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Ode an die Lanus

Aktualisiert: 23. Jan. 2020




Nach 7 Semestern verlasse ich die HNE und somit auch die Ackerdemiker. Was bleibt mir zu sagen? Danke – für die unvergessliche Zeit, für euer Engagement! Für Redaktionssitzungen mit Fenchel-Anis-Kümmel-Tee und Zimtschnecken, für Lehre mit Herz und Verstand, Becherlupen und Gummistiefeln.

Für Vorträge und Feiern, fürs Aufwerfen von Fragen, das Aufzeigenden entmutigender Tatschen, verrückter wie simpler Lösungsmöglichkeiten. Es bleibt so viel zu tun.

Da manche Lanus sich gern mit Lyrik Ausdruck verleihen, folgt eine kleine Ode an diese eigentümliche Spezies. Und an diejenige, der sie sich verschrieben hat.


Lanus sind wir durch und durch,

wir leben fürs Studieren.

Ein Monat ohne Wandertag –

das kann uns nicht passieren.

Dann zieht’s uns mit geschnürten Stiefeln

hinaus auf freies Feld.

Gräser zähl’n, botanisieren,

bis Erkenntnis uns erhellt.

Was man nicht alles lernen kann;

das reicht für hundert Leben!

Darum wird uns im Hörsaal auch

manch Lehrstündchen gegeben.

Den Sommer über forschen wir

bei Sonnenschein im Wald.

Kehr’n wieder ins Studierzimmer,

wird uns im Winter kalt.

Doch wenn wir in zwei Welten denken,

stets streng die Natur beschützen,

Siedlung – Wildnis stetig trennen;

was soll uns da die Landschaft nützen?

Gehört der Mensch doch fest dazu.

Lieber wollen wir sie hüten,

in ihr leben, mit ihr leben

und weiter über Büchern brüten.

Denn voneinander, miteinander:

Lernen tun wir lebenslang.

Wenn unser Streben einmal endet

wird das unser letzter Gang.


Bald mächt’ger und bald leise

In jeder guten Stund

Geht diese Waldesweise

Mir durch der Seele Grund:

Müsset im Naturbetrachten

Immer eins wie alles achten.

Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen, Als ob die Blumen und die Bäume sängen,

Freuet euch des wahren Scheins,

Euch des ernsten Spieles!

Kein Lebend’ges ist ein Eins,

Immer ist’s ein Vieles.

Wie alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt!

Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur! Wo fass ich dich, unendliche Natur?

Sollt ich dir jemals untreu werden,

Dich kalt vergessen, ohne Dank:

Dann ist mein Fall wohl nah auf Erden,

Mein Herz verdorben oder krank!

Wie Teppich reich gewoben, Steht mir die Flur zur Schau; O Wunderbild, und oben Des Himmels Blau.

Will ich meinen Lobgesang

Halb zu Ende bringen,

Muss ich tag- und nächtelang

Singen, singen, singen!

Am Waldessaume träumt die Föhre, Am Himmel weiße Wölkchen nur; Es ist so still, dass ich sie höre, Die tiefe Stille der Natur.

In Buchstaben ganz versunken Schwindet alles heitre Licht, Und der Schüler, wie betrunken, Sieht den Wald vor Bäumen nicht.


Ja, ja, wir haben es leicht und bequem: Im Brieselang Eichen, in Glindow Lehm, Im Grunewald Schwarzwild, Hirsch und Reh, Spargel en masse bei Halensee,

Äpfel sind die beste Speise Für zu Hause, für die Reise, Für die Alten, für die Kinder, Für den Sommer, für den Winter, Für den Morgen, für den Abend. Äpfel essen ist stets labend. Äpfel glätten deine Stirn, Bringen Phosphor ins Gehirn. Dill und Morcheln und Teltower Rüben, Oderkrebse hüben und drüben, Königshorster Butter, in Sperenberg Salz, Im Warthebruch Gerste, Graupen und Malz, In Kienbaum Honig, im Havelland Milch, In Luckenwalde Tuch und Drillch*, Bei den Werderschen Kirschen und Aprikosen Und bei Potsdam ganze Felder von Rosen. Nichts entlehnt und nichts geborgt, Für Großes und Kleines ringsum gesorgt.


Der Mensch nun aus der tiefen Welt Der Träume tritt heraus, Freut sich, dass alles noch so hält, Dass noch das Spiel nicht aus.

Freude heißt die starke Feder In der ewigen Natur.

Freude, Freude, treibt die Räder

In der großen Weltenuhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen, Sonnen aus dem Firmament, Sphären rollt sie in den Räumen, Die des Sehers Rohr nicht kennt!

Der Himmel ist für euresgleichen Ja doch nur scheinbar zu erreichen. Ihr fliegt herauf in Apparaten. Ihr blickt herein durchs Okular. Doch glaubt es mir: Trotz solcher Taten Bleibt Euch der Himmel unsichtbar.

An dich, du wunderbare Welt,

Du Schönheit ohne End’,

Auch ich schreib’ meinen Liebesbrief

Auf dieses Pergament.

Ich hab‘ gedichtet Tag und Nacht

Und hab‘ es doch zu nichts gebracht,

Ich hab‘ in Harmonie geschwommen

Und bin doch zu nichts gekommen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegen senden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Doch will getrost ich wandern,

Und wird der Vorhang fallen,

So gönn′ ich gerne andern,

Den Frühling neu zu malen.

Und es rauscht die Nacht so leise

Durch des Waldeseinsamkeit

Und ich sinn‘ auf neue Weise

Die der Menschen Herz erfreut.


*Drillich: strapazierfähiger gewebter Stoff


Mein Dank für ihre Worte gilt

Heinrich Heine, Hermann Hesse, Theodor Fontane, Friedrich Schiller, Mascha Kaléko, Ludwig Uhland, Clemens Brentano, Georg Ries, Annette von Droste-Hülshoff, Cäsar Flaischlen, Wilhelm Ganzhorn, Wilhelm Busch, Gerhart Hauptmann, Johann Wolfgang von Goethe, Erich Kästner, Joseph von Eichendorff, Gottfried Keller, Hoffmann von Fallersleben, Carl Spitzweg

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