Im vergangenen Semester musste der FB II einen Dozenten entbehren. Herr Prof. Dr. Schulz reiste quer über den Atlantik, in ein Land zwischen zwei Ozeanen – nach Nicaragua. Dort verbrachte er einen Teil seines Forschungssemesters, um einen seltenen Bewohner der Bergregenwälder aufzuspüren, dessen Lebensräume zu kartieren und die dortigen Landnutzungsänderungen zu dokumentieren.
Ulrich Schulz‘ Ziel war es, den schwer zu beobachtenden Quetzal zu finden und die Rufe der Männchen auf Tonband aufzunehmen. Der taubengroße Vogel mit dem rot und metallisch grün schillernden Gefieder ist ein Charaktertier der mittelamerikanischen Nebelwälder, eine Flaggschiffart des Naturschutzes dort, sogar auf den Geldscheinen abgedruckt und das Wappentier Guatemalas. Und er ist es, den die frühen mittelamerikanischen Hochkulturen als „Quetzalcoatl“, die gefiederte Schlangengottheit sahen. Vielleicht, weil die Männchen bis zu einem Meter lange, prächtige Schwanzfedern tragen, die auf ihren spektakulären Balzflügen wie eine Schleppe hinter ihnen her wogen.
Diese uralte kulturelle Bedeutung der Vögel interessiert den Zoologen besonders. Ebenso die Wappentiere anderer Staaten; welche Bedeutung haben sie mit ihrer Symbolkraft für die Kultur der Menschen, den (Öko)tourismus, den Naturschutz?
Verstärkten Naturschutz hat der Quetzal bitter nötig. Holzeinschlag, Brandrodung, wachsende Monokultur-Ackerflächen, gern mit reichlich Pestiziden garniert, sind in Mittelamerika weiterhin eine Gefahr für ihn und unzählige andere Spezies. Auch wegen seiner Federn wird der Quetzal heute noch illegal bejagt.
Ökologe und Zoologe Ulli Schulz versucht, den bedrohten Vogel noch mehr ins Bewusstsein und seinen Schutz verstärkt ins Interesse der Menschen zu rücken, nicht nur in Mittelamerika. Das könnte gelingen, wenn er dessen Lautrepertoire weiter erforscht und sich seine Theorie bewahrheitet: In Mittelamerika lebt nicht nur eine Quetzal-Art, sondern gleich zwei!
Um das endgültig zu beweisen, wären Genanalysen nicht ausreichend und bei den scheuen Tieren kaum durchzuführen. In der modernsten ornithologischen Forschung werden zum Beispiel klare Stimmaufnahmen der Vögel benötigt. Sie müssten den Unterschied eindeutig hörbar machen. Dieses Beweismaterial sammelte Herr Schulz im Frühjahr selbst. Oft machte er sich vor Sonnenaufgang von einer kleinen Hütte aus auf den Weg in die Bergregenwälder, ausgerüstet mit Fernglas, Mikrofon und Aufnahmegerät. Zu Fuß steile Hänge hinauf, allein, auf über 1400 Meter Höhe, vorbei an Brüllaffen, die die Aufnahmen störten, an stechenden Insekten, tropischen Schmetterlingen, Kolibris an Blütenkelchen. Ein Quetzal zeigte sich nur sehr selten. Und meist verschwand er schnell wieder im Dickicht des Waldes.
Da half nur abwarten und Kaffee trinken. Der wird in den Bergen Nicaraguas angebaut. Wie bezahlt sich dabei ökologisch, nachhaltig und Fairtrade-bewirtschaftete Plantagen machen, konnte Herr Schulz selbst beobachten. Direkt an den pestizidfreien Anbauflächen, neben Arbeiterhütten, wurden Bäume stehen gelassen, die den Kaffeesträuchern Schatten spenden und nebenbei Quetzal-Nistbäume sind. Die extensive Bewirtschaftung kann also wichtige Waldstrukturen langfristig bewahren. „Naturschutz und Landschaftsnutzung müssen sich nicht ausschließen“, so Professor Schulz.
Seine Forschungsergebnisse wird er nun auswerten, um sie später unter anderem mit einem guatemaltekischen Fachkolleg*innen zu publizieren.
Dieses Wintersemester hat Herr Schulz seine Lehrtätigkeit bei uns wieder aufgenommen. Allen Interessierten kann er außerdem aus erster Hand von der „gefiederten Schlange“ berichten – und ihrer Bedeutung im Uhrwerk der Geschichte, Kultur, Ökologie und Landnutzung Mittelamerikas und der Welt.
Beim Kaffeetrinken am anderen Ende der Welt traf Herr Schulz übrigens zufällig die LANU Alumna Franziska Lutz, die inzwischen von der Hochschule zur Gemüseackerdemie gewechselt ist. Ihr Freund , der sie auf ihrer Nicaragua-Reise begleitete, hat gleich ein Foto von den beiden mit Herrn Schulz geschossen.
Noch ein Foto, von Professor Schulz bei einer Tonaufnahme im Regenwald und dazu ein Bericht von ihm selbst über seine Arbeit und ein wertvolles Stück seiner Ausrüstung, ein Messer namens Abd el Kerim, welches von unserem Pflanzenschutz Professor Dr.Stefan Kühne gefertigt wurde.
Epiphyten sind Aufsitzerpflanzen. Sie wachsen auf anderen Pflanzen, etwa auf Bäumen, ohne ihnen aktiv zu schaden. Das bekannteste Beispiel, meist ohne zugehörigen Baum in mitteleuropäischer Topfkultur, sind Orchideen.
Comments