Seit September 2024 ist Dr. Marcus Schmidt Professor im neu gegründeten Studiengang „Ernährungs- und Agrarkultur nachhaltig gestalten (ErnA)" am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz an unserer Hochschule. Mit seiner Professur im Bereich Technologien zur nachhaltigen Erzeugung und Qualitätssicherung pflanzlicher Lebensmittel bringt er wertvolles Fachwissen mit, das den Studierenden hilft, eigenständig nachhaltige Lösungsansätze für die Lebensmittelwirtschaft zu entwickeln und sich kritisch mit den Herausforderungen moderner Agrar- und Ernährungssysteme auseinanderzusetzen.
Im folgenden Interview gibt uns Herr Schmidt einen spannenden Einblick in seinen Weg zur HNEE, den Arbeitsalltag als Professor und seine Pläne für die Lehre und Forschung. Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.
Foto 1: Prof. Dr. Marcus Schmidt
Seit wann sind Sie ein „LaNu“ und wie kam das?
Mein Weg begann an der TU Dresden, wo ich Lebensmittelchemie studiert habe. Meine Diplomarbeit habe ich dann am University College Cork in Irland geschrieben. Anschließend bin ich noch eine Weile in Cork geblieben und habe zuerst in einem Industrieprojekt an der Entwicklung glutenfreier Backwaren gearbeitet und anschließend zu „perspectives for post-harvest bioprotection of cereal crops“ promoviert. Danach habe ich am Max-Rubner-Institut, Institut für Sicherheit und Qualität, in Detmold als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Leitung der Arbeitsgruppe Kohlenhydratanalytik übernommen. In dieser Rolle habe ich mich mit verschiedenen Aspekten der Sicherheit und Qualität von Getreide, aber auch mit Kartoffeln und Leguminosen, sowie den daraus hergestellten Lebensmitteln beschäftigt.
Seit September bin ich jetzt offiziell ein „LaNu“. Hier betreue ich im ErnA-Studiengang insbesondere die Vertiefung der nachhaltigen Produktentwicklung und habe aktuell die Studiengangsleitung inne. Ich bin sehr gespannt auf die kommenden Aufgaben und freue mich besonders darauf mit den Studierenden und Praxispartner*innen zusammen interessante Fragen rund um die Produktentwicklung zu bearbeiten.
Wie sieht ein typischer Tag als Professor am Fachbereich aus?
Neben den eigentlichen Lehrveranstaltungen besteht aktuell der größte Teil meines Arbeitstages aus der Planung und Vorbereitung meiner Lehrveranstaltungen. Außerdem sollen bis Ende 2025 zwei Laborräume für ErnA eingerichtet werden, ein Labor für Produktentwicklung und ein Labor für Lebensmittelsensorik. Dafür müssen zwei Räume in Haus 1 umgebaut und verschiedene Geräte beschafft werden, was aktuell auch relativ viel Zeit beansprucht. Parallel versuche ich möglichst viele Kontakte zu den regionalen Praxispartner*innen aufzubauen.
Schließlich betreue ich auch noch einige laufende Forschungsprojekte aus meiner letzten Stelle am Max-Rubner-Institut, die sich mit wichtigen Aspekten einer nachhaltigen Ernährungs- und Agrarkultur beschäftigen und somit gute Anknüpfungspunkte für mein neues Aufgabengebiet darstellen.
Was sind die wichtigsten Themen, mit denen Sie sich beschäftigen?
Ein Schwerpunkt ist der Erhalt der Qualität pflanzlicher Lebensmittel unter verschiedenen Stressfaktoren, wie verringerte Stickstoff- oder Phosphordüngung, Trockenstress oder Hitzestress, sowie während der Lagerung. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Nutzbarmachung bisher unzureichend verwendeter Produktströme. Dies beinhaltet das Upcycling von Nebenströmen* (Nebenprodukten), die entlang der Wertschöpfungskette anfallen, aber auch die Schaffung weiterer Möglichkeiten zur Wertschöpfung regionaler Rohstoffe.
Ein dritter Schwerpunkt besteht darin, einen Beitrag zu einer nachhaltigen und gesundheitsfördernden Ernährung zu leisten. Dies beinhaltet beispielsweise die verbesserte Gewinnung und Nutzung pflanzlicher Proteine für die Ernährung, aber auch Arbeiten zum Schließen der Ballaststofflücke in unserer Ernährung.**
Was möchten Sie besonders an der HNEE voranbringen?
Da mein Fachgebiet der Lebensmittelverarbeitung ein neuer Aspekt im Portfolio der im Fachbereich LaNU der HNEE ist, möchte ich diesen zunächst aufbauen und als wichtigen Bestandteil der Hochschule etablieren. Damit möchte ich die Verbindung zwischen den bereits vorhandenen Agrar- und Wirtschaftswissenschaften stärken und erweitern. Die daraus resultierende ganzheitliche Betrachtung unserer Agrar- und Ernährungssysteme soll dann als essentieller Bestandteil in die Lehre einfließen. In der Forschung möchte ich insbesondere die ganzheitliche Ressourcennutzung für eine gesunde und nachhaltige Ernährung voranbringen. Dabei ist mir eine enge Verbindung zwischen Forschung, Lehre und Praxis besonders wichtig.
Wie sieht Ihr Kontakt zu den Studierenden aus?
Mir ist es wichtig, einen engen Kontakt auf Augenhöhe zu den Studierenden zu pflegen und ich sehe den Kontakt als eine Zusammenarbeit mit den Studierenden, von der am Ende beide Seiten profitieren können. Bei Fragen oder Problemen jeder Art bin ich immer ansprechbar und versuche gern zu helfen.
Vielen Dank für das Gespräch!
*Anmerkung: Ein Beispiel für das Upcycling von Nebenprodukten ist der Trester, der bei der Saftherstellung übrig bleibt und wertvolle Fasern sowie sekundäre Pflanzenstoffe enthält. Anstatt diesen einfach zu entsorgen, könnte er weiterverarbeitet werden – etwa zu ballaststoffreichen Lebensmitteln wie Müsliriegeln oder als Zusatz in Backwaren. So entsteht ein neues, wertvolles Produkt aus einem vermeintlichen Abfallstoff, und Abfälle werden reduziert.
**Anmerkung: Ein konkretes Beispiel dafür ist die Entwicklung von proteinreichen Lebensmitteln aus regionalen Hülsenfrüchten wie Erbsen oder Lupinen. Diese Pflanzen sind nicht nur gute Proteinquellen, sondern benötigen auch weniger Wasser und Düngemittel im Vergleich zu herkömmlichen Proteinquellen wie Soja. Dadurch lassen sich regionale, ressourcenschonende Alternativen schaffen, die sowohl die Ernährungssicherheit als auch die Gesundheit fördern.
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