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Orte in Eberswalde: Globus Naturkost

Aktualisiert: vor 1 Tag

1994, also vor mehr als 30 Jahren, muss Eberswalde noch ganz anders ausgesehen haben. Die Wiedervereinigung war erst vier Jahre her und die neugegründete HNEE gerade mal zwei Jahre alt. Die Stimmung könnte – wie auch in vielen anderen Teilen der neuen Bundesländer – zwischen Aufbruch und Aussichtslosigkeit geschwankt haben, vermutlich je nachdem, wen mensch fragt.


Die Anfänge von Globus Naturkost

In der Aufbruchsstimmung entstand 1994 ein Laden, der wohl eine Mischung aus Reformhaus, Regionalladen und Spielwarengeschäft war. Ein Jahr später zog es Heidi und Torsten Pelikan in die Stadt, um an der jungen HNEE Naturschutz zu studieren. Da der „Mischmasch“- Laden von Matthias Tavernier nicht so richtig lief, bot er Torsten die Übernahme des Geschäftes an. So kam es, dass Heidi und Torsten ab 1998 neben ihrem Studium ihren eigenen Laden mit zwei Mitarbeitenden führten – und, wohl auch aufgrund ihrer guten Kontakte an der HNEE, von Anfang an schwarze Zahlen schrieben. „Wir haben es aus ideologischen Gründen übernommen. Unser Motto ist jetzt immer noch: Jeden Tag ein bisschen die Welt retten. So hatten wir ein bisschen Einfluss darauf, was in Eberswalde insgesamt verkauft wird, was wir unterstützen und fördern können,“ erinnert sich Torsten.


„Müsli esse ich nicht, und Salat habe ich selbst zuhause“ mussten sich die „Ökospinner*innen“ in der Anfangszeit öfter anhören. Nicht jede*r wollte wissen, was der Globus wirklich

anbietet, aber diejenigen, die Heidi und Torsten zuhörten, ließen sich oft von der Qualität überzeugen und vertrauen mittlerweile auf ihr kulinarisches Gespür. Spätestens seit der BSE- Krise wissen auch viele anfängliche Öko-Verweigerer die Qualität des Globus Sortiments zu schätzen.


Wachstum mit Geschmack: Der Käse zieht Kreise

2001 wurde eine Käsetheke in den Laden integriert: „Da haben sie uns wirklich die Bude eingerannt, das ist völlig abgefahren, wie groß der Bedarf an Käse hier war, den kein anderer abgedeckt hat. Wir haben jetzt eine fünf Meter lange Käsetheke, da sind etwa 120 verschiedene Sorten Käse drin, und wir verkaufen im Monat etwa eine Tonne Käse. Das ist unser Zugpferd schlechthin, da kommen die Leute wirklich aus dem Umkreis von 40 Kilometern hierher, aus Wriezen, Bad Freienwalde, Schwedt.“


2015 wächst mit dem Erfolg der Vision auch die Ladenfläche und Globus Naturkost zieht auf 350 m² in die Michaelisstraße 10 um, den heutigen Standort des Geschäfts. Über 30 Mitarbeitende sorgen dort jeden Tag dafür, dass der Laden läuft. Neben dem Verkauf von Bio-Lebensmitteln gibt es einen täglichen Mittagstisch, vegetarisches Catering für bis zu 350 Personen und einen Stand für Käse und Wurstwaren auf dem Eberswalder Wochenmarkt.


(© Caroline Huber)


Haltung zeigen statt Preise drücken

Torsten betont in unserem Gespräch, dass bei Globus, im Gegensatz zu anderen Bio-Läden, keine günstigen Bio-Produkte, also sog. Preiseinstiegsprodukte, angeboten werden. „Das machen wir bewusst nicht, weil ich weiß, entweder ist es auf Kosten der Umwelt oder auf Kosten des Menschen und beides finde ich nicht gut!“ Er will keine Preise drücken, sondern lieber partnerschaftlich und am liebsten mit regionalen, handwerklich arbeitenden Hersteller*innen kooperieren und nimmt dafür die hohen Preise für die Produkte in Kauf. Doch nicht nur die klassischen Ökos werden mit den Einkaufskriterien bedient. Der Geschmack der Produkte ist ebenso wichtig, um ins Sortiment aufgenommen zu werden, sodass manche Gourmets im Globus einkaufen, OBWOHL es ein Bio-Laden ist. Achselzuckend kommentiert Torsten: „Müssen sie halt durch, wir machen das nicht anders!“


Ein freier Laden im Zeitalter der Ketten

Dass das Konzept heute noch funktioniert, ist nicht selbstverständlich. In Berlin sind von ehemals ca. 140 Inhaber*innen geführten Bio-Märkten nur noch ca. 25 übrig. Den Großteil des Marktes teilen sich nun, ähnlich wie im konventionellen LEH, die drei großen Ketten Denns, Alnatura und BioCompany unter sich auf. Eberswalde stand zwar schon auf der Fahndungs-Liste von Denns, aber glücklicherweise haben sie noch keine passende Immobilie gefunden. Doch dass es Globus, im Gegensatz zu vielen anderen kleinen Läden, noch gibt, ist nicht nur dem Standort Eberswalde zu verdanken.


Die Kund*innen bleiben dem Laden besonders treu. Weder die Corona-Pandemie noch die Preissprünge aufgrund des Ukraine-Krieges haben die Umsätze negativ beeinflusst. Vielleicht ist es nur Glück, aber wahrscheinlich trägt die konsequente Umsetzung der Werte der Betreiber*innen einen gewichtigen Teil dazu bei. Auch die Zusammenarbeit mit der HNEE ist seit den neunziger Jahren eng geblieben: Es wurden schon viele Praktika und Abschlussarbeiten im Laden absolviert und geschrieben. Der Naturkostladen ist ein tolles, lokales Vorbild für Studis mit eigenen Gründungsideen und immer offen für die Beteiligung an Praxisprojekten oder in Lehrveranstaltungen.


Es ist die direkte Präsenz bei den Menschen, sowohl Lieferanten als auch Kund*innen, die den Globus sehr nahbar und authentisch macht. Die Mitarbeitenden sind immer für einen Schnack zu haben und beantworten Fragen gründlich und mit einem Lächeln im Gesicht. Torsten Pelikan ist ein echtes Kommunikations-Ass: Morgens Fragen und Mails beantworten, nachmittags Hersteller*innen mit neuen Produkten empfangen, zwischendurch Produkte einpflegen und Etiketten erstellen, bei Bedarf für kranke Mitarbeitende einspringen, und am Abend möglicherweise noch ein Catering begleiten. Am meisten Freude bringen ihm die persönlichen Kontakte und die Vielfalt der verschiedenen Aufgaben, doch leider fehlt oft die Zeit, um selbst im Verkaufsgeschäft aktiv zu sein. Doch trotz der vielen Energie zum Gestalten dieses Ortes, ist Torsten selbst mehr als erstaunt, wie Globus Naturkost in den letzten 30 Jahren so groß werden konnte – die Freude darüber sieht mensch ihm aber sofort an!


Zukunft gestalten: laut, frech und visionär

Auch die Zukunft wird schon aktiv gestaltet – und das nach eigenem Empfinden lauter, frecher und unbequemer als früher. Die Ökologie als Thema soll eine gewichtigere Rolle bekommen. Sozial sorgte Björn Wiese bereits für den Anstoß, Geflüchtete als Mitarbeitende im Laden einzubinden. Bald soll die Obst- und Gemüseabteilung umgestaltet und mit einer Kühleinheit versehen werden. Die veganen Artikel werden neu arrangiert und die Café- Ecke noch gemütlicher. Nebenbei laufen dann noch die zahllosen Eberswalder Events die becatert werden wollen! In 10 Jahren wollen Heidi und Torsten in Rente gehen. Die ersten Überlegungen für eine Übergabe wurden schon gemacht und sie schauen sich nach interessierten Menschen um, die die sozial-ökologische Vision von Globus Naturkost auf ihre Art und Weise fortführen wollen. Es bleibt also spannend bei Globus Naturkost!


Übrigens: Studis können bei Globus schon seit 20 Jahren mit 3 % Rabatt einkaufen. Mit der ermäßigten Globus-Karte sind es sogar 13 %. Und falls ihr gern Wein trinkt: Torstens Lieblingsprodukt ist übrigens ein im Barrique gereifter Soave aus Norditalien. Aber denkt an seine Worte: „Lieber bewusst einkaufen als sinnlos konsumieren.“ Wohl bekomm‘s!


(© Caroline Huber)


In der Rubrik „Was macht eigentlich ...?“ erzählen unsere Alumni aus ihrer Zeit während und nach dem Studium. Hier findet ihr weitere Interviews dieser Rubrik.


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