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Ein Sommer in Kanada

Frida über ihre Bachelorarbeit in der Prärie von Saskatchewan

 

Für viele Studierende ist die Bachelorarbeit der erste wichtige Schritt in die wissenschaftliche Praxis. Für Frida bedeutete sie zugleich eine Reise ans andere Ende der Welt. Sechs Monate verbrachte sie in der kanadischen Provinz Saskatchewan und erforschte dort die Pflanzenvegetation zweier Gebiete in der Redberry Lake Biosphere Region. Wie es sie dorthin verschlug, was sie erlebt hat und warum sich ein „random place“ manchmal als perfekter Ort entpuppt, erzählt sie uns im Gespräch:

 

© Frida Stittrich
© Frida Stittrich

Frida, magst du dich kurz vorstellen? Wer bist du und was hast du studiert?

Ich bin in Berlin aufgewachsen, habe aber auch eine Zeit lang im Nordwesten der USA gelebt. Schon damals war für mich klar, dass ich etwas mit Natur machen möchte, am liebsten ohne viel Menschenkontakt. Deshalb habe ich mich für den Studiengang Landschaftsnutzung und Naturschutz an der HNE in Eberswalde entschieden. Im Laufe des Studiums habe ich dann aber schnell gemerkt, dass Umwelt- und Naturschutz ohne den Menschen nicht funktioniert. Mich interessieren inzwischen besonders Themen, die das Zusammenleben von Tier- und Pflanzenarten betreffen und die Frage, wie Menschen und Natur voneinander profitieren können. Letztes Jahr habe ich dann nach drei Jahren Studium meine Bachelorarbeit in Kanada begonnen.

 

Wie kamst du auf die Idee, deine Bachelorarbeit im Ausland zu machen?

Ich wollte unbedingt noch einmal ins Ausland, bevor das Studium zu Ende ist – nicht nur wegen der Erfahrung, sondern auch, weil man als Studentin leichter Stipendien bekommt. Gleichzeitig war es nicht so einfach, den Studiengang Landschaftsnutzung und Naturschutz im Ausland fortzuführen, weil es im Ausland nur sehr wenige vergleichbare Programme gibt. Deshalb kam mir die Idee, die Bachelorarbeit als individuelles Forschungsprojekt im Ausland zu realisieren.

 

Warum gerade Kanada und wie kamst du auf Saskatoon?

Ich habe gezielt nach Möglichkeiten in Nordamerika gesucht. Einerseits wollte ich möglichst weit weg von zu Hause sein, andererseits war es mir wichtig, auf Englisch schreiben zu können. Ich habe dann sehr viele Universitäten, Nationalparks und Naturschutzgebiete in Kanada und den USA angeschrieben.

Parallel dazu habe ich mich an der Hochschule informiert und bin über das International Office auf das Biosphere Region Institute gestoßen, das mit der Redberry Lake Biosphere Region und der University of Saskatchewan zusammenarbeitet. Ich habe Vladimir Kricsfalusy, einen Professor an der Uni, direkt angeschrieben und so den Kontakt aufgebaut. Zufälligerweise war Vladimir mit dem Leiter des Biosphärenreservats im Herbst 2023 bei uns in Eberswalde zu Gast. So konnten wir uns sogar schon vorher persönlich kennenlernen.

Am Ende hatte ich die Wahl zwischen zwei Projekten. Eines davon war auf Vancouver Island, das andere in Saskatoon. Vancouver Island kannte ich schon ein bisschen, und viele meinten, dass es dort natürlich viel schöner sei. Aber das Projekt war eher theoretisch und bestand größtenteils aus Datenanalyse. In Saskatoon ging es um praktische Feldarbeit und das hat mich deutlich mehr gereizt. Ich habe mich also für die Option entschieden, von der mir eigentlich alle abgeraten haben. Und ich bin heute sehr froh darüber.

 

Wie lange warst du in Kanada?

Ich war sechs Monate vor Ort, vom 1. April bis Ende September 2024.

 

Wie hast du den Kontakt zur Universität in Kanada hergestellt?

Ich habe Vladimir Kricsfalusy direkt angeschrieben, nachdem ich über das International Office an der HNE von seiner Arbeit erfahren hatte. Ich war nicht offiziell in einem Austauschprogramm, sondern habe mir das alles eigenständig aufgebaut.

 

Hattest du finanzielle oder organisatorische Unterstützung?

Ich habe ein PROMOS-Stipendium1 über die HNE bekommen. Das war eine einmalige Förderung, allerdings gering. Ich habe mich außerdem zweimal für ein größeres DAAD-Stipendium beworben, wurde aber leider beide Male abgelehnt. Den Großteil der Kosten musste ich allerdings selbst tragen.

 

Was war bei der Vorbereitung die größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung war definitiv, dass ich alles allein gemacht habe. Ich musste recherchieren, wie das mit der Einreise funktioniert, ob ich ein Visum brauche und wie ich das Projekt fachlich sinnvoll aufbaue. Die Kommunikation mit meinen Ansprechpartnern in Kanada lief ausschließlich über E-Mails und Videokonferenzen. Dabei war es gar nicht so einfach, sich vorzustellen, wie das Gebiet aussieht oder welche Methoden am besten passen. Gleichzeitig fiel die Organisation mitten in der Prüfungsphase und ich habe zusätzlich gearbeitet, um mir die Reise überhaupt finanzieren zu können.

 

Wie hast du dich fachlich auf die Feldarbeit vorbereitet?

Ich hatte Glück, dass die Vegetationsperiode in Saskatchewan sehr spät beginnt. Obwohl Saskatoon auf dem gleichen Breitengrad liegt wie Eberswalde, startet dort alles mehrere Wochen später. So hatte ich zwischen April und Juni Zeit, im Herbarium der Universität zu arbeiten und mich mit der lokalen Flora vertraut zu machen. Das war eine große Hilfe für die spätere Feldarbeit. Schon im Vorfeld habe ich viele wissenschaftliche Artikel gelesen, vor allem für mein Exposé und für die Stipendienbewerbungen.


© Frida Stittrich
© Frida Stittrich

Gab es rechtliche Hürden für die Forschung vor Ort?

Tatsächlich nicht. Man darf als deutsche Staatsbürgerin bis zu sechs Monate ohne Visum in Kanada bleiben. Ich war als Research Student an der Universität eingeschrieben und musste nur geringe Semesterbeiträge zahlen. Das war unkomplizierter, als ich erwartet hatte.

 

Was war konkret deine Fragestellung der Bachelorarbeit?

Meine Bachelorarbeit hatte den Titel „Occurrence and abundance of common and rare vascular plants in two prairie fen habitats in the Redberry Lake Biosphere Region, Saskatchewan, Canada“. Ich habe untersucht, wie viele Arten und Populationen seltener Gefäßpflanzen im Sommer 2024 in zwei unterschiedlichen Feuchtgebieten (Verlandungsregionen eines Binnensalzsees) des Biosphärenreservats vorkommen. Dabei ging es auch um die Frage, ob sich die beiden Flächen hinsichtlich der Anzahl und Zusammensetzung der seltenen Arten unterscheiden, in welcher Vegetationsstruktur diese Arten auftreten und ob die Gebiete die Kriterien für sogenannte „Important Plant Areas“ erfüllen.

 

Wie sah dein Arbeitsalltag während der Feldarbeit aus? Hattest du Unterstützung?

Ein- bis zweimal pro Woche habe ich zusammen mit drei weiteren Studierenden in einem kleinen Haus am Redberry Lake übernachtet, mitten im Biosphärenreservat. Von dort aus sind wir mit dem Auto zu unseren jeweiligen Untersuchungsflächen gefahren. Ich habe meist sechs bis acht Stunden pro Tag draußen gearbeitet. Teilweise war ich mit den anderen unterwegs, aber oft auch ganz allein, weil sie andere Gebiete bearbeitet haben. Während ich konkret für meine Bachelorarbeit geforscht habe, waren die anderen Studierenden Teil anderer Forschungsprojekte. Das bedeutete, dass ich meine Daten selbstständig erhoben habe, was zwar anstrengend, aber auch sehr lehrreich war.

 

Welche Methoden hast du genutzt, um die Vegetation zu untersuchen?

Ich habe Vegetationsaufnahmen auf vier Quadratmetern großen Flächen gemacht und die Pflanzen mit einer Deckungsschätzung erfasst. Zusätzlich habe ich Bodensonden verwendet, um den pH-Wert, die Temperatur und die elektrische Leitfähigkeit zu messen. Um Bodenproben zu entnehmen, kam eine Art Handbohrstock zum Einsatz. Bei der Auswertung habe ich mit pflanzensoziologischen Tabellen gearbeitet.

 

Was war besonders herausfordernd?

Die größte Herausforderung war, dass ich kein Labor zur Verfügung hatte und mich generell schwer tat, mich technisch richtig auszustatten. Das hatte meiner Meinung nach auch Auswirkungen auf die Datenqualität. Außerdem war die Zusammenarbeit mit meinem Betreuer nicht so eng wie erhofft. Er zeigte weniger Interesse an meinem Thema als erwartet, sodass ich viele Entscheidungen selbst treffen musste. Im Nachhinein würde ich einiges anders machen. Ich glaube aber, dass das ein ganz normaler Teil des Lernprozesses ist.

Eine andere Herausforderung war, ganz allein in einem so abgelegenen Gebiet unterwegs zu sein. Es war schon ein bisschen beunruhigend, den ganzen Tag in einer Bärenregion zu verbringen, ohne Handyempfang und in der Hoffnung, dass mich am Nachmittag auch wirklich jemand abholt. Gleichzeitig war das auch eine intensive Erfahrung, die mich persönlich sehr geprägt hat. Die Artenkenntnis war natürlich eine große Aufgabe, aber es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, mich da reinzuarbeiten.

 

Wie war das Leben außerhalb der Arbeit? Wohnung, Freizeit, soziale Kontakte?

Ich hatte großes Glück! Ich habe in einem sehr schönen Haus mit Garten gewohnt, zentral in Saskatoon, zusammen mit zwei Französinnen. Die Stadt hat mich total überrascht. Es gab viele Straßenfeste und kulturelle Veranstaltungen, die Stimmung war lebendig und offen. Ich habe schnell Leute kennengelernt, vor allem beim Klettern und beim Beachvolleyball.

Was Saskatoon für mich besonders gemacht hat, war der Fluss, der durch die Stadt fließt. Man überquert ihn eigentlich jeden Tag mindestens einmal. Die Ufer sind nicht begradigt, sondern grüne Parklandschaften, durch die man wunderbar spazieren oder radeln kann. Das war jedes Mal ein kleines Highlight.

 

Wie bist du mit der Sprache und der kulturellen Umstellung klargekommen?

Für mich war das keine große Umstellung. Englisch ist für mich fast wie eine zweite Muttersprache, und vieles in Saskatoon hat mich an meine Zeit in den USA erinnert. Natürlich würde ich das einer kanadischen Person nicht unbedingt so direkt sagen, aber für mich persönlich war die Eingewöhnung dadurch sehr einfach.

Was ich als störend empfunden habe, war, dass das Bussystem wirklich nicht gut ausgebaut ist, das heißt, ohne eigenes Auto ist man im Alltag ziemlich eingeschränkt. Ich habe zum Glück alles mit dem Fahrrad machen können, aber im Winter wäre das wirklich keine Option gewesen.

 

Was hast du persönlich aus der Zeit in Kanada mitgenommen?

Das ist schwer in Worte zu fassen, weil es so viel war. Ich habe gemerkt, wie sehr es mich bereichert, neue Menschen kennenzulernen. Ich habe unglaublich viel Gastfreundschaft erlebt und wurde oft völlig unerwartet unterstützt. Zum ersten Mal seit Langem hatte ich das Gefühl, wirklich entschleunigt zu leben. Ich habe wieder angefangen zu schreiben, zu tanzen und festzustellen, wie wichtig mir solche kreativen Dinge sind. Gleichzeitig habe ich durch die Weite des Landes verstanden, warum Natur- und Umweltschutz in Kanada oft eine andere Rolle spielt. Dort gibt es einfach so viel Platz, dass sich viele Konflikte, die wir in Europa führen, dort (noch) gar nicht ergeben.


Würdest du rückblickend etwas anders machen?

Ja, wahrscheinlich würde ich das Projekt von Anfang an strukturierter angehen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Betreuung klarer geregelt ist und dass ich ein bisschen mehr Anleitung bekomme. Andererseits habe ich genau dadurch gelernt, eigenständig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Rückblickend war es anstrengend, aber auch eine sehr befriedigende Erfahrung. Ich bin froh, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe.


Hast du auch eine spannende Abschlussarbeit geschrieben? Dann melde dich bei uns und erzähle davon – so können wir uns gegenseitig bei der Themenfindung unterstützen!


 

1PROMOS ist ein Stipendienprogramm des DAAD, das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird. Es unterstützt Studierende deutscher Hochschulen mit Teilstipendien bei kürzeren Auslandsaufenthalten.“

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