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Mit New Work zu einer New World?

Ein Gastbeitrag von Isabel Rosen

Im Sommersemester 2023 fand zum ersten Mal „Teampreneuship – gemeinschaftlich Gründen und Handeln“ als fachbereichsübergreifendes Seminar an der HNEE statt (wärmste Empfehlung dafür), Modulverantwortliche ist Dr. Marianne Nobelmann. Wir beschäftigten uns unter anderem mit flachen Hierarchien am Arbeitsplatz und neuen Arbeitsmodellen (New Work). Dazu hörten wir einen Gastbeitrag von Joana Breidenbach, die über ihre Erfahrungen als Gründerin mehrerer sozialer Unternehmen berichtete. Ihre Message hat mich gepackt: „New Work needs Inner Work.“ Darauf möchte ich in diesem Beitrag näher eingehen.

Isabel Rosen (Foto: Thorsten Hagedorn; Prinzipien der Agrarökologie (FAO)).

New Work – watt is’n datt?

Aber erstmal ein paar Schritte zurück. Was meint New Work? Die Antwort ist: Vieles. Ich kann nur auf einen kleinen Teil davon eingehen. Zu New Work gehört ein Umbau von den vorgegebenen, festen und hierarchischen zu mehr kollaborativen und dezentralen Organisationsstrukturen. Entscheidungen werden nicht mehr nur auf der Managementebene, sondern auch auf der operativen Ebene getroffen. Denn die Mitarbeitenden wissen in ihrem Arbeitsbereich oft besser, was es für ihre Arbeit braucht, denn sie verfügen über das für ihren Arbeitsbereich notwendige Fach- und Erfahrungswissen.

Warum das interessant ist? Das digitale Zeitalter in der globalisierten Welt mit fortschreitenden technologischen Entwicklungen im Kontext von vielzähligen globalen Krisen schafft eine Unternehmensumwelt, die sich sehr schnell wandeln kann. Wenn Entscheidungen dezentralgetroffen werden, kann schneller und auf der Basis von mehr Fach- und Erfahrungswissen auf diese Veränderungen reagiert werden. Die Anpassungsfähigkeit, die innovative Kraft und der qualitative Output der Organisation erhöhen sich.


Flache Hierarchien legen die Messlatte für einige ziemlich hoch

Klingt gut soweit, oder? In der Umsetzung kann das tatsächlich sehr schwierig werden. In dem von Joanna Breidenbach mitgegründeten betterplace lab führte sie mit der Zustimmung aller Teammitglieder eine radikale Selbstorganisation ein. Alle waren davon überzeugt, die neue Organisationsform würde neue Kräfte und Potenziale freisetzen. Und dann waren alle überrascht, als das Team feststellte, dass die neue Organisationsform schlecht funktionierte. Die Teammitglieder fühlten sich unter Druck gesetzt durch die neue Verantwortung und überfordert von der Freiheit, was im Team zu Lähmung führte. Es wurde klar, dass eine Veränderung der äußeren Strukturen nicht ausreicht, um die Arbeitsorganisation zu transformieren.


„The price is high, the reward is great.“ (Maya Angelou)


Von der Fremdführung zur Selbstführung

Die meisten von uns sind so aufgewachsen, dass wir daran gewöhnt sind, uns in vorgegebenen und hierarchischen Strukturen zu bewegen. Das ist nicht nur schlecht. Diese Strukturen bieten Sicherheit und entlasten uns von vielen Entscheidungen. Wenn die äußere Steuerung abnimmt, braucht es vermehrt innere Kompetenzen, damit sich die Individuen selbst Struktur und Sicherheit aufbauen können.

Daher entwickelten Joanna Breidenbach und Bettina Rollow (Executive Coach und Organisationsentwicklerin) ein Vier-Quadranten-Modell, um die Orte der Veränderung zu visualisieren und Wechselbeziehungen aufzuzeigen. Für New Work braucht es Veränderungen von äußeren und von inneren Strukturen und zwar auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene. Die äußeren Strukturen werden gestaltbarer, z.B. der Arbeitsort und -zeiten, Gehälter, Budgetplanung... Die inneren Strukturen werden überarbeitet, z.B. automatisches Verhalten in Konfliktsituationen, Feedbackfähigkeit, Selbstregulierung…Die individuelle Ebene zu verändern, kann eine große Aufgabe sein. Es braucht Soft Skills wie Selbstreflexion, transparente Kommunikation und Prozessbewusstsein und auch, ganz allgemein gesprochen, eine neue Haltung zu sich, dem Gegenüber und der Aufgabe.

Das Vier Quadranten Modell nach Ken Wilber, Keks Ackermann (Foto: Joanna Breidenbach)

New Work macht innere Arbeit

Wir Menschen sind unterschiedlich darin, wie viel Autonomie und Zugehörigkeit wir brauchen. Manche von uns können gut selbstorganisiert arbeiten, andere wollen weniger Verantwortung übernehmen.. Wir sind unterschiedlich und das ist ok so. Um herauszufinden, wo wir uns auf diesem Kontinuum bewegen und wo wir gut mit unseren Bedürfnissen und Fähigkeiten reinpassen, sollten wir uns mit uns selbst beschäftigen. Mit dem Wissen aus der Selbstreflexion können wir dann unser Leben nach und nach in Bahnen lenken, die uns zu einem erfüllteren und friedlicheren Leben führen. Ob mensch dann in einem New Work Kontext arbeiten möchte oder nicht, ist wertvolles Wissen für einen selbst.

Unsere Grundbedürfnisse nach Sicherheit / Wachstum und Wachstum / Selbstausdruck. Keks Ackermann (Foto: Joanna Breidenbach)

Von New Work zu einer New World

Aber nicht nur für New Work braucht es eine psychische Weiterentwicklung der Menschen. Nicht nur die Wirtschaftsumwelt ist unsicher und schnell im Wandel. Das betrifft unser aller Leben. Für eine nachhaltige Entwicklung benötigen wir die Veränderungen von inneren wie äußeren Strukturen, auf der individuellen wie der kollektiven Ebene. Wir brauchen für eine nachhaltige Entwicklung Menschen, die bereit sind, in ihren Kompetenzbereichen in Führung zu gehen, die bereit sind, Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren, um Innovationen zu testen und zu verbreiten. Das kann schwierig sein und Angst machen und es erzeugt mit Sicherheit Widerstand (Mensch aka Gewohnheitstier). Um damit umgehen zu können, brauchen wir mehr innere Kompetenzen. Aber wenn wir uns den Herausforderungen stellen und an uns arbeiten, können wir etwas Neues erschaffen. Was und wie das sein wird, kann ich nicht sagen. Das können wir nur gemeinsam herausfinden.

Für mich hat das Modul gezeigt, wie viele Einflussmöglichkeiten und auch positive Macht wir entwickeln können, wenn wir gemeinsam gründen und handeln.


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