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Brandenburg diskutiert Lösungen zur Abfallvermeidung

Aktualisiert: 11. Jan. 2023

Ein Gastbeitrag von Paula Wörteler

Durch welche Maßnahmen können in Brandenburg Abfallmengen reduziert werden? Welche Rolle spielen Mehrweglösungen? Und bringt die Mehrwegangebotspflicht die Verpackungswende? Diese und viele weitere Fragen wurden am 29.11.2022 beim vom Brandenburger Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) ausgerichteten 3. Brandenburger Forum zur Abfallvermeidung thematisiert. Auch ein HNEE-Projekt lieferte Antworten.


Die Abfallvermeidung ist als wichtigstes Prinzip der Abfallhierarchie im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) verankert. In der Potsdamer Staatskanzlei trafen sich Ende November Vertreter*innen von Unternehmen, Kommunen und privaten Initiativen bis hin zu öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, Verbänden, Vereinen und Hochschulen mit dem Ziel der Vernetzung und des Wissensaustauschs zu diesem Thema.


Eines der zentralen Themen bei der Veranstaltung war die Einsparung von Einwegverpackungsabfall durch die Umstellung auf Mehrweglösungen in der Gastronomie - hier setzt die ab Januar 2023 deutschlandweit geltende Mehrwegangebotspflicht an. Die Regelung – wie Dr. Anika Oppermann (Mehrwegverband Deutschland e.V.) in ihrem Vortrag berichtete - verpflichtet Gastronomiebetriebe und Lieferdienste ab einer Verkaufsfläche von 80 m² und ab fünf Beschäftigten, ihren Kund*innen für Mahlzeiten zum Mitnehmen zusätzlich zu Einwegverpackungen aus Kunststoff und Einwegbechern jeweils auch Mehrwegverpackungen und -becher anzubieten.


Dabei darf die Mehrweglösung nicht teurer sein und es muss (z.B. durch Schilder oder Plakate) deutlich auf deren Verfügbarkeit hingewiesen werden. Ab Januar wird es also sowohl in Brandenburg als auch deutschlandweit voraussichtlich in immer mehr Restaurants die Möglichkeit geben, Einwegverpackungen im To-Go-Bereich zu vermeiden – eine erfreuliche Nachricht! Leider aber kein Selbstläufer, denn die Verbreitung von Mehrwegsystemen ist nicht trivial.

Dr. Anika Oppermann (Mehrwegverband Deutschland e.V.), Prof. Dr. Jens Pape (HNEE) und Franziska Linz (MLUK) auf dem Podium des Abfallvermeidungsforums (vlnr.) (Foto: Lena Wagner)

Wie gelingt die Verbreitung von Mehrwegsystemen? Regionale und skalierbare Mehrwegsysteme sind wirkungsvolle Lösungen zur Verpackungsvermeidung, nicht nur in der Gastronomie. Die am Fachgebiet Nachhaltige Unternehmensführung in der Agrar- und Ernährungswirtschaft der HNEE angesiedelte, von Paula Wörteler koordinierte und vom MLUK geförderte „Beratungs- und Vernetzungsstelle Verpackungsreduktion in Brandenburg“ (BVVB) arbeitet daran, die Etablierung und Nutzung solcher Lösungen entlang von Lebensmittel-Wertschöpfungsketten in Brandenburg voranzubringen.


Auf dem Abfallvermeidungsforum war die BVVB mit einer Präsentation sowie einem Vernetzungstreffen vertreten. In seinem Vortrag stellte Prof. Dr. Jens Pape eindrücklich die Aktivitäten vor, die die BVVB in den letzten Monaten in drei Schlüsselbereichen (1. Infrastruktur für Sortierung, Rückführung und Reinigung, 2. Gemeinschafts- und Senior*innenverpflegung und 3. Supermärkte) bereits umsetzen konnte.


Im Rahmen der ersten beiden Schlüsselbereiche unterstützt die BVVB Brandenburger Unternehmen bei der Etablierung von Spülpartnerschaften beziehungsweise beim Umstieg von Einweg zu Mehrweg.


Hinter den Spülpartnerschaften steht die Idee, ungenutzte Spülinfrastruktur durch die Schaffung neuer Spüldienstleistungen für die Reinigung von Mehrwegbehältern nutzbar zu machen. „Trotz vielfacher Herausforderungen (u.a. hohe Behältervielfalt und Hygieneanforderungen sowie Platzbedarfe, Personalmangel und steigende Energiekosten) konnten durch die Vernetzung bereits mehrere Pilotprojekte auf den Weg gebracht werden“, so Jens Pape. Die Begleitung dieser Piloten und der Austausch mit der Praxis und weiteren Expert*innen ermöglicht es dem Projektteam der BVVB, an praktikablen und skalierbaren Lösungen für die oben genannten Hürden zu arbeiten.


Ein weiteres Projektergebnis der BVVB ist ein Leitfaden namens „Mehrweg statt mehr Müll“, den das Projektteam in Kooperation mit der Klimaschutzoffensive des Deutschen Handelsverbandes (HDE e.V.) und dem Mehrwegverband Deutschland e.V. erarbeitet hat und der im Januar veröffentlicht wird. Zielgruppe sind Ladner*innen und Filialist*innen des Lebensmitteleinzelhandels – ihnen werden in dem Dokument praktikable und erprobte Maßnahmen zur sinnvollen Umsetzung von Mehrweglösungen und zur Verpackungsreduktion in verschiedenen Anwendungsbereichen zur Verfügung gestellt – Handlungsempfehlungen gibt es für die B2B-Belieferung über den Backshop bis hin zur Unverpacktabteilung.


Auch sind im Leitfaden in Form eines Merkzettels Hilfestellungen für Gespräche mit Kund*innen über Mehrwegsysteme enthalten, sodass diese möglichen Fragen und Unsicherheiten direkt im Austausch mit dem Ladenpersonal klären können.


Vernetzung und Blick in die Zukunft Das ans Abfallvermeidungsforum angegliederte BVVB-Vernetzungstreffen war das zweite seiner Art und konnte, ungleich dem ersten vor einem Jahr, dieses Mal in Präsenz stattfinden. Die anwesenden Mitglieder des BVVB-Netzwerks waren Akteur*innen, die sich aus verschiedensten Perspektiven mit dem Thema Mehrweg beschäftigen – nämlich aus der Sicht des Brandenburger Gesundheits- und Sozialministeriums sowie der des Clusters Ernährungswirtschaft Brandenburg, der IHK, der Deutschen Umwelthilfe, eines Vereins zur nachhaltigen ländlichen Entwicklung und zweier Mehrwegsystem-Anbieter sowie des Mehrwegverbands Deutschland.

Die Teilnehmenden des 2. BVVB-Vernetzungstreffens (vlnr.): Prof. Dr. Jens Pape (HNEE), Lena Wagner (PFABO GmbH), Veronika Pfender (dotch GmbH/Mehrwegverband Deutschland e.V.), Jennifer Runge (MSGIV), Dr. Detmar Leitow (Cluster Ernährungswirtschaft), Theresa Grabmeier (DUH), Niklas Domke (HNEE) und Florian Gillwald (IHK Potsdam) (Foto: Privat)

Jens Pape und Niklas Domke blickten gemeinsam mit den Teilnehmenden auf die im Projekt identifizierten Schlüsselbereiche sowie die bisher umgesetzten Maßnahmen und entsprechenden Projektergebnisse. Besonders intensiv diskutiert wurde das Themenfeld der Infrastruktur für Sortierung, Rückführung und Reinigung von Mehrwegbehältern. Warum es hier Handlungsbedarf gibt? Ganz einfach: Diese Infrastruktur ist bisher auf die etablierten Mehrweg-Primärverpackungen ausgerichtet, nämlich auf jene für Getränke und Molkereiprodukte.


In Zukunft sollen aber auch für viele weitere Produktgruppen vermehrt Mehrwegverpackungen genutzt werden – zum Beispiel für Mahlzeiten zum Mitnehmen (siehe novelliertes deutsches Verpackungsgesetz mit seiner Mehrwegangebotspflicht) und im Warentransport (siehe die EU-weiten Mehrwegquoten im neuen Entwurf der EU-Verpackungsverordnung).


Damit die Nutzung von immer größeren Mengen an immer diverseren Mehrwegverpackungen effizient funktionieren kann, braucht es die entsprechende Infrastruktur. Aktuell müssen Unternehmen, die in Mehrweg abfüllen möchten, meist Insellösungen für die Spülung und Behälter-Rückführung entwickeln. Dies führt zum folgenden, von Niklas Domke wie folgt beschriebenen Status Quo: „Die fehlende Infrastruktur ist ein großes Hemmnis für Unternehmen, überhaupt in Mehrwegsysteme einzusteigen“.


Fazit

Zurück zur Mehrwegangebotspflicht – wird diese jetzt nicht sowieso dazu führen, dass die Zeiten der Einwegverpackungen für Getränke und Essen zum Mitnehmen bald vorbei sind? Und ist dann nicht schon ein riesiger Schritt getan?


Die Inputs und Diskussionen beim 3. Brandenburger Abfallvermeidungsforum haben gezeigt, dass es leider so einfach dann doch nicht ist. Zwar ist die Mehrwegangebotspflicht ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber sie reicht alleine nicht aus, um Mehrweg im To-Go-Bereich zum neuen Standard zu machen. Warum nicht? Die Pflicht enthält einerseits Ausnahmen für kleinere Betriebe, außerdem darf Einweg weiterhin angeboten werden und ohne die Sensibilisierung von Konsumierenden werden viele erfahrungsgemäß weiter zur gewohnten Einwegverpackung greifen, denn die Macht der Routinen ist groß. Zusätzlich sind, wie oben erwähnt, zentrale Rückgabe- und Spülinfrastrukturen für Mehrwegbehälter noch nicht ausreichend vorhanden.


Diese Problematik stellt aktuell auch den Flaschenhals (organisatorische Schwachstelle, welche die höchste Auslastung in der gesamten Prozesskette aufweist und dadurch den Arbeitsablauf hemmt)bei der Ausweitung des Mehrwegangebots im Bereich der vorverpackten Produkte dar. Daher herrschte auch unter den Teilnehmenden des BVVB-Vernetzungstreffens Einigkeit darüber, dass die Mehrweg-Infrastruktur in Brandenburg weiter ausgebaut werden und auf Effizienz ausgerichtet sein sollte, um regionalen Herstellern den Umstieg auf Mehrweg zu erleichtern. Dr. Detmar Leitow vom Cluster Ernährungswirtschaft formulierte den Anspruch dahinter wie folgt: „Wir müssen versuchen, ökologische und soziales Verhalten ökonomisch tragfähig zu machen.


Das Projektteam der BVVB nimmt vom 3. Brandenburger Abfallvermeidungsforum viele interessante Impulse für ihre weitere Arbeit mit. Diese wird weiterhin im engen Austausch mit der Praxis stattfinden, denn, wie Veronika Pfender von der dotch GmbH es richtig formulierte: „Mehrweg ist so ein Schnittstellenthema, dass man besser beraten ist, tatsächlich zusammenzuarbeiten!“.

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