Am 14.01.2023 fanden sich Bachelor- und Master-Studierende unseres Fachbereichs zusammen, um im Rahmen des Planspiels „Zukunftskommission Landwirtschaft“ über aktuelle und zukünftige Themen der Agrarpolitik zu diskutieren. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission aus Interessenvertreter*innen und Sachverständigen der Bereiche Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbraucher, Umwelt und Tierschutz sowie Wissenschaft. 2021 hat die ZKL einen Abschlussbericht mit einer Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorgelegt.
Bei dem Planspiel nehmen die Studierenden die Rollen und die Perspektiven der beteiligten Mitglieder ein, um in dieser Rolle mit den anderen zu diskutieren. Es müssen im Planspiel der Zukunftskommission nicht die gleichen Ergebnisse erzielt werden, wie in der „realen“ Kommission.
Konzept
Mit dem Ziel, die Agrar- und Ernährungspolitik für Studierende nahbarer zu machen, beriefen Prof. Dr. Anna Maria Häring und der externe Lehrbeauftragte Dr. Philipp von Gall eine eigene fingierte ZKL ein. Die Masterstudierenden des Kurses „Politikanalyse Agrar- und Ernährungswirtschaft“ entwickelten in der Rolle des BMEL im Vorfeld das Konzept und organisierten den studienübergreifenden Praxistag des Planspiels am 14. Januar 2023 an der HNEE. Dafür wandten sie Methoden des konstruktiven Dialogs an. Die Bachelor-Studierenden erhielten in Kleingruppen die Rollen der Interessengruppen der Land- und Ernährungswirtschaft und sollten sich auf zwei Diskussionsthemen vorbereiten:
Welche Rolle sollte die Tierhaltung in einem nachhaltigen, künftigen Ernährungssystem spielen?
Ist das Ziel, 30% Bio für Deutschland anzustreben, realistisch? Und wenn ja, wie kommen wir dahin?
Umsetzung
Die Studierenden des Masterkurses hatten für die Diskussion einen detaillierten, ergebnisorientierten Ablaufplan für den gesamten Tag erstellt. Die Teilnehmer*innen schlüpften in ihre vorbereiteten Rollen und konnten auf eine kreative Weise ihre Erfahrungen im Rollenspiel ausbauen. Diskutiert wurde wechselweise in Plenarsitzungen, Kleingruppen und mit innovativen Formaten wie der Fishbowl-Methode (Diskussionsmethode mit diskutierendem Innen- und beobachtendem Außenkreis).
So lief der Tag ab:
Auf einige Handlungsempfehlungen konnten sich die Teilnehmer*innen einigen. Es waren sich alle darin einig, dass der Ausbau des Ökolandbaus stärker subventioniert werden muss. Auch Maßnahmen zur Existenzsicherung von Landwirt*innen wurden von allen Interessengruppen befürwortet. Bezüglich einer Reduktion von Tierzahlen klafften die Ziele einzelner Studierender in ihren Stakeholder-Rollen (Biolandwirtschaft, konventionelle Landwirtschaft, Tierschutz, Ernährungswirtschaft, etc.) dann aber zu sehr auseinander, als dass sie sich auf einen Kompromiss hätten einigen können. Dass die Tierhaltung extensiviert werden muss, traf bei den meisten Teilnehmer*innen auf Zustimmung, bei der Diskussion um die genaue Umsetzung wurden jedoch die Interessenskonflikte sehr deutlich. Ähnlich verlief die Diskussion um den Einsatz und die zukünftige Rolle von Gentechnik. Am Ende lagen Empfehlungen an die Politik vor.
Ergebnisse
Der Verhandlungsprozess zeigte den Studierenden auf praktische Weise, wie schwierig es letztendlich ist, Realpolitik zu betreiben. Den eigenen Prinzipien treu zu bleiben und sich trotzdem kompromissbereit zu zeigen, um konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, dieser Balanceakt wird sicherlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Das Rollenspiel ist also eine optimale Möglichkeit, einen Einblick in das realpolitische Geschehen zu bekommen und damit ein schärferes Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie Agrar- und Ernährungspolitik funktioniert.
Ausblick
Für den ersten Durchgang des Rollenspiels Mitte Januar 2023 erhielten die Masterstudierenden eine sehr positive Resonanz von X auf ihre Pionierarbeit, was dazu ermuntert, das Projekt die kommenden Jahre weiterzuführen. Guten Anklang fand insbesondere die Fishbowl-Methode, die es erlaubt, bei Plenumsdiskussionen größerer Gruppen allen Beteiligten in Form eines erweiterten Stuhlkreissystems zu Wort kommen zu lassen. Die Diskussionen selbst zeigten den Studierenden, wie schwierig es in der Praxis-Politik ist, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen und konkrete Maßnahmen zu formulieren.
Zur realen Zukunftskommission Landwirtschaft
Die ZKL geht auf eine Initiative der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück, nachdem im Jahr 2019 Landwirt*innen sowie Klimagruppen (fridays for future) Neuerungen für die Agrarpolitik forderten. Sie soll einen Rahmen für Kompromisse unter verschiedenen Interessengruppen bieten. Außerdem soll sie Lösungen für Probleme der Landwirtschaft im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima und Ernährungssicherheit entwickeln. Dazu werden Stakeholder*innen aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wirtschaft und Wissenschaft an einen Tisch gebracht, um gemeinsam Empfehlungen zu erarbeiten.
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