Ein Gastbeitrag von Martin Lühmann
Ende April wurde bereits über die Grünland Exkursion zur Leuenberger Wiese hier auf dem blog berichtet. Nun folgt der 2. Teil ...
Foto Credits: Anna Schwendemann
Woher weiß das gute Rind/ Welches die leckersten Gräser sind?
Probiert’s auf gut Glück/ Von jedem Büschel Stück?
Lernt’s von der Weisheit der Greise?/ Flüstert Gott es ihm vor jeder Speise?
Nein! Das Wissen muss ihm besorgen/Ein Kompass, im Herzen tief verborgen!
Schön wäre es ja, lieber Herr Dichter, wenn mensch sich durch das Meer unzähliger Kräuter-, Leguminosen, Süß- und Sauergräserarten einfach via Intuition hindurch navigieren könnte, und dann noch realistische Chancen hätte, auf Anhieb in etwas Schmackhaftes zu beißen! Doch weit gefehlt. Es benötigt den guten alten Weg akademischer Bildung. Für jedermann und jederfrau, der und die Ahnung hat von Milchviehhaltung, ist es ein bekannter Anblick: Mutterkühe ziehen mit ihren Kälbern im Schlepptau auf die Wiese, betrachten aufmerksam die Spitze der Blattspreite, pulen das Blattöhrchen hervor, tasten mit ihren Hufen nach Riefen und halten nach Behaarung Ausschau, wobei sie sich Stück für Stück durch das unerlässliche Bestimmungsbuch hindurcharbeiten, bis sie wissen, was sie vor sich haben. Ja, mühselig ist das; aber die viele Anstrengung wird am Ende, mit etwas Glück, belohnt durch den Biss in ein saftiges Weidelgras.
Um nun auch besser Bescheid zu wissen über das vielfältige Grün auf den Wiesen, ist es sinnvoll, diese über unzählige Generationen erprobte Didaktik der Rinder zu imitieren. Um es uns Zivilisationsmenschen, die wir uns vom chaotischen Durcheinander der Natur entfremdet haben, etwas zu erleichtern, hat die HNEE ein Stückchen südlich des Forstbotanischen Gartens im Wald versteckt Schauparzellen angelegt. Verschiedenste Gräserarten sind hier wohlgeordnet nebeneinander in schmalen Streifen zu begutachten. Ein Tross Studierender des zweiten Semesters „Ökolandbau und Vermarktung“ fand sich, bewaffnet mit Bestimmungsbüchern und angespitzen Äuglein im Rahmen des Moduls „Futterbau und Grünland“ Ende April dort ein, um das, was manchen schlicht als “Rasen” geläufig ist, besser kennenzulernen.
Munter also forsteten wir uns von Parzelle zu Parzelle, widmeten uns ganz aufmerksam jeder Grasart und ihren mal größeren, mal kleineren Unterschieden, bis sie ihre Identität preisgaben. Wie auch schon bei der Exkursion zur Leuenberger Wiese wurden wir fachkundig und voll überspringender Begeisterung von Prof. Dr. Inga Schleip angeleitet, die uns bei Exemplaren auf die Sprünge half, die sich etwas hartnäckiger zeigten. Einige Exemplare leisteten ihrer Bestimmung hingegen überhaupt keinen Widerstand; das wollige Honiggras etwa enttarnt sich durch die behaarte Blattoberseite und den süßlichen Geschmack förmlich selbst.
Ja, Geschmack! - wir scheuten nicht, den Kühen gleich, einzelne Grasbüschel mit unseren Zungen zu umschlingen, auszurupfen und an unserer Dentalplatte so lange zu zermahlen, bis die Geschmacksknospen befriedigt waren. Nur mit dem Wiederkäuen hatten einige von uns Probleme. Etwas irritierend war es schon, die sonst so plurale Wiese in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt und in Reih und Glied angetreten zu sehen. Aber so traten die Gräser einerseits als Art, als evolutionärer Schicksalsverband also, in Erscheinung, andererseits bemerkte man bei der intensiven Betrachtung die wirkliche Einzigartigkeit einer jeden einzelnen Pflanze, die genau so, wie sie ist, nur ein einziges Mal im Universum, nein, im Multiversum! - zu finden ist. Eine Lektion im intergalaktischen, kollektivistischen Individualismus also! - wenn man denn auf Ismen steht.
Aber auch Abseits des Wissenszuwachses war es einfach mal wieder schön, die lieben Kommiliton*innen in Echt und Farbe zu sehen; wenn wir auch Masken trugen und fleißig Abstand hielten, konnte man sich das strahlende Lachen nicht verkneifen. Das Wetter strahlte mit, und wer für den Moment genug hatte von den Gräsern, konnte sich auf den Rücken legen und es genauer bestimmen: Blauer Himmel, Sonnenschein, wollige Honigwolken - ein wunderschöner Frühlingstag, der ideal genutzt worden ist.
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