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Zeit für Forschung mit Prof. Dr. Anna Maria Häring

Aktualisiert: 29. Juli

Prof. Dr. Anna Maria Häring hat die Professur für Politik und Märkte in der Agrar- und Ernährungswirtschaft inne. Sie widmet sich mit großer Leidenschaft der Frage, wie die Nachhaltigkeitstransformation des Agrar- und Ernährungssektors angestoßen werden kann, und welche Strukturen, Konzepte und Innovationsprozesse dafür nötig sind. Ihre Forschungsprojekte spannen einen Bogen von der europäischen Politik bis hin zur lokalen Ebene, auf der sie Nachhaltigkeit sowohl in der Produktion als auch im Konsum betrachtet.


Weil ihre Projekte so vielfältig und zahlreich sind, konnten wir sie nicht alle im Interview vorstellen. Umso mehr freuen wir uns, dass Frau Häring uns spannende Einblicke in ihre Arbeit gibt. Schon 2017 wurden fünf Forschungsprojekte vorgestellt. Den Beitrag könnt ihr hier nachlesen.


Hallo Frau Häring, schön, dass Sie sich Zeit genommen haben, um uns von Ihrer Forschung zu erzählen. Seit wann sind Sie Forschungsprofessorin, und wie kam es dazu?

Vielen Dank für die Einladung zum Gespräch. Erstmals habe ich eine Forschungsprofessur im September 2012 erhalten. Zu Beginn lief diese drei Jahre, inzwischen beträgt der Zeitraum vier Jahre. Danach ist jeweils eine erneute Bewerbung erforderlich. Seit ich an der HNEE bin, engagiere ich mich intensiv in Forschungs- und Entwicklungsprojekten (F+E-Projekten). Mein Ziel ist es, das Ernährungssystem in Berlin und Brandenburg aktiv mitzugestalten und weiterzuentwickeln und dabei eng mit regionalen Akteur*innen zusammenzuarbeiten. Damit möchte ich gezielt auf das Leitbild, die Forschungsstrategie und die Transferstrategie der HNEE einzahlen und echte Wirkung in der Region entfalten.


(© Hermansen, 2020)
(© Hermansen, 2020)

Das klingt spannend. Welche Kernfragen verfolgen Sie aktuell mit Ihrem Team im Rahmen der Forschungsprofessur?

In meinen Projekten bearbeite ich im Wesentlichen drei übergreifende Forschungsfragen:


  1. Wie sollte Politik gestaltet werden, um die Transformation des Ernährungssystems zu fördern?

  2. Wie gelingt es uns, mehr werteorientierte, also ökologische, regionale und tierwohlorientierte, Erzeugnisse von Acker, Wiesen und Stall auf die Teller zu bringen?

  3. Welche Ernährungsumgebungen tragen zu einer nachhaltigen Veränderung des Ernährungssystems bei?

 

Damit das nicht nur abstrakt bleibt, möchte ich ein Beispiel nennen: Die EU hat sich in der Farm-to-Fork-Strategie das Ziel gesetzt, den Anteil des Ökolandbaus in der EU auf 25 Prozent zu erhöhen. Im EU-Projekt „Organic Advice“ arbeitet mein Fachgebiet daran, wie Politik dazu beitragen kann, passende Organisations- und Geschäftsmodelle zu unterstützen, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen. Die zentrale Herausforderung liegt darin, angesichts sehr unterschiedlicher nationaler Strukturen einheitliches Wachstum zu ermöglichen, etwa durch eine verbesserte Koordination von Beratung und Unterstützung für ökologische Landwirt*innen. Diese Arbeit knüpft eng an ältere Analysen an, bei denen nationale Empfehlungen und Strategien für die Öko-Landwirtschaft in Europa untersucht wurden – etwa die Evaluierungen zu Policy-Netzwerken.


Ein weiteres Beispiel ist unser Projekt NahWertVoll, bei dem mein Fachgebiet mit dem Studentenwerk Frankfurt (Oder) zusammenarbeitet. Hier geht es darum, das Angebot an Gemüse, Hülsenfrüchten sowie Vollkorn- und regionalen Produkten in den Mensen auszubauen und regionale Wertschöpfungsketten zu etablieren.


Was möchten Sie am Ende Ihrer Forschungsprofessur erreicht haben?

Mir ist es ein großes Anliegen, dass politische Förderkonzepte und -programme so weiterentwickelt werden, dass sie zu einer Nachhaltigkeitstransformation des Agrar- und Ernährungssystems beitragen, in der Praxis wirksam werden und in der Region Berlin-Brandenburg deutlich wahrnehmbar sind.


Wenn wir mal inhaltlich in ihre Forschung eintauchen, was sind da besondere Erkenntnisse, die Sie bereits hervorgebracht haben? Gab es Überraschendes?

Es gab auf jeden Fall viele spannende Erkenntnisse und nicht selten auch Überraschungen. Projektübergreifend habe ich immer wieder erlebt, dass die Zusammenarbeit mit Akteur*innen aus der Praxis unvorhersehbare Herausforderungen mit sich bringt. Solche Herausforderungen lassen sich nur dann erfolgreich meistern, wenn man flexibel bleibt, sich auf neue Situationen einstellen kann und zugleich die Fähigkeit behält, die gemeinsamen Ziele konsequent im Blick zu behalten.

Außerdem habe ich gelernt: Die explizite Anerkennung der Forschung wird nebensächlich, sobald Ergebnisse wie selbstverständlich in das Alltagshandeln der Praxis übernommen werden. Genau das ist für mich der wahre Erfolg.


Inwiefern ist der Austausch mit anderen Akteur*innen Bestandteil Ihrer Forschung und wie gestalten Sie diesen Austausch?

Mein Fachgebiet ist eng mit der Praxis vernetzt. Gemeinsam mit Praxispartner*innen entwickeln wir Themen und Forschungsfragen, wählen passende methodische Herangehensweisen und interpretieren die Ergebnisse anschließend gemeinsam. So haben wir zum Beispiel im Projekt NahWertVoll zusammen mit dem Studentenwerk Frankfurt (Oder) die Projektidee entwickelt und überlegt, welche Maßnahmen helfen könnten, mehr Nachhaltigkeit in das Angebot der Mensen zu bringen. Einzelne Maßnahmen setzen wir gemeinsam um und evaluieren diese.


Und noch eine Frage zum Themenfeld Transfer: Was haben Sie in Ihrer Arbeit als Forschungsprofessorin gelernt, dass Sie an unsere Leser*innen weitergeben möchten?

Ich möchte gerne zwei Aspekte weitergeben. Erstens: Die Wirkung guter transdisziplinärer Forschung ergibt sich oft erst über Einzelprojekte hinaus. Man muss Themen langfristig verfolgen und einen langen Atem haben, auch wenn die Einwerbung von Geldern nicht auf Anhieb gelingt. Transfer ist dabei kein Nebenaspekt, sondern ein integraler Bestandteil. Die Zusammenarbeit mit Praxisakteur*innen ist essentiell.


Zweitens: Damit diese Zusammenarbeit funktioniert, ist es enorm hilfreich, Teil einer Institution zu sein, die eine klare Vision verfolgt und langfristig sowie verlässlich mit relevanten Partner*innen zusammenarbeitet. Ein gutes Beispiel dafür ist das Innovationszentrum für nachhaltige Ernährungssysteme (INES), das an der HNEE eine wichtige Plattform für Forschung, Transfer und Kooperation bildet.


Vielen Dank, Frau Häring, für das Gespräch! Wir wünschen Ihnen noch viel Erfolg bei den Projekten und sind gespannt auf die Erkenntnisse und Ergebnisse!


Forschungsprofessuren sind ein Förderinstrument, das Professor*innen ermöglicht, sich für eine bestimmte Zeit, meist drei oder vier Jahre, noch intensiver der Forschung zu widmen. An der HNEE gibt es inzwischen auch Forschungsprofessuren mit dem Schwerpunkt Transfer, die zweieinhalb Jahre dauern. Während einer Forschungsprofessur wird das Lehrdeputat reduziert, sodass eine*ein akademische Mitarbeiter*in diese Aufgabe übernimmt. Hier findet ihr weitere Interviews dieser Rubrik.

 

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