Anja Hradetzky ist Studiengangsfachberaterin des Bachelorstudiengangs Ökolandbau und Vermarktung (ÖLV). Außerdem entwickelt sie den dualen Studiengang weiter. Doch das ist noch nicht alles! Sie macht neben der Hochschularbeit regenerative Beweidung und tiergestützte Interaktion mit Pferden, ist Kuhflüsterin und sitzt gerade an ihrem zweiten Buch. Wir hatten viel zu erzählen – daher starten wir mit Teil 1 des Interviews und ganz bald lest ihr hier den zweiten Teil.

Foto: Anja auf Karuna (Urheberin: Anja Hradetzky)
Hallo Anja, schön, dass du Dir Zeit nimmst, den Lesenden des Ackerdemiker.in-Blogs von dir und deinen Aufgaben an der HNEE zu erzählen. Zu Beginn: Was und wo hast du studiert?
Hallo Nicola, ich habe tatsächlich auch an der HNEE studiert und zwar von 2006 bis 2009 Ökolandbau und Vermarktung. Das war ein toller Studiengang, der mir den Weg geebnet hat, zu dem, was ich heute mache.
Hattest du schon vorher landwirtschaftliche Erfahrung oder warum hast du dich damals für Ökolandbau in Eberswalde entschieden?
Ich habe ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in Bremen gemacht. Da hatten wir ein Seminar, bei dem ein Landwirt zwischen seinen Rindern stand und uns spannende Dinge erzählt hat. Mich hat damals seine besondere Bindung zu den Tieren fasziniert und ich wollte so sein wie er. Ich hatte auch überlegt, Umweltwissenschaften in Lüneburg zu studieren. In dem dicken, grünen Buch, in dem Studiengänge gelistet sind, bin ich dann auf Eberswalde gestoßen. Dann habe ich mich am Tag der offenen Tür informiert und konnte durch die Schlafplatzbörse auch direkt einen Einblick in das Studierendenleben bekommen. Dann war die Sache für mich klar.
Worüber hast du deine Bachelorarbeit geschrieben und was waren die Ergebnisse?
Ich habe mich damals schon sehr für Pferde interessiert und habe über die naturschutzfachliche Mahd in Naturschutzgebieten mit Pferdekraft geschrieben. Ich habe mit Carmen Becker zusammen gearbeitet, die damals ihre Pferde im Gemüsebau eingesetzt hat. In meiner Arbeit habe ich ihr ausgerechnet, ob es sich für sie lohnt, Feuchtflächen mit Pferden zu mähen. Probleme sind, dass die Technik durch die Schilfgräser verstopft und es durch die nassen Bedingungen aber auch nicht mit Treckern funktioniert. Die Mahd mit Pferden ist jedoch zu teuer, weshalb man mit einem Einachsmäher flexibler und günstiger wegkommt. Mit Pferden braucht man eine zusätzliche Person, man muss die Pferde und das Gerät transportieren. Mittlerweile hat sich in dem Bereich mit Wasserbüffeln und Paludikultur vieles entwickelt. Dadurch, dass das Mahdgut beräumt werden und man eine Verwendung finden muss, ist eine Beweidung mit robusten Rindern und Pferden der Mahd vorzuziehen.
Welche Rassen wären hier geeignet?
Wir hatten gute Erfahrungen mit Braunvieh und Angler Rotvieh. Wichtig ist, dass sie eine gute Zwischenklauenhaut haben, damit sie sich nicht am Schilf verletzen.
Was hast du nach dem Studium gemacht?
Zuerst habe ich in Kanada mit Pferden Rinder getrieben, dann habe ich mit meinem damaligen Freund auf verschiedenen Betrieben in Europa gearbeitet. Aus diesen Erfahrungen haben wir uns die besten Erkenntnisse herausgepickt und in unseren aus Hartz IV heraus neu gegründeten Hof integriert. Darüber habe ich auch ein Buch geschrieben: „Wie ich als Cowgirl die Welt bereiste ...: und ohne Land und Geld zur Bio-Bäuerin wurde“.
Was arbeitest Du an der HNEE und wie kamst Du dazu?
Das war ganz lustig: Ich werde öfter zum Thema „Frauen in der Landwirtschaft“ interviewt. Einmal auch von einer Angestellten der Hochschule. Wir kamen auch darüber ins Gespräch, was sie macht und da dachte ich, „an der Hochschule könnte ich ja auch mal arbeiten“. Sie hat das dann an Prof. Dr. Anna Häring, meine jetzige Chefin, weitergegeben.
Die Stelle gefällt mir sehr gut: Ich entwickle den dualen Studiengang weiter und mache Studienfachberatung für den Ökolandbau-Studiengang. Da ich sowohl mal Ausbilderin als auch Studentin war und dabei Höhen und Tiefen miterlebt habe, kann ich meine Erfahrung einbringen. Praktischerweise kenne ich auch die Professor*innen, die Strukturen, die Berufskolleg*innen und das Praxisnetzwerk gut.
Das Ganze ist eine 20h-Stelle – ich habe also noch weitere Tätigkeiten „nebenher“.
Über deine weiteren Tätigkeiten möchte ich später gerne noch zurückkommen, aber mich würde zuerst interessieren, wie deine Beratungsgespräche ablaufen und was Du weitergibst. Auch interessiert mich, wie Du deine Erfahrungen in die Weiterentwicklung des dualen Studiengangs einfließen lässt.
Also vor allem erstmal sage ich den Studis, dass sie das Studium nicht zu ernst nehmen und trotzdem das Ziel nicht aus den Augen verlieren sollen. Also zu überlegen, was man nach dem Studium gerne beruflich machen möchte, in dem Bereich seine Abschlussarbeit zu schreiben und sich spannende Hausarbeitsthemen zu suchen. Auch wenn man es vielleicht erst nicht denkt, aber auf das dadurch erlangte Wissen, kann man später immer zurückgreifen und es anwenden. Mir persönlich hat damals auch sehr geholfen, in einer Gruppe zu lernen – aus dieser Lerngruppe sind auch teilweise bis heute andauernde Freundschaften entstanden.
Intern ist es mir auch wichtig, dass die Studis sich wohlfühlen und es ihnen nicht zu schwer gemacht wird. Die Formalien sollten auch so einfach wie möglich gehalten werden. Wenn es aber hakt, ist es meine Aufgabe, diese zu vereinfachen. Außerdem sollen sie schon Verlässlichkeit und Selbstständigkeit üben, die es auch im gehobenen Anstellungsverhältnis braucht.
Vor Kurzem habe ich den “Dual-Workshop” durchgeführt, der jährlich im Januar stattfindet. Hier kommen Ausbildende (also die Praktiker:innen), die Leute von der zuständigen Stelle für die Ausbildung, Vertreter*innen der Berufsschulen, Verantwortliche vom Landwirtschaftsministerium und Dual-Studierende zusammen und tauschen sich darüber aus, was gut läuft, was nicht und wie wir gemeinsam Dinge voranbringen können. Diesen Austausch anzuleiten, macht sehr viel Spaß und die positiven, lösungsorientierten Treffen sind unglaublich fruchtbar.
Was ich am dualen Studium auch klasse finde, sind die Theorie-Praxis-Transfer-Projekte. Wenn die Studis gerade an der Hochschule sind, können sie in der Theorie etwas für den Ausbildungsbetrieb erarbeiten. Das ist eine Win-Win-Situation: Die Studis lernen etwas und arbeiten für den Betrieb an Dingen, wofür diese sonst keine Kapazitäten haben. Häufig steigen die Dual-Studierenden später in die Betriebsleitung ein.
Ist es eigentlich üblich, dass nur ein geringer Anteil dual studiert? Ich weiß in dem Matrikel, das mit mir angefangen hat, waren es sehr wenige.
Ja, meistens sind es nur so 1-5 Studis pro Jahrgang. Das ist natürlich schade und sollte auf jeden Fall mehr sein – da legt Brandenburg auch Wert drauf. Woran das liegt, ist jedoch nicht ganz klar. Liegt es daran, dass sie von der Möglichkeit nicht wussten oder an anderen Dingen wie z.B. der längeren Ausbildungsdauer von fünf Jahren? Auf jeden Fall berichten mir dual Studierende häufig, dass Kommiliton*innen von ihrer Praxis und ihrem Wissen fasziniert sind. Daher ist es auch wichtig, dass der spätere Wechsel in das duale Studium einfach möglich wird.
Die Fortsetzung des Interviews folgt am 11.02.2025.
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