dann ging es um verschiedene Gründungsmöglichkeiten und jeweilige Chancen, Risiken und Schritte bei Neugründung, Übernahme oder tätiger Beteiligung. Außerdem wurden verschiedene Konstellationen evaluiert: Welche Vor- und Nachteile hat es ein Unternehmen alleine, als Paar/Familie oder als Gemeinschaft aufzuziehen? An dieser Stelle wurden verschiedene Sichtweisen deutlich und es gab Raum für kontroverse Diskussionen. Im zweiten Teil des Tages hatten wir die Möglichkeit, eigene Geschäftsmodelle mithilfe des sogenannten „Business Model Canvas“ zu entwerfen. Wir bearbeiteten auch real existierende Ideen, darunter ein genossenschaftlicher Regionalsupermarkt, ein ländliches Ernährungsbildungsangebot, ein Agroforstbetrieb und eine Agrarökologieschule.
Am Nachmittag kam Gastdozent Jan Gröner, Unternehmensberater und Coach bei der Bioland-Beratung in Hessen dazu, der uns die nächsten beiden Tage mit zusätzlicher Expertise und Perspektive begleiten sollte. Zum Abschluss des Tages hörten wir noch einen Input von Basti vom KoBaMugasmus in Eberswalde, der uns von seinen Erfahrungen aus der eigenen Gründungszeit berichtete.
Konzentrierte Arbeitsatmosphäre, Foto Credits: Laura Hübner
Tag 3 // Finanzplanung und Finanzierung
Der O-Ton des heutigen Nachtfangs war die Freude darüber, wie viele Ideen für einen gesellschaftlichen Wandel und Mehrwert eigentlich existieren und dass mit dem Austausch in diesem Seminar auch seit langem mal wieder etwas gegen das Gefühl der Hoffnungslosigkeit getan wurde, dass sich vor allem während der vorangegangen Corona-Semester bei einigen breit gemacht hatte.
Dieses Mal hatten wir Lydia Kramer (ÖAMerin aus dem 2. Sem.) und ihren Partner Friedrich Rosenthal vom Ökohof Fläming zu Gast. Die beiden befinden sich gerade ganz am Anfang eines Übernahmeprozesses und legten uns ihre Ideen, ungeklärten Fragen und sogar betriebswirtschaftliche Kennzahlen offen. Gemeinsam machten wir eine SWOT-Analyse, um die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken für die weitere Betriebsentwicklung zu identifizieren. Durch die Offenheit der beiden konnten wir ein gutes Gefühl dafür bekommen, was Menschen in der Gründungszeit umtreibt, aber auch, welche Motivation und Inspiration dahintersteckt. Im zweiten Teil des Tages bekamen wir noch Besuch von Kirstin Ott von der GLS-Bank aus Berlin. Sie teilte Erfahrungen und Tipps zur Finanzierung mit uns und verschaffte uns einen Einblick, worauf eine Bank bei einer Anfrage achtet und was begünstigend auf eine Kreditzusage wirken kann. Eine wesentliche Erkenntnis dieses Tages: Steuerberater*innen sind wichtig.
Tag 4 // Exkursion nach Blankenfelde
Am vierten Tag stand eine Exkursion auf dem Programm. Wir trafen uns um 10 Uhr vor dem Bauernhof Blankenfelde südlich von Berlin. Käserin Sabina Lischka nahm uns dort in Empfang und stellte ihr Konzept der Hofkäserei vor. Sie berichtete uns von ihrem Weg als Quereinsteigerin aus der Architektur kommend, hin zu einem Leben auf dem Bauernhof. In Blankenfelde betreibt sie sowohl die Käserei, als auch einen kleinen Hofladen, in dem sie neben dem eigenen Käse zugekaufte Produkte vom Hof und darüber hinaus vermarktet.
Volker, der Landwirt des kleinbäuerlichen Betriebes, übernahm anschließend die Vorstellung des Hofes und seiner Entstehungsgeschichte. Er und sein Partner betreiben den Hof bereits seit über 11 Jahren. Aus seinen Erzählungen wurde deutlich, dass das Gründen und Aufbauen einer solchen Existenz kein Spaziergang ist. Mit mahnenden Worten appellierte er an uns Gründer in spe es sich gut zu überlegen.
Der anschließende Hofrundgang zeigte dann allerdings doch auch die schönen Seiten des kleinbäuerlichen Lebens auf. Der idyllische Vierseiten-Hof ist umgeben von einer Weide, auf der die Kälber der Jersey-Herde beheimatet sind. Die zarten Annährungsversuche eines Kalbs ließen den einen oder die andere glatt dahinschmelzen. Zudem werden Hühner, Gänse und Schweine gehalten um dem Ansatz des „geschlossenen Kreislaufs“ im Ökolandbau gerecht zu werden. Abschließend deckten wir uns noch reichlich mit Leckereien im Hofladen ein und traten dann die anderthalbstündige Heimreise an.
Exkursion zum Bauernhof Blankenfelde, Foto Credits: Nikolai Scharsich
Tag 5 // Rechtsfragen & Formalitäten
Der Freitag begann, wie jeder Tag, mit dem Nachtfang und es zeigte sich, dass wir immer noch unter dem Eindruck der Exkursion und den dortigen Erlebnissen standen. Anschließend stellte Frau Nobelmann zwei Modelle unternehmerischer Prozesse vor – die „linear-kausale Logik“ und das „Dynamisches Effectuation-Modell“.
Dann besuchte uns Matti vom Wir Garten aus Lüneburg. Sein Vortrag über das genossenschaftliche Geschäftsmodell des Wir Gartens sorgte für viel Gesprächsstoff in der anschließenden Mittagspause und machte Mut, sich doch ernsthaft mit einer Gründung in der Landwirtschaft auseinanderzusetzen. Denn bislang wurden wir in dieser Woche aus unseren Träumereien gerissen und einem Reality Check unterzogen :)
Der Tag endete schließlich mit dem Modell des Gemeinschafts-Kompasses, welches Gründungs-Teams dabei unterstützt gemeinsame Werte und Vorstellungen zu entwickeln und zu bündeln.
Tag 6 // Gründungs-Ökosystem und Abschluss
Der letzte Tag, der Samstag, war viel zu schnell gekommen. Die vollgepackte Woche war wie im Flug vergangen. Und so wurden die letzten gemeinsamen Stunden vor allem zur Reflektion genutzt. Per „U-Journaling“ setzten sich alle Teilnehmenden noch einmal mit zentralen Fragen zu ihrer Persönlichkeit auseinander. Darüber hinaus konnte jede*r der*die wollte ein persönliches Feedback zur Woche geben. Zu guter Letzt gab Frau Nobelmann uns noch eine Fülle an Informationen zu Netzwerken, Anlaufstellen und Unterstützung für landwirtschaftliche Gründer*innen mit auf den Weg.
Gemeinsamer Abschluss, Foto Credits: Nikolai Scharsich
Nach Abschluss des inhaltlichen Programms bestellten wir bei KoBaMugasmus ultra-leckeres Essen und genossen dieses gemeinsam auf dem Campus in der Sonne. Es fiel uns nicht leicht, uns zu verabschieden. Denn jeden Tag hatten wir uns von morgens bis abends gesehen und nun sollten wir schon am Nachmittag nach Hause - Na dann lieber noch nen Kaffee zusammen, oder?
Und es wird gemunkelt, dass die ein oder der andere noch bis spät in die Nacht verweilten, um an Plänen zur Existenzgründung zu schmieden.
Noch mal ein herzliches Dankeschön an Marianne Nobelmann an dieser Stelle für die wunderbare Woche, die vielen Erkenntnisse und den tollen Input!!
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